Ist die Ökonomisierung der Bildung ökonomisch?

So wie der Titel des Posts lautet das Oberthema unter dem die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung zusammen mit der Uni Augsburg und dem Ökonomie und Bildung e.V. zu einem Zukunftsforum am Montag eingeladen hatte.

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Podium und Gäste der Veranstaltung;
Podium v.l. Prof. Zymek, Prof. Wößmann, Moderatorin Burscheidt Amtschef d. Ministeriums Erhard, Prof. Böhle
(Anklicken für große Abbildung)

Es ging an diesem zweiten Abend zu dem Thema um die Schule! Viele Details kann man bei Gabi Reinmann, Frank Vohle und Sandra Hofhues nachlesen – drei Perspektiven. Ich war auch dort, wenn auch 10 Minuten zu spät, weil ich von der Arbeit gekommen war und zumindest noch eine Banane essen wollte vorher.

Ich fand die Diskussion anregend, was sicher auch daran lag, dass leidenschaftlich diskutiert wurde im Plenum. Als Beispiel dafür sei folgender Audioausschnitt von einem Beitrag Prof. Zymeks gedacht.


[Kurzer Audiomitschnitt von Herr Zymek aus Copyrightgründen entfernt.]

Hängen geblieben sind bei mir folgende Dinge:

  • Schule und Bildung sind seit Jahren chronisch unterfinanziert
  • Eine Einführung von Budgets für z.B. Schulleitungen ist eine Weiterreichung von Kostensekungen nach dem Motto „Mehr gibts nicht, seht wie ihr damit zurecht kommt“
  • Prof. Wößmann betonte den „Armchair Economist“, der feststellt, dass Menschen & Wirtschaft auf Anreize reagieren; zugleich diagnostiziert Wößmann aber einen Mangel an Zielen und kombiniert mit mehr Autonomie, was eher eine Verschlechterung bewirkt
  • Im angelsächsischen Raum regiert der Utilitarismus bzw. die Gläubigkeit an das was man mißt, z.B. mit PISA
  • Wößmann sagt, bei den „großen“ Entscheidungen handle der Mensch rational. Dem widerspreche ich hier mal ganz deutlich (Beispiel: Partnerschaften, Heiraten, Kinder kriegen, Berufswahl, usw.)
  • Irgendwie war da mal was mit Gymnasium G8, aber da es mittlerweile alle machen (sogar in Europa) interessiert das eigentlich niemanden mehr so richtig

Ich fing während der Diskussion irgendwann an mich zu wundern warum die Personen des Podiums so viele verschiedene Dinge ansprachen. Ganz offenbar verstand jeder etwas anderes unter der Ökonomisierung von Bildung. Da habe ich dann nachgefragt, was denn mit „Ökonomisierung von Bildung“ eigentlich gemeint sei? Leider war die Zeit dann aber schon fast um und meine Fragen blieben im Raume stehen.

Frage: Was meint Ökonomisierung von Bildung?

  • Meint man mehr Optimierung bzw. Effizienz durch Marktmechanismen (z.B. mehr Information über Schulqualität, freue Wahl der Schule)?
  • Meint man das Geldverdienen mit einer Problemlösung (z.B. Privatschulen, Schulgebühren, Bildungskredite)?
  • Meint man das optimierte „Investment“ in Humankapital unter dem Eindruck eines neuen Menschenbildes, bei dem die Laufzeit des Investments im Kindergarten beginnt (und mankonsequenterweise auch noch vor der Zeugung ansetzen könnte)?
  • Oder, meint man die internationale Anpassung bzw. das Nachmachen und Kopieren anderer Systeme mit dem Ziel ein Me-too-Produkt für deutsche Bildung zu schaffen?

Insgesamt eine anregende Diskussion, aber irgendwie hat jeder etwas anderes unter Ökonomisierung verstanden, hatte ich den Eindruck. Für mich kristallisierte sich vor allem ein Eindruck heraus: Das deutsche Bildungssystem, vermutlich sogar die gesamte deutsche Politik und dieses ganze Land stecken nicht in einer Finanz- oder Bildungskrise, sondern in einer schweren Vertrauenskrise. Der Staat traut weder seinen Bürgern, noch den Schülern, schongar nicht den Studierenden und erst Recht nicht den Professoren und eigenen Beamten über den Weg. Deshalb wird für alles eine Messung/Evaluation vorgenommen, superfeingliedrige Regeln (z.B. was die zeitlichen Rahmen von Bildungsangeboten angeht; Stichwort 45min-Takt) aufgestellt, die keine Abweichungstoleranzen mehr haben, und so gut wie alles was irgend geht kontrolliert bzw. prophylaktisch überwacht. Wir sind in der Anreizfalle angekommen, dieses Gebiet kennen auch Volkswirtschaftler die nennen das Liquiditätsfalle, wen der Markt auf mehr Geld nicht mehr reagiert. Da jede Evaluation auch gleichzeitig ein komplex ausgestalteter Anreiz ist, scheinen die Evaluationen zunehmend vollkommen wirkungslos.

Mal gucken, es gibt ja noch eine Veranstaltung zu dem Schwerpunkt „Universität“ in Kürze. We will see…

4 Gedanken zu „Ist die Ökonomisierung der Bildung ökonomisch?“

  1. Wenn die „Verwirtschaftlichung“ irgendwo nichts zu suchen hat, dann in der Bildung. Bildung gehört als menschliches Grundrecht wie Nahrung und ein Dach über dem Kopf behandelt. Die Verwirtschaftlicher sollten mal darüber nachdenken, ob wir es uns leisten können auch nur einen hellen Kopf zu verlieren, nur weil das Bisschen Geld nicht da sein soll. In diesem Zusammenhang muss ich an die „Investitionen“ an meiner Uni denken. Es wurden mit Freude neue Gebäude gebaut und Rechner angeschafft. Für Lehrpersonal war das Geld aber immer knapp. Hier muss umgedacht werden. Viele große Erfindungen wurde in Garagen gemacht.

    Im Grunde genommen ist es der selbe Effekt wie bei Hardware und Software. Die meisten Leute weigern sich für Software auch nur einen Cent auszugeben, zahlen aber viel Geld für Hardware. Fazit: Der Mensch ist noch nicht reif für die geistige Ära, er braucht immer noch einen großen schweren Klotz um einen Wert darin zu erkennen.

    Thema Evaluation: Meine Mutter ist Lehrerin und das Wort Evaluation ist ein rotes Tuch für sie. Viele Formulare, viel Buzzwords, kaum Inhalt. Dazu passt der uralte Spruch „Vom Wiegen wird die Sau nicht fett.“ Wenn Untersuchungen wenigstens mit einem Hauch wissenschaftlicher Methode durchgeführt werden würden, aber so was ist Wirtschaftsleuten meist sowieso fremd. Man muss sich manchmal schon wundern wie aus uns auch ohne Bildungsportfolio brauchbare Steuerzahler werden konnten.

    Gesamtfazit: Weniger labern, mehr tun. Das Geld da sparen wo es verschwendet wird.

  2. Ich denke auch, dass es nicht unbedingt luxeriöser Ausstattung Bedarf, um genial zu sein. Aber, ohne eine Grundausstattung geht es gar nicht. Und zu einer Grundausstattung würde ich z.B. auch eine angemessene Bezahlung der Wissenschaftler/Forscher zählen. Wenn die nämlich ihre Miete nicht mehr bezahlen können, dann bleibt kein anderer Ausweg, als dahin zu gehen, wo die ökonomische Gleichung aufgeht.

    In der Universität/Wissenschaft geht sie schon lange nicht mehr auf, für die Banken geht sie selbst bei fatalsten Fehlentscheidungen auf. Derzeit wird gerade das größte Anreizprogramm Deutschlands aufgelegt: Anreiz zur Mißwirtschaft! Denn was ist ein sogenanntes 400 Mrd. EUR schweres Rettungsprogramm anderes, als eine Belohnung für Fehlverhalten? Der Jahresetat für Bildung beträgt ca. 10 Mrd. EUR und ist angeblich ständig schon zu groß und unbezahlbar. Aber auf einmal ist das 40fache des Jahresetats da, um ohne jede Evaluation die Banken zu belohnen.

    Es scheint eben doch zu gelten:
    „Bankraub ist eine Unternehmung von Dilettanten. Wahre Profis gründen eine Bank.“ Bertolt Brecht (1898-1956), dt. Dramatiker u. Dichter

    Nicht vergessen sollte man, sich rechtzeitig – also so lange wie das bunt bedruckte Papier etwas wert zu sein scheint – ein Denkmal zu setzen. Auch an angemessene Löhne sollte man rechtzeitig denken. Und natürlich sollten die Gewinne der Bank ausschließlich der Bank gehören und nicht etwa den Kunden.

    Update 13.11.2008
    Soeben in meinen zufälligen google-Quotes gelesen, Wahrheiten der Zeit:

    Eine Regierung muß sparsam sein, weil das Geld, das sie erhält, aus dem Blut und Schweiß ihres Volkes stammt. Es ist gerecht, daß jeder einzelne dazu beiträgt, die Ausgaben des Staates tragen zu helfen. Aber es ist nicht gerecht, daß er die Hälfte seines jährlichen Einkommens mit dem Staate teilen muß. – Friedrich II. der Große

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