Einheitskreis, Bogenmaß, Polarkoordinaten

Nur damit ich das später mal wieder finde, wenn ich es das nächste Mal brauche hier ein paar lustige Ressourcen zum Einheitskreis und Trigonometrie die man sonst nur schwer im Netz findet.

Bekloppte Mathematiker

Wer sich mal näher mit Kreisberechnungen beschäftigt, i.e. im Bereich der Programmierung, der schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, wie kompliziert die Programmierbeispiele für diesen Kram sind.

Und das liegt an ZWEI schlimmen Dingen die Mathematiker offenbar cool, oder nicht so schlimm finden:

  1. Mathematiker finden nichts Schlimmes daran, ständig für die Kreisberechnung einen Basiswert von 2? (Zwei Pi) überall hinzurotzen, statt einfach ? = 2? (Tau gleich Zwei Pi) zu definieren, damit man eine schöne bezugszahl für den Vollkreis hat. (Das schlägt übrigens auch Physiker @mhartl vor auf tauday.com.)
  2. Alle dämlichen Codebeispiele werden in Radians bzw. dem Bogenmaß des Einheitskreises gerechnet, statt in Degrees bzw. Grad unter denen sich ein normaler Mensch was vorstellen kann.

Aus diesem Grund habe ich meinen Programmcode so gestaltet, dass er immer in Grad rechnen kann und mit ? (Tau) wobei ich für ? (Tau) als Wert 2? (Zwei Pi) definiere. Wenn man mit durchgehenden 360 Grad eines Vollkreises rechnet, fallen nämlich bequemerweise alle komischen Vorzeichenwechsel von komischen Radianswerten weg, die man sonst üblicherweise als Nebenwirkung hat.

Einheitskreise

einheitskreis_alles_550
Quelle: Wikipedia

Hier mal eine grafische Übersicht der klassischen Lehre vom Einheitskreis mit den ganzen komischen Dingen die man da bekommt. Rechts der Einheitskreis mal in Quadranten aufgeteilt, denn diese doofen Quadranten muss man beachten für einige Berechnungen, wenn man nicht mit dem Vollkreis rechnet (Quelle: „Polar and Cartesian Coordinates“, bei MathIsFun.com).einheitskreis_quadranten

Polarkoordinaten

Eigentlich will man auf dem Kreis immer nur seine Position bestimmen wenn man mit dem Ding rechnet oder andere Dinge die von dieser Position abhängen, z.B. Winkel zwischen Strecken und Längen von Strecken. Primitivere Anforderungengibts also eigentlich gar nicht. Ich hab einen Kreis und ich hab irgendeine Position auf dem Kreis (nennen wir die mal einen Punkt) und ich will z.B. wissen welchen Winkel eine Linie zur horizontalen (x-Achse) hätte, die ich vom Kreiszentrum zu dem Punkt führe. Simple Frage, oder?

Und das kann man ausrechnen. Es ist sogar eine nicht sehr unübliche Berechnung. Nein, es ist sogar die häufigste Berechnung, die man am Kreis ausführt. Man nennt diesen Winkel auch die Polarkoordinate. Wenn ich sage meine Position ist bei 45° auf dem Kreis, gibt es keine Missverständnisse. Es ist eine eindeutige Koordinate, die man gerne mit ? (Theta) bezeichnet. Da ist es übrigens auch völlig schnuppe wie große der Kreis ist bzw. welchen Radius r der hat. Erst wenn ich die Koordinate auf einem anderen Kreis beschreiben will, muss ich auch den Radius r beachten und den als Teil der Koordinate auffassen. Hat man nur einen Kreis ist die Sache also schön einfach!

Weil Mathematiker aber so richtig große Arschlöcher sind, dass sie Zeug halt gerne komplizierter schreiben als nötig, nehmen die halt gerne griechische Buchstaben von denen keine Sau weiß wie sie heißen, oder wie man sie ausspricht. Das schützt das Herrschaftswissen der Mathematiker. Sonst könnte das ja sofort jeder verstehen und benennen, das wollen Mathematiker natürlich nicht, dann wären sie ja nichts Besonderes mehr. Lerne, wenn man Menschen die Fähigkeit nimmt etwas zu benennen, können sie damit auch nicht vernünftig arbeiten. Toll, oder? Hier kann die Politik noch von der Mathematik lernen. Einfach eine eigene Geheimsprache zulegen!

Alternativ könnte ich übrigens ausrechnen, wie weit der Punkt vom Zentrum horizontal (x-Achse) entfernt ist und wie weit er vertikal (y-Achse) entfernt ist. Das sind dann aber zwei Zahlen die ich brauche, um die Position in einem zweidimensionalen (kartesischen) Koordinatensystem zu beschreiben. Ein X- und ein Y-Wert. Ist natürlich für die Programmierung deutlich einfacher, wenn man nur mit einer Zahl zu tun hat, statt mit zweien, daher sind Polarkoordinaten eine tolle Sache.

Dämlich ist bloss, Computer können ihren Bildschirm nur in kartesischen Koordinaten ansprechen. Ich muss die tolle Polarkoordinate also oft wieder umrechnen, sobald ich da konkret was auf dem Bildschirm darstellen möchte. Deshalb konvertiert man oft zwischen beidem Zeug hin und her, wenn man das nicht einfach macht eine schöne Quelle für Fehler.

Es geht aber in einfach: Das wird bloß gerne geheimgehalten von Mathematikern & Informatikern, denn die sitzen ja beide im selben Boot. Das Geheimnis heisst atan2(x,y). Eine Geheimfunktion, die einen X- und Y-Wert nimmt und diesen in eine Polarkoordinate umrechnet (natürlich in Radians, sonst wäre es zu einfach). Und damit das keiner sofort findet, haben die das schön in einem eigenen Wikipedia-Artikel versteckt.

Polarkoordinaten, kartesische Koordianten in Bogenmaß und Grad

Da eine Fehlerquelle allein langweilig ist, hat man sich noch ausgedacht beim Programmieren alle Standardfunktionen der Trigonometrie (sin, cos, tan, cot) nur im sogenannten Bogenmaß bzw. Radians rechnen zu lassen. Die geben einem also effektiv falsche Werte geben, wenn man da Werte in Grad, also einen Winkel von ? = 45° reintut. Und ganz egal was man reintut, raus kommt immer nur Bogenmaß also Radians.

Das haben sich die Entwickler der Programmiersprachen ausgedacht, die sind häufig die gleichen Arschlöcher wie die Mathematiker, oft sogar in der gleichen Person. Die wollen also nicht, dass jeder mal eben mit den tollen Funktionen rechnen kann. Das sollen nur Spezialexperten können, daher hat man das im sogenannten Bogenmaß-only gemacht. Es gibt also keine Sinusfunktion in deiner Mathematikbibliothek deiner Programmiersprache, die als Eingabewert Werte in Grad akzeptiert. Da haben die Mathematiker und Informatiker nämlich was dagegen.

DESHALB muss man für jede kleine Scheißrechnung vorher die Einheit von Grad in Radians umrechnen. Und das was dann da rauskommt (z.B. aus einer atan2(x,y)-Funktion) ist auch im Zweifel wieder ein Radians-Wert mit dem keine Sau was anfangen kann ausser halt der Computer. Joa, so macht man sich das Arbeiten schwer würde ich sagen. Man ist also eigentlich immer nur am Konvertieren statt am Rechnen.

Fuck 2?

Eine besondere Kuriosität ist übrigens, dass die Mathematiker so bekloppt sind, dass die sich bei Kreisberechnungen auf 2? (Zwei Pi) anstatt ? (Tau) beziehen. Denn hey, warum eine Kreisvariable definieren die ? = 2? ist, wenn man so die Sache schön kompliziert aussehen lassen kann? Oh und übrigens haben die Informatiker den Mathematikern auch geholfen dafür zu sorgen, dass griechische Symbole keinesfalls einfach über die Computertastatur eingetippt werden können. Sonst wäre das ja zu schnell irgendwo aufgeschrieben.

Oh, und selbst wenn man das tippen kann, haben die Datenbankprogrammierer und die Programmierer von WordPress in seltener Einigkeit dafür gesorgt, dass getippte griechische Symbole keinesfalls mal eben so gespeichert werden können. Deshalb haben sie für die Datenbank per Default ASCII statt UTF8 benutzt. Daher sind die Symbole hier auch alle nicht lesbar, sie sind schlicht nicht gespeichert und nicht speicherbar. Aber irgendein abtrünniger Informatiker oder Mathematiker hat die griechischen Symbole tatsächlich irgendwann in HTML definiert damit er vermutlich sein Geheimwissen in geheimen Internetseiten ausdrücken kann. Ich rufe laut und deutlich KETZER!!!!! Ich kann also mit der Hilfe dieses Abtrünnigen Verräters die Zeichen

  • θ (Theta)
  • τ (Tau)
  • π (Pi)

trotzdem schreiben, was für eine Schande für die Zunft.

Daher noch einmal in groß:

τ = 2π

Circle_radians_tau
Source: http://tauday.com/state-of-the-tau

Und bitte liebe Objective-C und bald Swift-Programmierer. Lasst den Scheiß Leute auf eure tollen selbstdefinierten precompiler-Hacks auf Stackoverflow hinzuweisen, um von Grad in Radiant umzurechnen. Dafür gibt es Funktionen die bereits an Bord sind. Und die heißen:

GLKMathDegreesToRadians

GLKMathRadiansToDegrees

Weitere nützliche Seiten:

  • http://www.mathe-online.at/mathint/wfun/i.html
  • https://en.wikipedia.org/wiki/Atan2
  • http://www.mathsisfun.com/polar-cartesian-coordinates.html
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Einheitskreis
  • Lustiger Versuch eines Mathematikers andere davon zu überzeugen, dass 2π und Radiant ja viel einfacher und besser sei.

    Tau Propaganda

    I just found…

    A black & white summary sheet highlighting key tau facts with relevant sources for the curious.

    fact-005-embrace-the-tau
    as PDF and as HQ image.

    Oh and this one… haha…

    pi_vs_tau
    Source: xkcd

    Why do I blog this? Weil Mathematiker und Informatiker riesige Arschlöcher sind und von Einfachheit bei der Benutzung nichts wissen wollen. Und weil ich mit deren kruden Mist und Funktionen rechnen muss, wenn ich mir nicht meine eigene Trigonometrie-Bibliothek in Grad bauen will. Und weil ich ja nichts Besseres zu tun habe…

  • End of Life – Rest in Peace MOOC

    rip_gravestoneIch hab den die Welt rettenden MOOC Hype ja diesmal komplett aus dem blog rausgelassen. Wäre eher „noise“ als „signal“ gewesen. Hier habe ich jetzt einen Beitrag zu dem Thema gefunden, den ich mal verlinken mag und gleichzeitig mal mit EOL (End of Life) des MOOC übertitele:

    Let Them Eat MOOCs von Gianpiero Petriglieri, Associate Professor of Organisational Behaviour at INSEAD

    Hier mal ein paar schöne Ausschnitte aus den schon über 135 Kommentaren zu seinem Post:

    MOOCs themselves, in my experience, are a combination of poor/old-fashioned pedagogy and book club.

    No amount of technology can hide the fact that MOOCs are layered on top of an outdated model for education.

    I guess it’s comforting, from a job-security perspective, that by the time algorithms are able to reproduce the „sophisticated search and social technology“ that we currently provide, the singularity will have occurred and we will have long since been murdered or enslaved by our intelligent machine overlords.

    For all of the enthusiasts of MOOCs, let me ask you. In what other field would someone be expected to provide their services for FREE? When is the last time you doctor provided free medical services, or your accountant, or ..l..
    You get the idea.

    Free is an illusion.

    At INSEAD you may have the luxury of small classrooms, but most undergraduate students are not getting the same personalized experience. The fact that universities are opening up these classes for free just re-enforces the fact that it’s not the knowledge you are paying for, it’s the degree. In an economy that is becoming more pragmatic and applied, knowledge and skill will always win over a degree.

    world_domination_2

    Missionare in Sachen Bildungsökonomisierung

    Derzeit greift z.B. auch die New York Times den MOOC Hype nochmal auf in ihrem Beitrag „U.S. Teams Up With Operator of Online Courses to Plan a Global Network“. Nach dem ziel befragt antwortet eine Coursera Verantwortliche wie folgt:

    “Our mission is education for everyone, and we’ve seen that when we can bring a community of learners together with a facilitator or teacher who can engage the students, it enhances the learning experience and increases the completion rate […]”

    Kurzer Zwischenfrage: „Was ist eigentlich das Ziel von Missionaren?“ Recht einfach:

    The main goal of a missionary is to spread the gospel of his or her religion, and persuade others to believe in it’s doctrines and practices.

    Oh und dann haben sie sich gleich mal mit dem Staat zusammengetan, um den richtigen Hebel zu finden, großartig:

    „Coursera is joining forces with the State Department’s MOOC Camp Initiative.“

    Und den Staat befragt warum sie mitmachen, antwortet dieser:

    We have a list of MOOCs from different providers that we suggest, but Coursera has had a unique interest in working with us to collect the data to understand the learning outcomes from facilitated discussions […]

    Na, dann geht es sicher gar nicht um die Daten der Nutzer und die Senkung von Kosten.

    Kostensenkung und Entwertung

    Prof. Gianpiero Petriglieri sieht darin aber nicht etwa nur missionarische Arbeit am Werk, sondern auch eine handfeste Gefahr für die Bildung:

    MOOCs can be used as a cost-cutting measure in already depleted academic institutions and become another weapon against battered faculty bodies. They may worsen rather than eliminate inequality by providing credentials empty of the meaning and connections that make credentials valuable.

    Hinter hinter jedem MOOC steht natürlich das Interesse auch an der Kostensenkung von Bildung. Weniger Personal, mehr Eigenverantwortung. Kommt mir irgendwie bekannt vor aus anderen Bereichen der Wirtschaft. Ich halte den Beitrag von Prof. Petriglieri für einen der wenigen der es wert ist gelesen zu werden, und zwar mit allen Links die darin enthalten sind.

    Bezeichnend ist allerdings auch zugleich, dass der Herr Professor seine eigene Meinungsäußerung auf der kommerziellen Webseite von blogs.hbr.org (dem Harvard Business Review) kund tut, also gleich mal selbst kommerziell gnadenlos verwertet und die Kommentare noch folgender tollen Regelung unterliegen:

    All postings become the property of Harvard Business School Publishing

    Hach, schöne neue Lern- & Bildungswelten. Wir sind auf die Zukunft bestens vorbereitet!

    Update: 9. November 2013

    Weiterer schöner Beitrag namens A Future With Only 10 Universities von Audrey Watters, die übrigens ein schönes & interessantes Blog namens hackeducation betreibt.

    50_year_10_universities

    Ihr Beitrag „The Education Apocalypse“ ist auch nochmal recht lesenswert.

    Der finale Todesstoß für MOOCs

    mooc_schulmeisterUnd hier ist er der finale Todesstoß für die MOOCs in Germany. Wenn man sich auf eine Person verlassen kann, dann auf die alte Forscherschule, jemanden der noch weiß wie man schlaue Fragen stellt und der sich selber nicht zu fein ist sich selber die Hände im Dreck schmutzig zu machen, um an die so wichtigen Daten zu kommen: Prof. Schulmeister

    Und er hat jetzt eine Veröffentlichung „MOOCs – Massive Open Online Courses – Offene Bildung oder Geschäftsmodell?“ herausgebracht, die man wohl ziemlich sicher als den Sargnagel auf das MOOC-Konzept betrachten kann. Zumindest aber lässt er den hochgelobten Kaiser ziemlich nackig dastehen. Denn wenn man anhand der Fakten analysiert bleibt von den „Verbesserungen“ durch MOOCs, die die Welt retten sollen nicht mehr soviel übrig.

    Aber das liest man besser mal selber (PDF) nach.

    ONLINE-LERNPLATTFORMEN: Bildung für alle ist eine Illusion

    Schreibt Golem grade.

    Bildung für manche statt für alle: Drei Jahre nach der ersten Euphorie ist klar, dass die MOOCs genannten Onlinekurse trotz großen Erfolgs nicht die Massen erreichen.

    Aber die Nanodegrees (die neuste Schöpfung aus der Bildungsnation US of A) werden es sicher richten.

    Update 22.8.2016: MOOC is an abandoned ship

    Tja, ist immer einfach zu sagen told-you-so, aber in diesem Fall wohl eindeutig das Richtige. Ich zitiere:

    The most obvious reason why everyone from the founders of MOOC companies to students who sign up for such course are abandoning MOOCs is because these kinds of courses have not lived up to their initial hype. MOOCs were supposed to transform education as we know it, but traditional education with its inefficiency derived from the close proximity between professors and their students has proved more resilient than its wannabe disruptors ever imagined. Yes, there are still plenty of MOOCs available for people who want to take them, but it now seems safe to conclude that Sebastian Thrun’s 2012 prediction that there will only be ten institutions of higher learning in fifty years will be off by a large order of magnitude.

    Oh und Captain Obvious meldet sich auch zu Wort:

    With MOOC production costs as high as $325,000 for a single course, profitability is almost certainly the main obstacle to keeping MOOCs viable for the long term.

    Und dann kommt noch dieses Comedy Gold um die Ecke:

    If teaching were like most activities, it might be capable of being automated and scaled. But unfortunately for the MOOC providers, teaching isn’t like most activities.

    Aber hey, morgen kommt der nächste Depp und wird behaupten die AI/KI wird das dann schon richten. Ich bin da optimistisch gestimmt, dass uns der Grund Popcorn bereitzuhalten nicht ausgehen wird im Education-Sektor.

    Update 25.10.2016

    Jonathan Rees has a nice blog post „I’ve come out of MOOC retirement.“ put online. Einige zufällige Zitate über Coursera, eine Firma/Startup die seit einigen Jahren versucht Bildung zu Geld zu machen:

    Actually, Coursera’s business plan now reminds me now more of a company like Evernote than it does public broadcasting. Provide a free service that people find useful, then constantly upsell your customers in the hopes that they might pay up for it.

    But Coursera isn’t helping Penn provide “high-quality learning opportunities” to “millions of people around the world” anymore. They’re helping Penn provide mostly static content to millions of people around the world and access to low-quality learning opportunities for people with the willingness and resources to pay for it.

    Rees schließt mit der vielsagenden Erkenntnis:

    MOOCs were never about universal higher education. They were always about making money. Faculty and students at any university with a MOOC partner ought to recognize that by now, and pressure their schools to un-partner immediately. Then they can develop their own platforms and offer their own MOOCs on any terms they want. Hopefully, those terms will go back to really being open again.

    Dem ist nichts hinzuzufügen. Coursera hat sich seit seiner Gründung mehrfach um die eigene Achse gedreht in Sachen Ziele. Letztlich hat man mit einem neuen Wortkonstrukt des „Nanodegree“ versucht Inhalte die für Unternehmen wichtig sind als Selbstlernfortbildung anzubieten und den Lernnachweis dann „Nanodegree“ zu nennen. Und natürlich ist nichts davon kostenlos. Die Unternehmen zahlen, um Inhalte erstellen und bereitstellen zu lassen, und profitieren auch direkt davon wenn sie ihre Mitarbeiter dort hinschicken. Die Mitarbeiter / Lernenden zahlen für den Degree, um sich besser am Markt verkaufen zu können.

    Why do I blog this? Die MOOC Sau die jetzt schon über ein Jahr durchs Bildungsdorf getrieben wird ist nur der alte E-Learning Wein im neuen Schlauch. Die bekannten Nachteile und Probleme sind nach wie vor ungelöst (z.B. fehlende Akzeptanz, weil man sozial isoliert lernen muss; fehlende soziale Wahrnehmung, weil soziale Aspekte nicht im Vordergrund stehen sondern technologische, usw.) MOOCs sind so gut wie erledigt aus meiner Sicht. Denn die Magic Bullet gibt’s halt nicht.

    world_domination_1

    Es gibt immer wieder Leute die auf das schnelle Geld und schnelle Lösungen im Bildungsmarkt hoffen. Und wenn, dann will man natürlich gleich alles bisher da gewesene ablösen, siehe z.B. Apple iBooks:

    realitycheck_ibooks2_550

    World Domination ist ja auch ein nicht gerade einmaliges Standardziel von StartUps und es geht auch oft mit sehr heftigen Schmerzen einher (ich sprech‘ da aus Erfahrung!). Aber Bildung lässt sich nunmal nicht so schön in ein mp3-File verpacken und verhökern wie Musik. Schon doof wenn man schnell reich werden will! Aber vielleicht klappt’s ja, wenn man die Kosten nur hoch genug schraubt an den verbliebenen Institutionen. Zum Beispiel mit Studiengebühren, Abschaffung von Bafög usw. dann sehe ich da noch Möglichkeiten für MOOCs. Vielleicht ist das ja auch der grund warum diese MOOCs angeblich in USA schon funktionieren: Hohe Studiengebühren, keine freie Lehre. Wobei, wir hätten ja auch noch die Wikipedia als wichtigsten Konkurrenten mit freien (und kostenlosen) Inhalten… wer bereit ist da zu suchen und auf Celebrity Talking Heads zu verzichten… also müsste man Wikipedia vorher wohl noch platt machen damit da ein Markt entsteht.

    soylent_greenDass der MOOC Hype so schnell rum sein würde hätte ich jetzt nicht gedacht, aber nun ja. Die Illusion von „Kostenlos“ wird wohl dann demnächst auch in den USA platzen. Denn da zählt am Ende des Tages nur der Return on Investment. Irgendwann kommt halt einfach raus, dass der Hype nur von den Promotern lebt und denen die im Anfall des Idealismus ihre Inhalte frei verteilen. Wen das jetzt an Soylent Green erinnert, dem möchte ich da nicht unbedingt widersprechen.

    Letztes Jahr hat noch der Herr Jörn Loviscach auf dem 29c3 ganz groß die MOOC-Hypetrommel geschlagen. Ich war in seinem Vortrag und musste mich wirklich arg zurückhalten die Veranstaltung nicht zu stören so krass war die Propaganda namens „MILLIONS OF LESSONS LEARNED ON ELECTRONIC NAPKINS“ die da vorgetragen wurde mit heftigsten angloamerikanischen Referenzen an Udacity und den Herrn Thrun. Völlig ohne einen Kontext von Kritik versteht sich. Mich würde interessieren was Herr Joviscach denn mit seinen MOOCs so derzeit macht. Oder ob er schon leise den Abschied einläutet…

    Ich schätze sein Engagement in Sachen Online Lehren und Lernen, aber der Vortrag auf dem 29c3 war aus meiner Sicht reinste Propaganda. Enthielt rethorische Kniffe (z.B. immer wieder durchgeführte völlig sinnfreie Meinungsabfragen beim Publikum während des Vortrags) um von kritischen Problemen abzulenken und ging auch im Nachklapp beim üblichen Fragen & Antworten mit dem Publikum auf Kritik nicht ein. Man wollte auch keine Kritik hören, das war klar zu erkennen.

    Es wundert mich allerdings auch überhaupt nicht, dass wesentliche Apologeten der Online Lehre per MOOC fast ausschließlich aus dem Mathematik- und Informatikbereich kommen, einem Bereich der wohldefinierte Lösungen kennt die nur RICHTIG oder FALSCH sein können und bei dem die Ablehnung von Technologie einer Ketzerei gleich käme. Die Lerninhalte kann man da auch prima online prüfen wenn es nur Richtig und Falsch gibt. Soziale Abwägungen und Bewertungen oder gar kulturelle Diskussionen und Auseinandersetzungen sind da nicht nötig und somit stellen sich die Probleme der sozialen Aushandlung und Erklärung von Bewertungen im Diskurs nur am Rande.

    UPDATE 4.9.2014
    Es gibt ein Interview von Matthias Becker mit Herrn Loviscach auf Telepolis mit dem Titel „Es macht keinen Sinn, die alte Vorlesung einfach fürs Netz zu kopieren“. (Depublizierungsschutz als PDF)

    Was man da jetzt lesen kann ist schon so eine Art Abbitte:

    „[…] Insofern handelt es sich letztlich um Selbstausbeutung zwecks Sichtbarkeit. Wer einen MOOC macht, sucht nicht zuletzt nach einem Platz in der Aufmerksamkeitsöknomie.“

    Beim Beat Doebli kann man ebenfalls mal gucken.

    [1] Grabsteinbild, Quelle: http://www.e-karnevalskleidung.de/horroraccessoires-grabstein-rip-todeskopf-57-cm.html

    Urteile nicht! – Über Andere.

    christa_schybollIch bin heute per Zufall über folgenden Text gestolpert von Christa Schyboll (bei facebook) als ich nach einem Zitat gesucht habe bei Google (Hervorhebungen durch mich!):

    Eine Reihe spiritueller Lehren rät: Urteile nicht! Doch wie um Himmels Willen soll das gehen, wenn man sich ständig entscheiden muss? Ist man denn nicht laufend gezwungen, sich für oder gegen etwas zu entscheiden? Etwas zu tun oder zu lassen? Uns bleibt doch gar nichts anderes übrig, als das eine zu verwerfen und das andere anzunehmen. Und das braucht unser Urteil.

    Was wir jedoch nicht müssen, ist ständig schnell und automatisch etwas oder wen ver-urteilen. Das geschieht häufiger als wir ahnen. Vor allem blitzschnell, aus dem Bauch heraus und oftmals ohne echte Kompetenz, die wir uns aber dennoch anmaßen. Hier liegt der Hase im Pfeffer! Aber wir übersehen dabei leider oftmals den Hasen, noch sticht uns schon der Pfeffer in der Nase!

    Es gibt ein altes Indianersprichwort: „Urteile nie über einen anderen, bevor Du nicht einen Mond lang in seinen Mokassins gelaufen bist“. Vermutlich reicht aber auch die Zeit eines Mondes nicht einmal wirklich dafür aus. Will man zu einem wirklich gereiften Urteil über eine Person, eine Sache oder ein Ereignis gelangen, muss man in vielen Fällen sogar enorm viel wissen, wenn man zu einem gerechten Urteil kommen will. Diese Zeit nimmt sich unser Ego häufig aber nicht. Es urteilt nach einem schnellen Eindruck, nach spontanen Gefühlen oder nach alten Prägungen, die uns sympathisch oder antipathisch ansprechen. Dieses Schnellurteil über etwas oder jemanden kann hässliche Eintrübungen zeigen oder auch je nach Fall sogar schwerwiegende Konsequenzen auslösen. Diese haben wir dann zu verantworten, die schnell ein Urteil gesprochen haben. Ein Urteil kann in diesem Fall auch eine Meinung sein, die dennoch zerstörerischen Charakter tragen kann, wenn sie das Falsche oder das Böse im Keim schon mit trägt.

    Urteilskraft braucht Geistesklarheit. Sie braucht Informationen, Wissen und im Falle von Mitmenschen auch jede Menge Empathie. Es braucht die Entwicklung von Fairness, Überblick und reicher Lebenserfahrung. Es braucht die Innenreinigung der eigenen Gedanken, die klar aufzeigen, von welchen Motiven man denn gelenkt wird, wenn man ein Urteil fällt. Anzunehmen, das seien ausschließlich sachliche Motive, trifft es nur in wenigen Fällen. Man hat für sich selbst innerlich zu klären, ob beispielsweise vielleicht auch ein wenig versteckter Neid mit im Spiel ist. Ob es gerade eine tiefe Befriedigung bedeutet, etwas Negatives über einen anderen zu sagen und damit vor allem für einen Moment doch der eigenen inneren Tristesse zu entkommen. Es kann sich Missgunst eingeschlichen haben oder auch eine peinliche Angst, zu der man nicht öffentlich stehen will. Es gibt viele Gründe, warum wir in dem einen Fall hart und in einem ähnlich gelagerten Fall sehr mild über etwas urteilen. Hintergründige Motive, die unter Umständen mehr mit uns selbst zu tun haben als über denjenigen, den es nun trifft.

    […]

    Urteile und Meinungsbildungen sind Interpretationen eines Bewusstseins auf seinem eigenen Level. Aber Urteile sind eben auch Wirklichkeit schaffend. Lange schon ist bekannt, dass die Realität den Gedanken folgt, die wir erzeugen. Das sind gute Gründe, jede Form von Urteil, aber erst recht eine Ver-Urteilung, überaus ernst zu nehmen. Jeder Gedanke, jedes Gefühl, jedes Wort ist von jedem einzelnen von uns zu verantworten. Wie wörtlich das zu nehmen ist, weiß man aber erst wohl ab einem gewissen inneren Entwicklungsstand auf der nach oben offenen Skala eines sich ständig erweiterten Bewusstseins.

    Urteile im Alltag

    Urteile begegnen einem aber auch im alltäglichen Geschäft, z.B. in Form von Reviews auf Shoppingportalen und z.B. im Apple AppStore. Hier habe ich mal ein paar rausgesucht:

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    Quelle: Eigene Anfertigung / Screenshot AppStore in iTunes

    Wenn man sich das einmal anschaut, dann mag sicher ein Fünkchen Wahrheit in dem Urteil liegen, aber der Grund des Ver-urteilens ist wohl oft ganz wo anders gelagert, wie sonst soll man sich die massive Diskrepanz erklären zu 99% der anderen Urteilenden? Ich fühle mich jedes Mal durch 1-Sterne-Reviews verurteilt und versuche selbst keine solche Urteile zu treffen. Wie haltet ihr es mit dem (Ver-)Urteilen? Ich persönlich habe begonnen alle meine Kunden mit einer einzigen Regel zu betrachten: „Assume positive intent!“. Diese Regel habe ich mir von Mike Lee ausgeliehen, und dieser scheint sie widerum durch seine Laufbahn bei Apple Inc. erlernt zu haben. Für mich der goldene Weg Urteile gar nicht erst an sich persönlich heranzulassen, sondern den eigentlichen Grund dahinter zu suchen.

    Your code is shit

    Ein weiteres schönes Beispiel wie übel so schnell gefällte Urteile sind, bei denen die Phase fehlt, in den Mokassins des Anderen zu laufen, hab ich eben gerade per twitter gefunden in dem Post Code culture problem/ von Nolan Frausto. Und wohin solche vorschnellen Urteile führen das erläutert Nolan auch gleich im Detail:

    No one wants to feel stupid, and no one wants to feel inferior or bad at their job. Once a „this is shit“ culture starts to spread one of the only ways to make sure that you are on top is to put down others. In the end it is a culture that values negativity rather than focus on solutions.

    Lösungsorientiertes Denken ist nicht so einfach wie dem anderen einfach mal zu sagen „Dein Programmcode ist scheiße!“. Ich kann da auch immer wieder nur auf eine Seite z.B. in der Wikipedia verlinken, nämlich die zu Wikistress und der Stressvermeidung. Fast immer ist eine FRAGE zu stellen der deutlich elegantere Weg als eine AUSSAGE und damit ein Urteil zu treffen.

    Why do I blog this? Ich find den Text ganz anregend. Vor allem den Teil mit den angesprochenden Indiander Mokassins. Mir wird das immer wieder deutlich, wenn ich Kundenrückmeldungen im AppStore zu meinen Apps lese. Vor allem 1-Sterne-Revies tun einem immer wieder richtig weh! Und da fragt man sich des öfteren, was wohl passieren würde, wenn diese Kunden mal eine Woche in meinen Turnschuhen vor dem Rechner sitzen würden.