Cyberspace

Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace

John Perry Barlow

flag_deRegierungen der industriellen Welt, Ihr müden Giganten aus Fleisch und Stahl, ich komme aus dem Cyberspace, der neuen Heimat des Geistes. Im Namen der Zukunft bitte ich Euch, Vertreter einer vergangenen Zeit: Laßt uns in Ruhe! Ihr seid bei uns nicht willkommen. Wo wir uns versammeln, besitzt Ihr keine Macht mehr.

Wir besitzen keine gewählte Regierung, und wir werden wohl auch nie eine bekommen – und so wende ich mich mit keiner größeren Autorität an Euch als der, mit der die Freiheit selber spricht. Ich erkläre den globalen sozialen Raum, den wir errichten, als gänzlich unabhängig von der Tyrannei, die Ihr über uns auszuüben anstrebt. Ihr habt hier kein moralisches Recht zu regieren noch besitzt Ihr Methoden, es zu erzwingen, die wir zu befürchten hätten.

Regierungen leiten Ihre gerechte Macht von der Zustimmung der Regierten ab. Unsere habt Ihr nicht erbeten, geschweige denn erhalten. Wir haben Euch nicht eingeladen. Ihr kennt weder uns noch unsere Welt. Der Cyberspace liegt nicht innerhalb Eurer Hoheitsgebiete. Glaubt nicht, Ihr könntet ihn gestalten, als wäre er ein öffentliches Projekt. Ihr könnt es nicht. Der Cyberspace ist ein natürliches Gebilde und wächst durch unsere kollektiven Handlungen.

Ihr habt Euch nicht an unseren großartigen und verbindenden Auseinandersetzungen beteiligt, und Ihr habt auch nicht den Reichtum unserer Marktplätze hervorgebracht. Ihr kennt weder unsere Kultur noch unsere Ethik oder die ungeschriebenen Regeln, die unsere Gesellschaft besser ordnen als dies irgendeine Eurer Bestimmungen vermöchte.

Ihr sprecht von Problemen, die wir haben, aber die nur Ihr lösen könnt. Das dient Eurer Invasion in unser Reich als Legitimation. Viele dieser Probleme existieren gar nicht. Ob es sich aber um echte oder um nur scheinbare Konflikte handelt – wir werden sie lokalisieren und mit unseren Mitteln angehen. Wir schreiben unseren eigenen Gesellschaftsvertrag. Unsere Regierungsweise wird sich in Übereinstimmung mit den Bedingungen unserer Welt entwickeln, nicht Eurer. Unsere Welt ist anders.

Der Cyberspace besteht aus Beziehungen, Transaktionen und dem Denken selbst, positioniert wie eine stehende Welle im Netz der Kommunikation. Unsere Welt ist überall und nirgends, und sie ist nicht dort, wo Körper leben.

Wir erschaffen eine Welt, die alle betreten können ohne Bevorzugung oder Vorurteil bezüglich Rasse, Wohlstand, militärischer Macht und Herkunft.

Wir erschaffen eine Welt, in der jeder Einzelnen an jedem Ort seine oder ihre Überzeugungen ausdrücken darf, wie individuell sie auch sind, ohne Angst davor, im Schweigen der Konformität aufgehen zu müssen.

Eure Rechtsvorstellungen von Eigentum, Redefreiheit, Persönlichkeit, Freizügigkeit und Kontext treffen auf uns nicht zu. Sie alle basieren auf der Gegenständlichkeit der materiellen Welt. Es gibt im Cyberspace keine Materie.

Unsere persönlichen Identitäten haben keine Körper, so daß wir im Gegensatz zu Euch nicht durch physische Gewalt reglementiert werden können. Wir glauben daran, daß unsere Regierungsweise sich aus der Ethik, dem aufgeklärten Selbstinteresse und dem Gemeinschaftswohl eigenständig entwickeln wird. Unsere Identitäten werden möglicherweise über die Zuständigkeitsbereiche vieler Eurer Rechtssprechungen verteilt sein. Das einzige Gesetz, das alle unsere entstehenden Kulturen grundsätzlch anerkennen werden, ist die Goldene Regel. Wir hoffen, auf dieser Basis in der Lage zu sein, für jeden einzelnen Fall eine angemessene Lösung zu finden. Auf keinen Fall werden wir Lösungen akzeptieren, die Ihr uns aufzudrängen versucht.

In den Vereinigten Staaten habt Ihr mit dem „Telecommunications Reform Act“ gerade ein Gesetz geschaffen, das Eure eigene Verfassung herabwürdigt und die Träume von Jefferson, Washington, Mill, Madison, Tocqueville und Brandeis beleidigt. Diese Träume müssen nun in uns wiedergeboren werden.

Ihr erschreckt Euch vor Euren eigenen Kindern, weil sie Eingeborene einer Welt sind, in der Ihr stets Einwanderer bleiben werdet. Weil Ihr sie fürchtet, übertragt Ihr auf Eure Bürokratien die elterliche Verantwortung, die Ihr zu feige seid, selber auszüben. In unserer Welt sind alle Gefühle und Ausdrucksformen der Humanität Teile einer umfassenden und weltumspannenden Konversation der Bits. Wir können die Luft, die uns erstickt, von der nicht trennen, die unsere Flügel emporhebt.

In China, Deutschland, Frankreich, Rußland, Singapur, Italien und den USA versucht Ihr, den Virus der Freiheit abzuwehren, indem Ihr Wachposten an den Grenzen des Cyberspace postiert. Sie werden die Seuche für eine Weile eindämmen können, aber sie werden ohnmächtig sein in einer Welt, die schon bald von digitalen Medien umspannt sein wird.

Eure in steigendem Maße obsolet werdenden Informationsindustrien möchten sich selbst am Leben erhalten, indem sie – in Amerika und anderswo – Gesetze vorschlagen, die noch die Rede selbst weltweit als Besitz definieren. Diese Gesetze würden Ideen als nur ein weiteres industrielles Produkt erklären, nicht ehrenhafter als Rohmetall. In unserer Welt darf alles, was der menschliche Geist erschafft, kostenfrei unendlich reproduziert und distribuiert werden. Die globale Übermittlung von Gedanken ist nicht länger auf Eure Fabriken angewiesen.

Die zunehmenden feindlichen und kolonialen Maßnahmen versetzen uns in die Lage früherer Verteidiger von Freiheit und Selbstbestimmung, die die Autoritäten ferner und unwissender Mächte zurückweisen mußten. Wir müssen unser virtuelles Selbst Eurer Souveränität gegenüber als immun erklären, selbst wenn unsere Körper weiterhin Euren Regeln unterliegen. Wir werden uns über den gesamten Planeten ausbreiten, auf daß keiner unsere Gedanken mehr einsperren kann.

Wir werden im Cyberspace eine Zivilisation des Geistes erschaffen. Möge sie humaner und gerechter sein als die Welt, die Eure Regierungen bislang errichteten.

John Perry Barlow (barlow@eff.org)

Davos, Schweiz
8. Februar 1996
(Deutsch von Stefan Münker)
Quelle: http://www.heise.de/tp/artikel/1/1028/1.html

A Declaration of the Independence of Cyberspace

John Perry Barlow

flag_enGovernments of the Industrial World, you weary giants of flesh and steel, I come from Cyberspace, the new home of Mind. On behalf of the future, I ask you of the past to leave us alone. You are not welcome among us. You have no sovereignty where we gather.

We have no elected government, nor are we likely to have one, so I address you with no greater authority than that with which liberty itself always speaks. I declare the global social space we are building to be naturally independent of the tyrannies you seek to impose on us. You have no moral right to rule us nor do you possess any methods of enforcement we have true reason to fear.

Governments derive their just powers from the consent of the governed. You have neither solicited nor received ours. We did not invite you. You do not know us, nor do you know our world. Cyberspace does not lie within your borders. Do not think that you can build it, as though it were a public construction project. You cannot. It is an act of nature and it grows itself through our collective actions.

You have not engaged in our great and gathering conversation, nor did you create the wealth of our marketplaces. You do not know our culture, our ethics, or the unwritten codes that already provide our society more order than could be obtained by any of your impositions.

You claim there are problems among us that you need to solve. You use this claim as an excuse to invade our precincts. Many of these problems don’t exist. Where there are real conflicts, where there are wrongs, we will identify them and address them by our means. We are forming our own Social Contract . This governance will arise according to the conditions of our world, not yours. Our world is different.

Cyberspace consists of transactions, relationships, and thought itself, arrayed like a standing wave in the web of our communications. Ours is a world that is both everywhere and nowhere, but it is not where bodies live.

We are creating a world that all may enter without privilege or prejudice accorded by race, economic power, military force, or station of birth.

We are creating a world where anyone, anywhere may express his or her beliefs, no matter how singular, without fear of being coerced into silence or conformity.

Your legal concepts of property, expression, identity, movement, and context do not apply to us. They are based on matter, There is no matter here.

Our identities have no bodies, so, unlike you, we cannot obtain order by physical coercion. We believe that from ethics, enlightened self-interest, and the commonweal, our governance will emerge . Our identities may be distributed across many of your jurisdictions. The only law that all our constituent cultures would generally recognize is the Golden Rule. We hope we will be able to build our particular solutions on that basis. But we cannot accept the solutions you are attempting to impose.

In the United States, you have today created a law, the Telecommunications Reform Act, which repudiates your own Constitution and insults the dreams of Jefferson, Washington, Mill, Madison, DeToqueville, and Brandeis. These dreams must now be born anew in us.

You are terrified of your own children, since they are natives in a world where you will always be immigrants. Because you fear them, you entrust your bureaucracies with the parental responsibilities you are too cowardly to confront yourselves. In our world, all the sentiments and expressions of humanity, from the debasing to the angelic, are parts of a seamless whole, the global conversation of bits. We cannot separate the air that chokes from the air upon which wings beat.

In China, Germany, France, Russia, Singapore, Italy and the United States, you are trying to ward off the virus of liberty by erecting guard posts at the frontiers of Cyberspace. These may keep out the contagion for a small time, but they will not work in a world that will soon be blanketed in bit-bearing media.

Your increasingly obsolete information industries would perpetuate themselves by proposing laws, in America and elsewhere, that claim to own speech itself throughout the world. These laws would declare ideas to be another industrial product, no more noble than pig iron. In our world, whatever the human mind may create can be reproduced and distributed infinitely at no cost. The global conveyance of thought no longer requires your factories to accomplish.

These increasingly hostile and colonial measures place us in the same position as those previous lovers of freedom and self-determination who had to reject the authorities of distant, uninformed powers. We must declare our virtual selves immune to your sovereignty, even as we continue to consent to your rule over our bodies. We will spread ourselves across the Planet so that no one can arrest our thoughts.

We will create a civilization of the Mind in Cyberspace. May it be more humane and fair than the world your governments have made before.

Davos, Switzerland February 8, 1996

Source: https://w2.eff.org/Censorship/Internet_censorship_bills/barlow_0296.declaration

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Unabh%C3%A4ngigkeitserkl%C3%A4rung_des_Cyberspace

Hackerethik 1.0

  1. Der Zugang zu Computern und allem, was einem zeigen kann, wie diese Welt funktioniert,
    sollte unbegrenzt und vollständig sein.
  2. Alle Informationen müssen frei sein.
  3. Mißtraue Autoritäten – fördere Dezentralisierung.
  4. Beurteile einen Hacker nach dem, was er tut, und nicht nach üblichen Kriterien
    wie Aussehen, Alter, Herkunft, Spezies, Geschlecht oder gesellschaftliche Stellung.
  5. Man kann mit einem Computer Kunst und Schönheit schaffen.
  6. Computer können dein Leben zum Besseren verändern.
  7. Mülle nicht in den Daten anderer Leute.
  8. Öffentliche Daten nützen, private Daten schützen.

Hackerethik 2.0

1. Freiheit der Information
1.1. Der Zugang zu Technologie und allen Informationen, die einem zeigen können, wie diese Welt funktioniert, muss vollständig, unbegrenzt und verständlich für alle sein.
1.2. Alle Menschen sind gleichermassen die Besitzenden des Wissens der Welt und niemand kann Eigentum daran beanspruchen.
1.3. Alle Informationen, die durch die Gemeinschaft entstehen, die Gemeinschaft betreffen oder von ihr finanziert werden, müssen auch öffentlich für alle zugänglich sein.

2. Freiheit der Kommunikation
2.1. Die Kommunikation zwischen Individuen und/oder Maschinen muss frei und ungehindert sein.
2.2. Die Vertraulichkeit der Kommunikation ist unverletzlich.
2.3. Niemand kann zur Kommunikation verpflichtet werden.

3. Informationelle Selbstbestimmung
3.1. Persönliche Daten gehören nur dem betroffenen Individuum. Dieses allein bestimmt, was damit geschieht.
3.2. Kommunikation und Zugang zu Informationen muss anonym erfolgen können.
3.3. Persönliche Daten müssen „vergessen“ werden können.

4. Verantwortliches Handeln
4.1. Misstraue Autoritäten – fördere Dezentralisierung
4.2. Respektiere die Informationsrechte anderer wie deine eigenen. Hilf jenen, die diese Rechte nicht alleine wahrnehmen können. Unterstütze jene, die diese Rechte verteidigen.
4.3. Beurteile ein Individuum nach seinen Handlungen und nicht nach üblichen Kriterien wie Aussehen, Alter, Herkunft, Spezies, Geschlecht oder gesellschaftliche Stellung.
4.4. Beurteile deine Arbeit und die anderer nach ihrem Nutzen für die Gesellschaft.
4.5. Entwickle nichts unter dem Vorsatz oder dem Bewusstsein, einem Individuum zu schaden. Erkenne einen möglichen Missbrauch.
4.6. Veräussere deine Fähigkeiten nicht an jene, die diese Regeln brechen. Stecke deine Energie in Projekte, die der Gesellschaft nützen.
4.7. Du kannst mit Technologie neue Programme, Informationen und Gegenstände schaffen. Teile deine Werke mit anderen im Sinne der „Free and Open-Source Software“.
4.8. Du kannst mit Technologie Kunst und Schönheit schaffen. Teile deine Werke mit anderen im Sinne des „Creative Commons“.
4.9. Teile Dein Wissen mit jedem Individuum – speziell mit Kindern und Jugendlichen in der (Aus-)Bildung.
4.10. Entwickele deine Technologie, so dass sie ressourcensparend, robust, reparabel, interoperabel, wiederverwendbar, elegant und leicht modifizierbar ist.

Quelle: Wau Holland Stiftung

The Hacker Ethic

  • Sharing
  • Openness
  • Decentralization
  • Free access to computers
  • World Improvement (foremost, upholding democracy and the fundamental laws we all live by, as a society)
Access to computers—and anything which might teach you something about the way the world works—should be unlimited and total. Always yield to the Hands-On Imperative!
Levy is recounting hackers‘ abilities to learn and build upon pre-existing ideas and systems. He believes that access gives hackers the opportunity to take things apart, fix, or improve upon them and to learn and understand how they work. This gives them the knowledge to create new and even more interesting things. Access aids the expansion of technology.
All information should be free
Linking directly with the principle of access, information needs to be free for hackers to fix, improve, and reinvent systems. A free exchange of information allows for greater overall creativity. In the hacker viewpoint, any system could benefit from an easy flow of information, a concept known as transparency in the social sciences. As Stallman notes, „free“ refers to unrestricted access; it does not refer to price.
Mistrust authority—promote decentralization
The best way to promote the free exchange of information is to have an open system that presents no boundaries between a hacker and a piece of information or an item of equipment that they need in their quest for knowledge, improvement, and time on-line. Hackers believe that bureaucracies, whether corporate, government, or university, are flawed systems.
Hackers should be judged by their hacking, not criteria such as degrees, age, race, sex, or position
Inherent in the hacker ethic is a meritocratic system where superficiality is disregarded in esteem of skill. Levy articulates that criteria such as age, sex, race, position, and qualification are deemed irrelevant within the hacker community. Hacker skill is the ultimate determinant of acceptance. Such a code within the hacker community fosters the advance of hacking and software development. In an example of the hacker ethic of equal opportunity, L Peter Deutsch, a twelve-year-old hacker, was accepted in the TX-0 community, though he was not recognized by non-hacker graduate students.
You can create art and beauty on a computer
Hackers deeply appreciate innovative techniques which allow programs to perform complicated tasks with few instructions. A program’s code was considered to hold a beauty of its own, having been carefully composed and artfully arranged. Learning to create programs which used the least amount of space almost became a game between the early hackers.
Computers can change your life for the better
Hackers felt that computers had enriched their lives, given their lives focus, and made their lives adventurous. Hackers regarded computers as Aladdin’s lamps that they could control. They believed that everyone in society could benefit from experiencing such power and that if everyone could interact with computers in the way that hackers did, then the hacker ethic might spread through society and computers would improve the world. The hackers succeeded in turning dreams of endless possibilities into realities. The hacker’s primary object was to teach society that „the world opened up by the computer was a limitless one“

Source: https://www.wikiwand.com/en/Hacker_ethic, by Steven Levy

Unvereinbarkeitserklärung des CCC

Ausgangslage

Die Welt hat sich in den letzten 23 Jahren verändert seitdem der Chaos Computer Club angetreten ist, die Wirkung von technologischer Entwicklung auf Menschen und Gesellschaft zu begleiten. Technik und elektronische Kommunikation sind in Unternehmen, Verwaltung und Unterhaltung inzwischen eine treibende Kraft und ermöglichen erst viele neue Entwicklungen.

Der schöpferisch-kritische Umgang mit Computern ist damit kein Thema für wenige Spezialisten mehr, ohne Bezug zur Lebenswirklichkeit der meisten Menschen. Im gleichen Maße, wie sich die Öffentlichkeit mit dem Hacken beschäftigt, steigt für die Hacker und Haecksen der Anspruch, Werte zu vermitteln und im eigenen Interesse die Gesellschaft zu beeinflussen.

Das Hacken

Der CCC hat immer klargestellt, daß mit dem Hacken eine Verpflichtung zum sorgsamen Verhalten eingegangen werden muß. Die Ansprüche an den Umgang mit den gewonnenen Daten – private Daten schützen und öffentliche Daten nützen – gelten für alle, also auch für Unternehmen und Verwaltung.

Aber auch für die Hacker selbst ist die Hackerethik mehr als eine unverbindliche Anleitung zum moralischen Handeln. Sie fordert uns auf, die scheinbaren Gegebenheiten zu hinterfragen und Autoritäten zu mißtrauen, denn hinter dem Schein liegt die Wahrheit. Hacker abstrahieren von Äußerlichkeiten, sie optimieren Strukturen und Abläufe, um damit auch unsere Gesellschaft aktiv zu formen.

In beinahe naiver Überzeugung sind wir bisher davon ausgegangen, daß allein die Auseinandersetzung mit der Maschine die Nutzer befreit und auf Dauer dazu fährt, unsere Welt für alle Menschen besser zu machen.

Der Club

Offenheit war stets ein Prinzip des Chaos Computer Clubs, was sich darin äußert, daß wir Menschen mit neuen Positionen gerne aufgenommen haben, solange sie nicht mit unseren bisherigen Positionen in Konflikt geraten sind. Damit sind wir auch gut gefahren, weil es den Club um neue Themen bereichert hat. Große Themen wie Bürgerrechte, die Beschäftigung mit Freier Software und Urheberrechten oder Blinkenlights wurden so möglich, die den „Hackerverein“ der 80er erweitert haben.

Offenheit ist aber keine Beliebigkeit. Gerade weil sich die Offenheit als nützlich herausgestellt hat, darf man dennoch nicht die Grenzen und unsere historischen Wurzeln vergessen, gerade in einer Zeit, in der nationalistische Inhalte immer mehr in die Mitte der Gesellschaft drängen und die Mitte sich immer mehr im rechten Extremismus, der rassistischen Ausgrenzung und sozialen Ausbeutung verliert.

Technikverliebtheit und der 8. Mai 1945

Vor sechzig Jahren, am 8. Mai 1945, befreiten die Alliierten Deutschland von der Herrschaft der Nationalsozialisten. Um die deutsche Mordmaschine zu stoppen, blieb am Ende keine andere Option mehr als die vollständige militärische Niederschlagung. Auch angesichts der Tatsache, daß die Logistik des Holocausts durch Hollerith-Lochkartenmaschinen vorangetrieben wurde, Züge auf ausgeklügelten Eisenbahnnetzen in die Vernichtungslager rollten und technikverliebte Nazi-Ingenieure an „Vergeltungswaffen“ bastelten, ist heute klar, daß vollkommen wertfreie und ohne Blick auf gesellschaftliche Folgen geführte Gespräche über die reine Technik um ihrer Selbst willen nicht mehr möglich sind. Es geht beim Hacken um weit mehr als um Lötkolben und gcc, es geht auch um den Traum von einer besseren und freien Gesellschaft. Der Horizont der Hackerin und des Hackers geht weit über den Bildschirmrand hinaus.

Die Erklärung

Wir sind eine galaktische Gemeinschaft von Lebewesen, unabhängig von Alter, Geschlecht und Abstammung sowie gesellschaftlicher Stellung, offen für alle mit neuen Ideen. Wer jedoch mit Ideen von Rassismus, Ausgrenzung und damit verbundener struktureller und körperlicher Gewalt auf uns zukommt, hat sich vom Dialog verabschiedet und ist jenseits der Akzeptanzgrenze. Wer es darauf anlegt, das Zusammenleben in dieser Gesellschaft zu zerstören und auf eine alternative Gesellschaft hinarbeitet, deren Grundsätze auf Chauvinismus und Nationalismus beruht, arbeitet gegen die moralischen Grundsätze, die uns als Club verbinden.

Der CCC erklärt das Vertreten von Rassismus und von der Verharmlosung der historischen und aktuellen faschistischen Gewalt für unvereinbar mit einer Mitgliedschaft. Dazu gehören insbesondere die Mitgliedschaft in oder Unterstützung einer rechtsextremen oder rechtsradikalen Organisation. Darunter verstehen wir neben zahlreichen „Freien Kameradschaften“ auch beispielsweise Gruppen wie die „Deutsche Liga für Volk und Heimat“, DVU, FPÖ, die „Hilfsgemeinschaft Nationaler Gefangener“, Lijst Pim Fortuyn (Partij LPF), NPD, ProKöln und Republikaner.

Quelle: https://www.ccc.de/de/updates/2005/unvereinbarkeitserklaerung

Unvereinbarkeitserklärung des CCC Wien, Österreich

Position beziehen gegen Rechts

(I) Die Ausgangslage

Vor über 10 Jahren (2005) hat der Chaos Computer Club e.V. die Erklärung „Farbe gegen Rechts“ veröffentlicht1. Die schon dort getroffenen Aussagen zu notwendigem kritischen Umgang mit Computern und Technik gelten unverändert auch heute. Praktisch jeder Mensch trägt rund um die Uhr mindestens einen Computer und unzählige darin eingebaute Sensoren bei sich. Damit geht ein potentiell vollständiger Verlust der Privatsphäre einher.

(II) Die Macht der Technik

Technische Entwicklungen bieten vielfältige Chancen und Möglichkeiten, die allen Menschen Fortschritt nahe bringen, ihnen bei Missbrauch aber auch Schaden zufügen können.

Wir sehen diese vielen Möglichkeiten, die durch Technik das Leben und Zusammenleben der Menschen erleichtern können. Wir erkennen die Risiken, die mit dem Einsatz von Technik verbunden sein können. Wir lehnen Anwendungen, die dazu gedacht sind, Menschen zu diskriminieren, zu benachteiligen und nach willkürlichen Maßstäben zu bewerten, ab.

Jede technische Lösung – und sei sie in noch so guter Absicht entstanden – existiert nicht in einem Vakuum. Sie hat das Potenzial von Menschen gegen Menschen missbraucht zu werden.

Wer Verantwortung über staatliche Infrastruktur trägt, hat sich auch den Mitgliedern der Gesellschaft gegenüber für Fehlverhalten zu verantworten. Handlungen im Rahmen dieser Verantwortung müssen transparent und von allen Mitgliedern der Gesellschaft nachvollziehbar sein. Diese Machtposition darf nicht missbraucht werden.

Resultate und Erkenntnisse aus Projekten, welche mit staatlichen Mitteln unterstützt oder finanziert wurden, müssen allen Menschen unter Verwendung offener Lizenzen sowie maschinenlesbar im Sinne von offenen Daten zur Verfügung stehen. Dies verlangen wir zum Wohle der Menschheit.

(III) Der Überwachungsstaat

Eine zentrale Aufgabe des Staates ist es, die Freiheit seiner Bürger*innen zu gewährleisten, die unantastbare Würde des Menschen zu sichern und vor Herabwürdigung zu schützen 2.

Das von der österreichischen Regierung vorgeschlagene, und in Teilen bereits umgesetzte Überwachungspaket zeigt, dass die Bevölkerung in ihrer Gesamtheit als Bedrohung angesehen wird. Anders lässt sich der offensichtliche Generalverdacht, unter den dieser Entwurf uns alle stellt, nicht erklären. Auch der Mauerbau am Ballhausplatz, später zu Pollern reduziert, lässt eine gesteigerte Furcht vor mündigen Bürger*innen vermuten.

Aber: Überwachung bedeutet nicht Sicherheit, sie bleibt Überwachung. Sie bedeutet Einschränkung und Repression für jede*n. Besonders hart betroffen davon sind ohnehin die schwächsten Teile der Gesellschaft, benachteiligte und marginalisierte Gruppen 3, von denen einige in der aktuellen politischen Rhetorik pauschal als Gefährder*innen gebrandmarkt und vorverurteilt werden.

Der im aktuellen Regierungsprogramm skizzierte Kurs deutet auf einen weiteren massiven Ausbau derartiger diskriminierender und erniedrigender Praktiken hin. Diese lehnen wir entschieden ab.

(IV) Der zurück gewandte Blick

Im Regierungsprogramm wurden ausdrücklich „christliche“ Werte niedergeschrieben, welche jeden Menschen anderen Glaubens sowie Menschen ohne Konfession im Jahr 2017 zu Außenseiter*innen der Gesellschaft degradieren. Wir stehen für eine konsequente Fortführung der Trennung von Staat und religiösen Institutionen. Wir interpretieren derartige Formulierungen als staatliche Diskriminierung, welche sich mit den Grundsätzen eines modernen und aufgeklärten Landes nicht vereinbaren lassen.

Die jetzige Regierung vertritt Ansichten, die selbst das Wort „konservativ“ modern erscheinen lassen. Vom obersten Gerichtshof überstimmt, der die Ehe für Alle in Österreich beschloss, wird Familie von der Regierung dennoch ausdrücklich als Einheit von Mann, Frau und Kindern definiert. Das steht nicht nur in bewusstem und absichtlichem Widerspruch zum Urteil des obersten Gerichtshofes und der Auffassung eines Großteils der österreichischen Bevölkerung, sondern ist auch ein Rückschritt in den Geist des letzten Jahrtausends.

Die Besetzung der Regierungsposten im Kabinett durch den aktuellen Bundeskanzler und seinen Stellvertreter zeigt außerdem eine starke Tendenz zu nationalistischem, rassistischem und antisemitischem Gedankengut. Weiters ist anzumerken, dass die Rhetorik dieser Regierung gegenüber marginalisierten Gruppen üblicherweise von rechten bis rechtsextremen Gruppierungen verwendet wird.

(V) Unsere Position

Der Chaos Computer Club Wien (C3W) ist eine Gemeinschaft von Menschen, unabhängig von Geschlecht, Alter, Religion oder Weltanschauung, sexueller Orientierung, ethnischer Zugehörigkeit sowie gesellschaftlicher Stellung, die sich grenzüberschreitend für Informationsfreiheit einsetzt. Der C3W fördert den kritischen Umgang mit elektronischen Medien sowie den Risiken und Nebenwirkungen der elektronischen Kommunikation, die Verbreitung von freien Technologien und Standards sowie das Wissen um diese Entwicklung. Wir verstehen uns daher bei Themen mit technologischem Hintergrund als Vertreter der Zivilgesellschaft.

Wer es darauf anlegt, das Zusammenleben in dieser Gesellschaft zu zerstören und auf eine Gesellschaft hinarbeitet, die auf Spaltung, Chauvinismus, Ausgrenzung, Bespitzelung und Nationalismus beruht, arbeitet gegen die humanistischen Grundsätze, die uns als Verein verbinden.

(VI) Unsere Erklärung

Der Chaos Computer Club Wien erklärt das Vertreten von Rassismus und die Verharmlosung der historischen sowie aktuellen rechten Gewalt für unvereinbar mit einer Mitgliedschaft. Dazu zählt für uns die Mitgliedschaft in entsprechenden Gruppierungen ebenso wie die Unterstützung derselben (etwa durch Mitarbeit im Wahlkampf oder bei Demonstrationen). Auch das „passive“ Befürworten rechten Gedankenguts stellt für uns ein absolutes ‚No Go‘ dar und ist daher mit einer Mitgliedschaft im C3W nicht vereinbar.

– Chaos Computer Club Wien

Referenzen:

  1. CCC e.V.: Unvereinbarkeitserklaerung ?

  2. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften: Artikel 1 Charta der Grundrechte der Europäischen Union ?

  3. Anmerkung: Hierzu können unter anderem Alleinerzieher*innen, Arbeiter*innen, Geringverdienende, Arbeitslose, (in Österreich wohnhafte) nicht-österreichische Staatsbürger*innen und nicht zuletzt Frauen, sowie trans* und nicht-binäre Personen gezählt werden. ?

Quelle: https://c3w.at/posts/2017/unvereinbarkeitserklaerung/


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