Virtuelle Proxemik: Der „digitale Flur“ wird Realität

Ich muß jetzt endlich einen Beitrag schreiben über meine Dissertation, mit deren Fortgang ich derzeit ganz zufrieden sein darf. Die letzten Monate waren durch extrem viel Arbeit daran geprägt. Klar die vorlesungsfreie Zeit erlaubt es einem sich voll und ganz auf die Forschung zu konzentrieren und das nutzt man natürlich so gut es geht aus. Damit ich meinen selbst gesetzten Zeitplan einhalten konnte, habe ich bislang vollständig auf Urlaub verzichtet, was ich nun doch so langsam merke.

Aber: Es hat sich gelohnt! Seit fast zwei Wochen habe ich das selbst entwickelte Konzept eines „künstlichen Distanzsystems“ in die E-Learning Umgebung EverLearn vollständig integriert. Die neue Technik funktioniert und zwar problemlos! Derzeit kann die neue Softwarekomponente noch niemand sehen, ausser ein paar Eingeweihten und mir selbst. Aber eines ist jetzt schon klar: Für mich persönlich behebt die Komponente jetzt schon genau das Problem, was den Anstoss für meine Überlegungen gegeben hat: Ich sehe endlich die Leute im System, es kommt mir belebter vor als vorher, vertrauter und irgendwie viel normaler! Nicht mehr so anonym und unpersönlich. Eher so wie eben auf einem „digitalen Flur“, auf dem man anderen flüchtig begegnen kann. Die eigene Arbeit bzw. der Aufenthalt in der Umgebung bekommt einen sozialen Kontext.

In wenigen Tagen werde ich das neue Instrument erstmals einer größeren Nutzerzahl im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung zur Verfügung stellen. Ich bin sehr gespannt, wie die Reaktionen sein werden und ob das Konzept über die erste Neugier hinaus trägt. Ich vermute, dass es sehr gut funktionieren wird und die Lernenden bald nicht mehr drauf verzichten wollen. Aber das ist nur meine Vermutung. Es wird sehr spannend… :-) Vor allem auch, weil der Hochleistungsserver, auf dem das System läuft seit Semesterbeginn mit ca. 1100 Nutzern überrannt wird. Das ist eine Anzahl für die das System mit der jetzigen Hardware enorm kämpfen muss, um jeden Nutzer bedienen zu können.

In meiner Funktion als Entwickler und zugleich auch noch vetraglich Verantwortlicher für E-Learning Systeme der virtuellen Hochschule Bayern (VHB) habe ich deshalb parallel zur Dissertation die Software EverLearn an vielen Stellen optimiert und auf Geschwindigkeit und Ressourcensparsamkeit getrimmt. Ein Ergebnis war das EverLearn Release 2.0, das seit Anfang Oktober im Einsatz ist. Weiteres Ergebnis sind deutliche Antwortzeitverbesserungen der Software, die wieder unter die magische Zahl von einer Sekunde gedrückt wurden. Dennoch wird wohl bei anhaltendem Wachstum im kommenden Semester kein Weg an einer Aufrüstung der Serverinfrastruktur – die derzeit superstabil (seit drei Jahren kein echter Ausfall!) auf Apple xServe läuft – vorbeigehen. Im November jedenfalls kommen die neusten Servermodelle des Apple xServe raus und die weisen teilweise bis zu dreifache Leistungsdaten in den Bereichen RAM/HD/CPU auf wie das bisherige System. Schön ist einerseits, dass E-Learning einen solchen Erfolgsweg beschreiten kann. Ich hoffe nun aber andererseits erstmal dass die Ressourcen des jetzigen Servers ausreichend sein werden in diesem Semester!

Die Figuren rechts im Bild sind übrigens Teil der neuen Softwarekomponente, ein essenzieller Teil. Sie symbolisieren die Menschen die in der E-Learning Umgebung online sind. Es erinnert ein wenig an Mensch-ärgere-Dich-nicht-Figuren, oder? Das ist kein Zufall!

Why do I blog this? Ich habe eine längere Zwangspause beim bloggen hinter mir. Zuviel Arbeit an der Dr.-Arbeit hat das bloggen in den Hintergrund gedrängt, es fehlte schlicht die Zeit! Das bedeutet aber, dass an anderer Stelle die ganze Kreativität die man vielleicht sonst hier fand, ihre Arbeit getan hat. In meiner Forschungsarbeit eben. Damit der eine oder andere Leser aus meiner Peer-Group ein wenig im Bilde bleiben kann, was hier so passiert, dachte ich mir tu‘ ich jetzt mal einen Eintrag darüber einstellen.

2 Gedanken zu „Virtuelle Proxemik: Der „digitale Flur“ wird Realität“

  1. Lieber Helge,

    deine Ausführungen zum Dissertationsfortschritt klingen sehr gut und ich freue mich, dass du die erste große Hürde erfolgreich überwunden hast! Jetzt bin ich natürlich auch auf die Testergebnisse gespannt! Und im Vergleich zu den ersten grafischen Darstellungen der virtuellen „Distanz“ finde ich die neue Grafik auch sehr ansprechend!

    Hast du auch gleich dran gedacht, das Ganze als Komponente aufzusetzen, die du dann den anderen LMS verkaufst? :-D

    Viele Grüße,
    Susanne

  2. „Oh Susanna!“ möchte ich da fast singen. :-) Es klingt schon gut, da geb ich Dir mal Recht, aber es war auch echt hart bislang!! Da sind paar Nächte bei draufgegangen. Na ja, ich hab es mir selbst ausgesucht, selbst schuld!

    Das war definitiv die höchste Hürde, die es zu überspringen galt. Von daher bin ich jetzt etwas entspannter. Also die Ergebnisse, wenn ich ehrlich bin, kann ich es kaum aushalten da Ergebnisse zu sehen. Da kommt echt das ungeduldig Neugierige in mir durch.

    Im Vergleich zu den ersten Entwürfen, die lediglich das Prinzip verdeutlicht haben, hat sich da noch eine Menge getan. Die Distanzfunktion z.B. musste ein paar mal völlig umgestellt werden. Jetzt funktioniert sie ähnlich wie in der Realität: logarithmisch. Leute die weit weg sind, kann man schwer auseinanderhalten / schlechter sehen, die die nah dran sind, kann man detaillierter sehen / sind besser aufgelöst.

    Das ganze ist eine Java-Komponente, die aber nicht mal eben so eingebaut ist, oder gar verkauft werden kann. Es sind einige Anpassungen an dem System nötig, das damit funktionieren soll. Aber das mit dem Verkaufen… ja schön wäre es natürlich (mehr Geld zu haben…). Ich habe ja einen Versuch gestartet es zu patentieren. Details kann ich ja mal mailen.

    Das mit dem Geld klappt ja dann vielleicht mit dem Dr., und der ist jetzt schon nicht mehr ganz soweit weg wie vor einem halben Jahr! :-D

    Grüsse nach Österreich!

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