Lernobjekt, Learning Object oder RLO, was soll das sein?

Vorwort: Eigentlich wollte ich diesen Blog-Post schon vor einem halben Jahr über den Äther schicken. Irgendwas hat mich abgehalten. Da aber immer wieder das ominöse Learning Object (LO) zum Thema wird, poste ich jetzt meine Ansicht dazu.

Es liegt jetzt schon über ein Jahr zurück, dass ich mich intensiv mit dem Begriff „Lernobjekt“ beschäftigt habe. Jetzt habe ich einen Weblog-Beitrag gefunden mit dem Titel „Learning objects – Is the King naked?“. Das der Titel als Frage formuliert wurde, hat mich bewogen meinen Beitrag als Antwort und Aussage zu formulieren „Lernobjekte existieren nicht!“. Der Autor Teemu Leinonen hat genau das in seinem Beitrag bewiesen, denn der Kaiser trägt keine Kleider!
Ich war sehr erfreut endlich jemanden zu finden, der tatsächlich „nichts“ sieht wo „nichts“ ist. Im Rahmen meiner Forschungsarbeit vor ca. einem Jahr in einem Projekt habe ich ein Paper geschrieben, das sich sehr kritisch mit dem Begriff des Lernobjekts beschäftigt. Leider ist es bei der eingereichten Konferenz abgelehnt worden mit dem Hinweis darauf, dass „Lernobjekt“ ein eingeführter Begriff ist und der zu erwartende Beitrag des Papers zum wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt daher als gering eingestuft wird. Mein Paper „Ideen zum Begriff „Lernobjekt“ – eine Betrachtung aus der Perspektive des Software Engineering“ (als PDF herunterladen) hat also bislang nie das Licht der Welt erblickt. Ich habe mich daher entschlossen dieses Paper nun zur hier im Blog Verfügung zu stellen, weil ich eine weitere Verwertung als Publikation nicht mehr anstrebe, seit ich meinen Schwerpunkt zu LO’s verlassen habe.
In dem Paper betrachte ich den Begriff des Lernobjekts einmal aus der Sicht eines Wirtschaftsinformatikers, der damit eine Software modellieren soll. Etliche Schwächen des Begriffs kommen dabei zu Tage. Ich plädiere deshalb für die Neukonzeption eines Begriffs, der digitale Inhalte und deren Einsatz für das E-Learning beschreibt. Der Begriff der Lernkomponente wird vorgestellt (siehe nachstehende Abbildung).


Abbildung: Lernkomponente (Anklicken für Vergrößerung)

Wesentlich an der Idee der Komponente ist die Kapselung von Inhalten (Content) gemeinsam mit Aktivitäten (Activities) und Beziehungen (Context) zwischen diesen. Das bedeutet, bestimmten Inhalten der Lernkomponente sind bestimmte Aktivitäten zugedacht – also WAS damit passieren soll. Die Komponente trägt in sich die Information über die Beziehungen bestimmter Activities zu bestimmten Inhalten, z.B.: „Schau (ACTIVITY) Dir das Bild vom Eiffelturm (CONTENT) an, dann schreibe auf (ACTIVITY) welche Strukturmerkmale seine Stahlkonstruktion unverwechselbar machen.“. Die Lernkomponente transportiert somit durch die inneren Beziehungen zwischen Content und Activities einen echten Lehr-Lernzusammenhang (CONTEXT). Da ich mich mit dem Gebiet derzeit nicht mehr beschäftige, ist mir relativ egal, ob der Kaiser nackt ist oder ein hübsches Gewandt trägt. Mich würde allerdings interessieren, was andere von dieser Komponenten-Idee halten. :-)

Teemu Leinonen ist zu einer eigenen Definition des Begriffs Lernobjekt übergegangen, aus den gleichen Gründen, die mich zu der Lernkomponente gebracht haben. Er definiert Lernobjekt derzeit so (Quelle: Artikel „Demonstration of LO template prototypes“):

A Learning object is any entity, digital or non digital, that is or is aimed to be used for learning, education or teaching.

Allerdings hat diese Erkenntnis auch ihre Geschichte. In dem Prototypen LeMill soll genau dieses Konzept ausprobiert werden. Der Ansatz der offenbar maßgeblich durch Leinonen in Finnland vorengetrieben wird, erscheint mir sehr, sehr erfolgversprechend.

Update 21.11.2006
Die Geschichte Des Kaisers neue Kleider, von Hans Christian Andersen ist wirklich lohnenswert nochmal komplett gelesen zu werden. Ich habe jetzt die deutsche Fassung davon bei einer Kindergarten-Webseite gefunden. Das passt ganz gut, schließlich ist es ein unschuldiges Kind das zum Ende der Geschichte ruft „Aber er hat ja gar nichts an!“. Ein Kind hat wohl wenig Veranlassung dazu die Wahrheit zu verleugnen. Interessant ist dennoch das Ende der Geschichte, denn der Kaiser „zieht das durch“, obwohl er erkannt hat, dass das Kind Recht hat.

Doch die eigentliche Botschaft hat Andersen wohl verschlüsselt, denn im text heißt es an einer Stelle: „…die Kleider, die von dem Zeuge genäht würden, sollten die wunderbare Eigenschaft besitzen, dass sie für jeden Menschen unsichtbar seien, der nicht für sein Amt tauge oder der unverzeihlich dumm sei.“ Wer die Geschichte bis zum Schluss liest der weiss, das diese Kleider tatsächlich die von den Schwindlern gemachte Eigenschaft haben, denn einzig das Kind und das Volk trauten sich die Wahrheit auszusprechen, alle anderen in „Amt und Würden“, die etwas sahen wo nichts war, wurden durch den „wundersamen, unsichtbaren Stoff“ als Lügner entlarvt.

Update 5.1.2020

In 2005 war ich für extrem kurze Zeit an der FernUni Hagen in dem Projekt Campus Content aktiv. Das Projekt hat eine eher unrühmliche Wendung genommen zu der ich aber lieber keine Worte verlieren möchte und nachdem ich dort weggegangen bin, hab ich mir den Zerfall und das Scheitern nur noch aus der Ferne mit leichter Schadenfreude angeschaut. Nachdem ich das Projekt CampusContent verlassen hatte, musste ich allerdings die sehr negativen Erinnerungen daran irgendwie verarbeiten. Das passierte indem ich einen Rap-Song komponierte… den hab ich jetzt per Zufall auf meiner Platte wiedergefunden und musste laut lachen.

Nachfolgend sieht man ein wenig mehr, um was es in diesem Projekt eigentlich gehen sollte. Folgende Folie fasst es gut zusammen.

Ich hab das mal von deren Webseite zitiert:

Hier eine Beschreibung des DFG Projektes Campus Content — Competence Center for eLearning with Reusable Learning Objects

Quelle: https://eleed.campussource.de/archive/1/94

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Introduction

Given current technology, the development of substantial eLearning materials that exhibit high quality content and are useful in different educational settings is extremely time consuming and costly. This process typically involves different competencies including domain knowledge, didactic capacity, media design skills, usability and accessibility know-how, and programming abilities. The high development costs are only justified if learning contents remain valid for a long period of time or if the development effort for materials that need to be updated frequently can be shared by many users and is applicable in different educational settings. To achieve this goal, different projects pursued research on a modular approach towards multimedia content that ultimately led to novel learning technology standards, such as LOM (Learning Object Metadata) or SCORM (Sharable Content Object Reference Model), and a number of reusable learning object repositories. Experience has shown, however, that LOM and SCORM are weak in handling pedagogical qualities and content repositories are not as successful as expected. This may be due to the fact that these repositories merely focus on content qualities and content management and that they largely neglect the pedagogical context in which such content objects are used and searched for. Another reason is probably the fact that a widely accepted educational categorization scheme for educational scenarios for eLearning applications does not exist as yet.

The Project

The CampusContent project, which starts March 1, 2005, takes up these challenges in an interdisciplinary research approach aiming at the development of a competence center for the production, collection, quality assurance, distribution and re-use of modular multimedia content. The project will adopt the open content approach and rely on open standards. Although – for capacity reasons – the project primarily focuses on the subject areas computer science, engineering and natural sciences, its methods and tools will be designed in such a way that they can be carried over to other disciplines as well. Combining the perspective of advanced computer science methods with models and concepts of media didactics and educational science, the project tries to integrate a technological, pedagogical and social dimension seamlessly.

The technology dimension addresses:

  • the design of a suitable, fine-granular learning object model including rich pedagogical attributes, ontology information standardizing domain knowledge and other meta data supporting, e.g., the discovery of learning objects, their (dynamic) recombination, and their integration with pedagogical scenarios;

  • a framework architecture supporting the combination of learning objects, pedagogical scenarios and e-learning tools into a coherent learning environment; and

  • the implementation of an open content portal providing access to a component, template and pattern repository (cf. Figure 1)

Figure 1 – Organization of the CampusContent Portal

We hope to leverage the productivity of multimedia content production substantially through the provision of more effective methods and tools than we have at our hands today. In particular, we plan to develop reusable design patterns and templates that allow us to cope with great deal of standard problems. We are, for instance, envisaging an innovative animation component system that would allow even IT-illiterate authors to transform their conceptual and didactic ideas into instructive animations and other forms of (audio-) visual representations. Authors would no longer be plagued with low-level programming tasks using Java, Flash, Director and other specialist tools and the sustainability of works could be managed much easier.

The pedagogical dimension aims at a categorization of typical pedagogical scenarios and interaction patterns and a novel web didactic in which such scenarios and interaction patterns are related to a rich repository of learning objects of varying degrees of difficulty, didactic model and media presentation. Through a pedagogy-based extension of current metadata standards we hope to be able to combine learning objects in different pedagogical scenarios meaningfully. If we succeed in organizing learning objects addressing the same learning objective in different ways into clusters of variants, a dynamic linkage of learning objects depending on individual learner profiles becomes possible in a learning process.

The social dimension of the projects strives to build up a community providing for

  • external collaboration,

  • continuous dissemination of the communities’s approach and intermediate results,

  • sustainability and quality of the results, and

  • progress of related national and international standards.

Sponsors

CampusContent is one of currently four Competence Centers for Research Information that were set up in 2004 by the Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG, German Research Foundation). These competence centers are financially supported by the DFG over a period of five years.

Contact

Prof. Dr.-Ing. B.J. Krämer
bernd.kraemer@fernuni-hagen.de


Prof. Dr.-Ing. F. Kaderali
firoz.kaderali@fernuni-hagen.de


Prof. Dr. P. Baumgartner
peter.baumgartner@fernuni-hagen.de


Why do I blog this? Es fällt mir schwer ansehen zu müssen, wie ständig weitere Forscher (z.B. hier, hier oder hier) sich ohne jegliches Hinterfragen auf den Begriff des Lernobjekts stützen, und selbst aktiv an der Produktion von weiteren Nebelkerzen mitwirken. Lernobjekte gibt es nicht! Es mag Lerninhalte geben und Medien zur Inhaltsgestaltung, aber Lernobjekte? Was soll das sein? Mein Beitrag ist nicht dazu gedacht, denjenigen, die den Kaiser in Kleidern sehen diesen Eindruck nehmen zu wollen. Stattdessen ist er für diejenigen gedacht, die bislang noch gar keinen Blick auf den Kaiser geworfen haben oder noch nie mit den um diesen Begriff herum gezündeten Nebelkerzen in Kontakt waren. Ich hoffe auf flinke Schneider, die in erster Linie funktionale und dann vielleicht sogar schöne und günstige Kleidung ersinnen, um sie dem Kaiser in einem unbeobachteten Augenblick überzuwerfen. So könnten wir aus der Situation noch glimpflich herauskommen. Meine persönliche Erkenntnis aus der Sache lautet: Nebelkerzen sind sehr wirksam, aber sie brennen nicht ewig und nicht überall auf der Welt. In Finnland sind sie offenbar schon ausgegangen oder nie gezündet worden. Ich wünsche LeMill daher allen denkbaren Erfolg.

22 Gedanken zu „Lernobjekt, Learning Object oder RLO, was soll das sein?“

  1. Helge, so ganz kann ich Deinen Ausführungen in diesem Beitrag jetzt nicht mehr folgen.

    LO sind doch deutlich definiert, und soweit ich das aus meiner Arbeitswelt in der Beschäftigung mit WINDS noch weiss auch in einem anerkannten Standard IEEE übergegangen (Cisco war diesbezüglich Vorreiter). Warum ist ein solcher Standard von Wichtigkeit in der Praxis, weil die Implementierung zum Beispiel ermöglicht Inhalte einer Lernplattform in eine andere zu generieren. Sicherlich ist der auf LO fundierte Ansatz ein abstrakter und rein theoretischer, der sicherlich nicht alle Fälle des Bedarfes berücksichtigt, und wenn er vollständig implementiert wurde nach Meiner Meinung viel zu viel an Casualitäten im schlepptau mitschleppt, die im primären Kontext keinen Sinn machen. Sekundär jedoch wiederum viel. Habe ich einen ausreichend beschriebenen Kontent, der auch sorgfältig mithilfe des Standards gemetatagged wurde, dann ist er einfach in neuen lernszenarien wieder verwendbar. Für einen Kurs, den ich erstelle, macht so etwas keinen Sinn. Für 30 000 LOs schon, bei denen ich dann passgenau einen Kurs zusammenstellen muss.

    Wie gesagt, nach meiner Einschätzung geht es hier um eine abstrakte Einheit des kleinsten wissensvermittelnden Inhaltsassets, dass auf einer webbasierten Lernpräsenz anendung findet.

    Ich bin mittlerweile jedoch aus DIESER Materie etwas draußen, sodass ich nicht weiss, wie weit zum Beispiel EML (Siehe OU-NL) inzwischen mehr Verbreitung gefunden hat. interessant ist dieser Ansatz jedoch, da er weniger vom Instruktionsdesign her kommt, sondern ach meiner Einschätzung eher Lernerblicke ermöglichen soll. Aber wie gesagt, ganz vorsichtig ist dies einzuschätzen, da ich da nicht mehr up2date bin.

  2. @Andreas: Ich weiss schon, dass Lernobjekt als Begriff von sehr, sehr vielen Leuten im Wissenschaftsbetrieb tagtäglich verwendet wird. Dennoch ist aus meiner Sicht bis heute eben KEINE deutliche Definition hervorgegangen daraus.

    Das merkt man auch schon daran, wie Du Deinen Beitrag formuliert hast, denn Du sprichst z.B. von einem „Standard“. Ist jetzt ein „Standard“ das gleiche wie ein „Lernobjekt“? Sicher nicht!

    Finde ich Schnittstellen zwischen Systemen, die mit digitalen Inhalten arbeiten wichtig und sinnvoll? Ja, ganz deutliches „Ja“!

    Du bringst einen Haufen neue Begriffe, weil Lernobjekt an sich offenbar nicht ausreicht, um zu beschreiben, was Du meinst. Zum Beispiel „abstrakte Einheit des kleinsten wissensvermittelnden Inhaltsassets“ was soll das sein? Was ist ein „Inhaltsasset“? Was ist eine „kleinste wissensvermittelnde Einheit“? Mach das doch mal an einem Beispiel für mich deutlich.

    Fakt ist doch, dass es bislang mit dem Zauberwort „LO“ nicht gelungen ist abzugrenzen, was alles NICHT zum LO taugt. Fakt ist doch, dass hier wahllos zwischen digitalen Daten und Dokumenten, Lernzielen, Aktivitäten, Methoden usw. hin- und hergesprungen wird, um die Bedeutung eines LO zu erklären.

    Dein Beispiel zu IMS LD (Learning Design) – der logische Nachfolger von EML soweit ich das mitbekommen habe – macht die Sache auch nicht besser. Wer sich einmal selbst den RELOAD-Editor angeschaut hat, dem muss klar sein, dass KEIN Lehrender dieses Planeten freiwillig seine Hirnwindungen derart verbiegen wird, dass er einen aufgebohrten XML-Editor nutzt, um Inhalte zu erstellen oder gar seine Veranstaltung zu managen.

    Aber ich bin ja Optimist, gehen wir mal davon aus, es würde doch einen Lehrenden geben, der das macht, vielleicht einer von der OUNL, wie sieht es dann wohl mit den Lernenden aus? Meinst Du die Lernenden tun sich einen XML-Editor an um Ihre Aufgaben zu bearbeiten? Einmal ganz davon abgesehen, das im Sinne von EML jeder Lernende nur eine „Rolle“ in einer Art „Theaterstück“ spielen soll. EML basiert also auf einem Verständnis des Lernenden als Schauspieler. Wie weit bitteschön ist DAS von der Realität entfernt. Es entmündigt den Lernenden bereits durch das gesamte Konstrukt, weil bei einer Rolle im Theater eben vorgeschrieben ist, was man zu tun hat. Was hat das mit Lernen zu tun?

    XML ist eine gute Sache zum Austausch von Daten zwischen Rechnern, nicht jedoch zum Austausch von Daten zwischen Mensch und Maschine. Stattdessen beharren alle diese Initiativen darauf, dass der Lehrende gefälligst Metadaten über Metadaten eingeben soll, die niemanden interessieren und deren Wert bislang in keinem einzigen Proof-of-Concept formal bewiesen wurde. Die Wissenschaft besteht darauf, dass man gefälligst Metadaten eingeben soll dabei haben Suchalgorithmen wie der von Google längst bewiesen, das es völlig ohne Metadateneingaben der Nutzer geht.

    Es wäre meiner Ansicht nach so einfach. Warum konzentriert man sich nicht auf Schnittstellen, die den Austausch von digitalen Daten (Bilder, Texte, Videos usw) den damit verbundenen Lernzielen und den vom Kursersteller gedachten methodischen Vorgehen für die Veranstaltung ermöglichen? Das sind drei einfache Dinge: CONTENT, ACTIVITIES/METHODS und LEARNINGTARGETS. In diesem Dreieck kan sich alles abspielen, stattdessen werden Standards aufgebaut wie IMS LD, die jeden kleinen Sonderfalls abbilden und regeln möchten. Wer einem Lehrenden derart die Gestaltungsflexibilität wegnimmt, durch ein Standardkonstrukt, dass einen zwingt in XML-Bäumen zu denken, der braucht sich meiner Ansicht nach nicht wundern, wenn die Standardbemühungen nicht fruchten.

    Stattdessen wird ein wahnsinniger Aufwand betrieben, die Leute dazu zu zwingen Metadaten einzugeben und in XML-Schemata zu denken. Und damit das ganze dann auch noch einen wohlklingenden Namen hat, nennt man es Lernobjekt. Niemand konnte bisher den Nachweis bringen, dass dieser ganze Aufwand auch nur irgendwie Kosten spart, die Qualität anhebt oder auch einfach nur die Arbeit erleichtert. Oder habe ich da was übersehen? Dann bitte ich um entsprechende Hinweise!

    Das alles finde ich aber noch harmlos gegen die eklatanten Schwächen des Begriffs LO. Denn LO’s sollen in der IT bzw. Softwareentwicklung Anwendung finden, wenn aber die IT keine klaren Begriffsdefinitionen hat, was denn genau ein LO alles sein soll, beinhaltet, und in welcher Relation es zu anderen Entitäten steht, dann muss jeder Versuch mit dem Begriffswerk „LO“ etwas sinnvolles zu bauen, scheitern. Man stelle sich nur einmal vor jeder Ingenieur eines Flugzeugs verstände etwas anderes unter dem Begriff „Leitwerk“, na das gäbe was. In der E-Learning Community wird das wohlwollend hingenommen und man wundert sich, dass nichts dabei herauskommt. Es kann gar nichts dabei herauskommen, ist meine Meinung.

    Ich bin gottseidank raus aus dem Thema, aber ich verfolge dennoch was da auf dem Sektor weiter passiert. Wie gesagt, ich habe nichts gegen leistungsfähige Schnittstellen zwischen IT-Systemen, die über formale Protokolle geschaffen werden. Wenn aber der Mensch sein Hirn wegen einer Maschine verbiegen muss, um ein Kursmaterial aufzusetzen, dann wird es ganz einfach nicht passieren.

    Der Faktor Mensch, der mit dieser ganzen Idee und der Umsetzung konfrontiert ist, wird meiner Ansicht nach sträflich vernachlässigt. Es wird das gebaut was der Wissenschaftler sich in seinem Kämmerlein denkt, statt das zu berücksichtigen, was im echten Leben Erfolg hat!

    Und je weniger klar der Begriff LO definiert wird, um so weniger ist das Konzept angreifbar. Es bleibt dabei, ein Urinal ist ein Lernobjekt, warum auch nicht. Mir fällt kein einziges Objekt ein, dass nicht zum Lernen geeignet wäre.

  3. ich bin keine Wirtschaftsinformatikerin und ich finde es gut, dass das Thema Lernobjekte kritisch beäugt wird. Ich sehe es ähnlich kritisch aber aus dem didaktischen Blickwinkel heraus (http://mschiefner.blogschrift.org/archives/298-Alles,-was-sie-zukuenftig-benoetigen,-ist-Wissenskompetenz.html). Um was es mir aber in dem Blogbeitrag ging, war der Inhalt der Webpage.

    Ich beschäftige mich gerade damit, wie man didaktische Design Novizen beibringen kann, und da erscheint mir ein Nachschlagewerk wie das der FNL sinnvoll. Ob es nun Learning Object heisst oder anders ist mir eigentlich ziemlich egal.
    Gut finde ich trotzdem, dass sich jemand mal wieder kritisch äussert und hinterfragt ;-)

  4. Hallo Helge,

    Danke für die ganz ausführliche Anmerkung. Und ebenso @Mandy und @Gabi ebenso! Auch ich bin irgendwie etwas beruhigter, dass man auch den kritischen Blick zu dem, was LO’s angeht nicht verloren hat.

    Und- ganz bescheiden muss ich zustimmen – dass man eben nicht in wenigen Worten erklärn kann, was LO’s sein können. und schon gar nicht, was für ein Potential drin stecken würde, würden alle sich solchen Standards implementative anschließen.

    Aber, und ich denke, jetzt kommt fast der moderative Teil: ich denke wir sind uns in einigen Dingen einig:
    • LO’s sind ein künstlicher begriff, der Anwendungsdesignern eigentlich eine Strukturierungs- und Denkhilfe bietet.
    • LO’s beinhalten Lernbestandteile, zum Beispiel Texte, Bilder, Videosequenzen und Buch und sie beinhalten Metainformationen zu den lerninhalten.
    Der angefragte Mehrwert, den Du eingefordert hast, nun auch der ist nicht umumstritten. Zumindest aus meiner DIDAKTISCHER Sicht. Lass es mich ganz milder formulieren: Wenn viele Inhalte genau richtig von vielen Personen (Autoren) eingepflegt und genutzt (Lerner) werden, dann ist die maßgebliche Nutzung von RLO’s also den wiederverwendbaren, der schnelle Zugriff auf bereits angelegtes aufgrund der Standards. Und – was uns damals gelang: auch die auf den Lerner zugeschnittene strategie der Empfehlung, welche Anteile er wann und in welcher Weise lernen kann.

    Also beispielsweise in der Form, dass das System weiss, jemand möchte eher per Text lernen, bekommt er aus dem Pool der Informationen die passend auf ihn zugeschnittenen Materialien in sein Learning Portfolio eingelegt. Bei anderen Präferenzen ebenso umgekehrt. Das setzt natürlich vieles voraus.

    Keinen Sinn macht solches Vorgehen in einem one2many Szenario.
    Wenn allerdings 300 Kollegen an eier virtuellen Universität über ganz europa verteilt mehr als 4000 solcher Lerning Objects angelegt haben, für alle Studierenden an den beteiligten Institutionen, dann wird klar, dass ein solches Szenario recht stark werden kann. Ähnlich sieht es ja an manchen Unternehmen aus, die sehr distributiv Weiterbilden.

    Noch einmal deutlich: Wir sprechen hier von künstlichen und abstrakten Größen, man könnte auch sagen: Ein LO ist eine Variable für etwas, was zum Lernen über ein LMS dieen kann.
    Ach so und was meine Einschätzung angeht: LO’s waren etwas für Instruktionsdesign der klassischen Schiene. und die Zeit habe ich irgendwie etwas abgeschlossen. ;-) Irgendwie ist das für mich „the old eLearning“. Weiss ja auch nicht wie das kommt. Aber wenn ich die Blogspäre und all die anderen Sphären so erlebe entdecke ich einen riesigen Mehrwert. Und das hat nix mit LO’S zu tun.

  5. Erstmal danke an alle für die interessanten Hinweise, Verweise, Ideen und teilweise Zustimmungen. Ich werde in Kürze ausführlicher antworten. Für den Moment ist mir noch was supernettes über den „Web“-Weg gelaufen: Das High-Tech-Urinal. Ich sage weiterhin: Ein Urinal ist ein Lernobjekt sondergleichen. Mein Favorit ist dieses Urinal, das sich tagsüber im Boden versenkt, der UriLift (TM) und somit unsichtbar machen kann und erst Abends aus der versenkung auftaucht, um wildes urinieren in den Städten zu verhindern. Eine sehr clevere Lösung (zumindest für die männliche Klientel).

    Folgendes Video zeigt diese nicht gerade triviale Erfindung, von der Designer, Ingenieure und Stadtplaner ganz sicher eine Menge lernen können:

  6. „The standards have come before the thing itself has happened.“ Patricia McGee über Lernobjekte auf dem Learning Objects 2003 Symposium, Honolulu, Hawaii.

    Mich wundert, dass bisher kaum jemand das Ganze von der kulturellen Seite angeschaut hat: wie gewillt sind denn die VerwenderInnen überhaupt, „Lernobjekte“ (nach welcher Definition sie auch immer gebaut sein mögen) zu verwenden? Wenn man bedenkt, dass an den Universitäten kaum mal eine Professorin oder ein Professor überhaupt von anderen geschriebene/zusammengestellte Skripte oder Bücher nutzt, wieso sollte man dann von ihnen erwarten jetzt plötzlich Lernobjekte anderer zu suchen/nutzen/evaluieren? „Kann die/der Professor/in das nicht selbst, dass sie/er das Material von anderen verwenden muss?“ könnte ein Vorwurf lauten — eben verbunden mit einem Gesichtsverlust. Man hat ja doch eine bestimmte Stellung zu vertreten, wenn einmal die Professorenschaft erlangt wurde.

    Bei Cisco Systems wurden Lernobjekte ja angeblich (weil von Außenstehenden nicht nachvollziehbar) sehr erfolgreich eingesetzt. Das liegt aus meiner Sicht aber daran, dass dort eine „Monokultur“ herrscht: die Lernobjekte wurden dort nach strengem Schema von den hauseigenen Instructional Designern gebaut und sind dann auch *nur* bei Cisco zum Einsatz gekommen (klar, von den eingesetzten Ressourcen wollen sie nicht andere zehren lassen). Dass in dieser „Kultur“ das Konzept der Lernobjekte erfolgreich ist (ganz einfach weil der Anwendungsrahmen beschränkt ist und sich auch kaum ändert), ist dann vielleicht nicht mehr so erstaunlich. Ob dieses Prinzip aber auf Academia übertragbar ist, welches eine bunte Kultur mit unterschiedlichsten Handelnden und Rahmenbedinungen vorzuweisen hat, das bezweifle ich. Ich hatte die Direktorin der Cisco Systems’ Internet Learning Solutions Group — Peg Maddocks — dazu mal angeschrieben, ob sie denkt,dass der Erfolg bei Cisco auf Academia übertragbar wäre, aber leider keine Antwort erhalten. :-)

  7. Das finde ich ein ziemlich treffendes Zitat: „The standards have come before the thing itself has happened.“ ich hab nämlich auch den Eindruck, dass einmal mehr die Technik einen Traum erfüllen soll, der sich aber nicht durch Technik sondern nur durch Sozialinnovation erfüllen kann: Die uneigennützige Herausgabe von Lehrmaterial und Lehr-Konzepten zwischen Lehrpersonen und Institutionen. Man könnte auch sagen: „Kostenloses Franchising“ oder eine „Genossenschaft für Lehrmaterial und Konzepte“.

    Für die Erfüllung dieses Traums wird es wohl mehr bedürfen, als einer Technik oder eines Standards. Das wäre wie wenn man entlang jeder Strasse Fahrradwege bauen würde in der Hofffnung dann würden endlich alle auf das Fahrrrad umsteigen vom Auto. Das wird einfach nicht passieren, wenn sich die Rahmenbedingungen nicht verändern.

    Bloss dass niemand auf die Idee käme, einen Fahrradweg in purer Hoffnung zu bauen, dass er von den Autofahrern genutzt wird. Genausowenig wie man einen Flugplatz einfach so auf Verdacht in der Pampa bauen würde.

    Die Frage bleibt im Raum bestehen: Was ist ein Lernobjekt? Sagen wir Cisco war erfolgreich mit dem was Sie unter Lernobjekt verstehen, dann kann ich schon verstehen, dass sie die Inhalte nicht hergeben wollen. (Dafür wäre Sozialinnovation nötig; siehe oben!) aber sie könnten zumindest mal einen Mitarbeiter aufschreiben lassen, WAS Cisco unter LO’s denn genau versteht und wie die bei Cisco aufgebaut sind. Das wäre auch ein Reputationsgewinn für Cisco, die Struktur offenzulegen, ohne Inhalte herzugeben. Aber vielleicht ist das auch so unspektakulär oder trivial, dass sie sich das nicht trauen!

  8. @Mandy: Was die didaktischen Dinge angeht oder auch Methoden/Modelle usw. wie man Lehre umsetzt, sehe ich tatsächlich ein potenzial für IT-Einsatz, denn Wizards oder eine Software, die beim Design der veranstaltung hilft, würde sicher so manchem Lehrenden eine echte Hilfe bieten. Da finde ich die Arbeiten von Susanne Heyer (http://www.heyerlevel.de/calimero/tools/proxy.php?id=12232) sehr interessant dazu, denn sie hat geschaut, wie man sogenannte „LO’s“ anhand der überarbeiteten Bloomschen Taxonomie prüfen und einordnen kann.

    Z.B.: Heyer, Susanne (2005). An Analysis of Learning Resources Using a Cognitive Process Taxonomy. In M. E. Auer, U. Auer and R. Mittermeir (eds.), International Conference Interactive Computer Aided Learning 2005: Ambient and Mobile Learning . Kassel: University Press.

    Das kann schon wahnsinnig wertvolle Hinwesie geben darauf, ob das eigene Lehrmaterial für das erreichen bestimmter Ziele überhaupt angemessen ist.

    @Gabi: Was Frank das beschreibt finde ich auch ein richtig gutes Beispiel wie es gehen kann. Die Flexibilität der Werkzeuge gibt dort den eintscheidenden Freiraum, um ein innovatives Konzept umzusetzen mit einem echten Klassiker, dem „Gedicht“. Keine festgefügten XML-Bäume oder Standards stehen dem im Weg, sondern die Flexibilität des Werkzeugs schafft Raum für neue Wege. So sollte es eigentlich sein, oder?
    Find ich jedenfalls gut!

  9. @Andreas: Habe eben mal in das verlinkte PDF reingesehen. Die Definition dort ist natürlich auch wirklich klasse: „Any digital resource that can be reused to support learning.“

    Lassen wir doch einfach das „Lern“ mal weg, denn das hatten wir ja schon: Zum Lernen ist ALLES geeignet. Wer mir ein Beispiel bringt, WAS NICHT zum Lernen taugt, dem geb ich ein Bier aus, oder zwei! Also bleibt nur noch das „Objekt“ wow! Wahnsinn, was für eine abgrenzende Definition! Wiederverwendbare Objekte also! Das heisst, alle Dinge, die nicht „verbraucht“ werden, richtig? Rein physikalisch wird auf diesem Planeten GAR NICHTS verbraucht, sondern nur stetig eine Energieform in eine andere umgewandelt.

    Das mit der Wiederverwendung ist so ein schwaches Konstrukt! Wie will man die messen? Nur weil eventuell kein anderer Lehrer den Kompaktkurs „Atombombenentwicklung 101“ ein zweites mal anbietet ist es nicht wiederverwendbar? Nur weil kein Markt da ist gilt es nicht als RLO?

    Das führt irgendwie nicht weiter, oder?

  10. Hmmm. Schwierig hier zwischen Existenzfaktor und Allfaktor argumentativ hin und her zu schwenken. Von daher hab ich in der Diskussion einfach einmal eine pragmatische Frage: Wie soll sie ausgestaltet werden? Zwischen den Postingzeilen interpretiere ich ein Spektrum zwischen > und aus welchem Kontext sie stammen > Ist somit das Spektrum der Diskussion inklusive Ausgangsposting beschrieben? Dazu kommt noch, der Hinweis darauf, dass das Ein- oder Andere mal die Begrifflichkeiten in anderen Kontexten verwendet wurden.

    Hmm. Das gibt ein Knot in Mind, wenn man nicht weiss, was der/die Urheber eigentlich zeigen wollen. Sorry, eigentlich sollte das auh in dem vorbildlichen Metaebenengrau Deines Blogs erscheinen ;-) Denn ich habe hier auf einmal den Eindruck eine argumentative Strecke zu verteidigen, die ich a nicht mehr umfasse (weil schon länger draussen aus dem Konzept) und b) eigentlich die Motivation war der Ausgangsfrage genüge zu tun, nämlich bei der Klärung behilflich zu sein.

    Dazu kommt jetzt noch einmal ein ganz anderer Aspekt. Gesetzt den Fall, dass die Konzeption von LO’s – und so weiter – irgendwann einmal sinn hatte – da ist nicht gesagt, dass sie heute als Ansatz noch sinngebend sind. Und DIES erschließt sich MIR aus einem veränderten Lern-Theoriezugang.

    Mann kann nämlich fragen, ob der erweiterten Technologien, und ob eines neuen Anwendungsverständnisses, inwieweit ein E-Learning im Kontext von Instruktionsdesign, das sehr aufwändig ist, alleinig sinnvoll ist. Und, ob man solche Modelle überhaupt in einem neuen Verständnis von eLearning noch benötigt.
    Ich erlaube mir die FRAGE – absolut gibt es da keine Antwort. Und – das mag ich jetzt schon anmerken – auch ein Pull-Orientiertes, Informelles, Lernerorientiertes Modell (zum Beispiel des e-Learning 2.0)hat Grenzen. Geschenkt bekommt man da nichts. Weder als Ersteller, noch als Lerner.

  11. @Andreas und weitere Besucher: Du musst nichts verteidigen, schon gar nicht öffentlich in meinem Weblog, Du hast es ja nicht „verbrochen“ ;-)

    Ich finde den Aspekt „welche Theorie steht eigentlich dahinter“ auch sehr aufschlussreich. Und da wird es ja schnell konkret: SCORM war rein auf Instruktion angelegt, also z.B. militärischem Personal Routinen und Faktenwissen zu lehren. Reflektion ist im militärischen Lehrmaterial eher unerwünscht, denn über Routinen zu reflektieren, die unumgänglich weil überlebensnotwendig sind, ist nur von eingeschränktem Nutzen bei einem festgefügten militärischen System. Das ist also der Ursprung von LO’s vor dem Hintergrund von SCORM.

    Initiativen wie IMS LD haben die Defizite von SCORM bemerkt, dass man mit dem starren militärischen Instruktionsmodell z.B. an der Uni nicht weit kommt, also versuchen sie mehrere Instruktionszugänge/-variationen anzubieten. Dennoch bleibt das Modell von der Instruktion hauptsächlich beeinflusst, denn es ist ein distributionsorientiertes Modell VOM LEHRENDEN HIN ZUM LERNENDEN. Der Lernende soll dabei eine „Rolle“ übernehmen.

    Ein Modell vom Lernenden ausgehend sieht denke ich anders aus, wie Weblogs und Wikis sehr schön zeigen. Diese funktionieren OHNE irgendein IMS LD Konstrukt und OHNE LO wohlgemerkt. Ich frage mich auch, was man an einer Reflektion unter Lernenden (z.B. in Form von Feedbacks und Fragen) wiederverwenden sollte. Denn die Produkte sind ja nur Ausdruck des Prozesses (Reflektionsprozess) dahinter. Das eigentlich wertvolle ist der Prozess an sich!

    Aus meiner Sicht ist die Konzeption hinter LO’s stark ökonomisch geprägt, aufgrund der Anforderungen die im militärischen Umfeld bestehen, VIELE LERNENDE MIT DEM GLEICHEN versorgen zu müssen. Das Motto lautet also ähnlich wie bei Java: „develop once deliver many.“ allerdings mit einigen Nebenwirkungen: z.B. Homogenisierung der Inhalte, Distributionsorientierung (unilateral statt bilateral in Bezug auf Lehrer-Lerner), rationalisierend (Entwickelter Content wird unendlich oft wiederverwendet), statisch (Um Rationalisierungseffekte zu erzielen, muss der Content stabil bleiben bzw. nicht verändert werden) und zentralistisch (EINE Instanz verteilt den Inhalt an VIELE, also klassisches „broadcasting“).

    Es gibt Personen, die sind überhaupt nicht in der Lage, sich vorzustellen, wie das aus Lernendensicht ankommt, so ein LO im Distributionsverfahren. Und die stellen aus meiner Sicht ein Risiko dar. Man könnte auch ketzerisch vom Elfenbeinturm sprechen, denn diese Personen haben noch nie E-Learning selber als Teilnehmer wahrgenommen oder als Lehrender, der ein ganzes Semester lang eine Lehrveranstaltung virtuell begleitet. Sie diskutieren über etwas, ohne eigene Erfahrungen vorweisen zu können. Sie können also keinerlei Prozesskenntnisse vorweisen!

    Wenn diese Personen dann aber den Prozess verändern möchte durch sogenannte LernObjekte (von denen nebenbei völlig unklar ist was sie sein sollen) ohne die Auswirkungen auf den Prozess mitdenken zu können, dann muss das Vorhaben zwangsläufig scheitern. Ganz besonders betroffen sind da aus meiner Sicht Personen, die an sogenannten Learning Object Repositories (LOR) arbeiten, denn diese haben GAR KEINEN Kontakt zum Kunden/Lernenden. Sie operieren quasi im luftleeren Raum mit ihren Ideen. Erst wenn sie gezwungen werden, ihre Systeme mit einem Echt-Betrieb von Lernenden und Lehrenden zu validieren, besteht überhaupt die Chance, dass sich das akademisch und akribisch erdachte Traumschloss in Luft auflöst. Wie schon Francois Mauriac so schön sagte: „Der Bau von Luftschlössern kostet nichts, aber ihre Zerstörung ist sehr teuer.“

    Und wenn niemand sie zerstört, dann kommen eben Lehrmaterialien und Lehrprozesse dabei heraus, die den Charme eines festgefügten XML-Baumes haben. Genauso wiederverwendbar sind sie dann auch: Wiederverwendbar für die Maschine, bloss für den Menschen vollkommen unbrauchbar! Das kann nicht das Ziel sein, es sei denn man möchte Spezialist werden im Bereich Luftschloßbau!

  12. OK. Und da sind wir ganu an dem Punkt angekommen, der sich aus der sich so schön aus der lehr- lerntheoretischen Überlegung herleiten ließe. Wenn ich die holzkampsche Kritik vom „Lehr- Lernkurzschluss“ ernst nehme, dann hast Du diese gerade sehr schön an praktischen Beispielen umrissen. MANN und FRAU kann nämlich nicht davon ausgehen, dass derjenige der den CONTENT rezipiert auch automatisch dabei etwas lernt. Die Komplexität der Ansätze ging jedoch prinzipiell davon aus. Dem entgegen stehen jedoch auch die bemühungen, Kontextbezogen Lernstoff darzubieten.

    Ganz anders sähe mein Ansatz dabei aus, wenn ich folgende Dinge berücksichtige:
    • Abschied von der Vorstellung, dass nur qualifizierte Personen für die Bereitstellung von Lerninhalten zuständig sind.
    • Verbreitung des Verständnisses, dass a) etwas weiss und b) etwas wissen will und es die Umgekehrte Richtung ebenso geben muss.
    • Darbeitung eines Möglichkeit sich und seine Expertise glaubwürdig und nachvollziehbar darzustellen
    • Anbieten von Funktionalitäten, die es ermöglichen die einzelnen bestandteile „irgendwie“ thematischen Bereichen zuzuordnen. Dazu sind Relationen, wie „hat zu tun mit“ „kann auch verstanden werden im Bezug auf…“

    Und das jetzt projeziert auf nicht einzelne Personen, sondern MASSEN von Personen ergibt ein verständnis von Wissensclustern. Das hat NICHTS mehr in der Dimension KURS etc. zu tun.

    Bis denne
    Andreas

  13. @Andreas: ich glaube das ist eine sehr schöne Abrundung der Diskussion, die du geschrieben hast. Genau so muss das nämlich ausgehen: Weg von dem content provider -> learner -Modell und hin zum „empowerment of the masses“. Ich wollte dazu mal eine Studie machen: was passiert, wenn man Studierenden die ganzen „chunks“ von Lernobjekten/Lernbausteinen oder was auch immer mal vorwirft und ihnen als Semesteraufgabe stellt, daraus ein _für sie sinnvolles_ Bedeutungsnetz zu bauen. 1) mal schauen, was sie dabei wirklich lernen und 2) was für eine Art Netz daraus entsteht über die Masse gerechnet. Aber wenn man denn immer auch gleich Geld bereit hätte, um solche Ideen mal zu prüfen ;-)

  14. Moin!
    Für das Repositorium, an dem ich arbeite, spreche ich immer nur von Materialien, die hochgeladen und kombiniert werden können. Damit umgehe ich alle Diskussionen um Assets, Informationsobjekten etc. Wenn ich die Materialien mit einem Lernziel ergänze und den Lernenden mit Hilfe einer didaktischen Vorlage sage, wie sie mit dem Material das Lernziel erreichen können, habe ich in meinen Augen ein Lernobjekt – etwas, mit dem Lernende eigenständig lernen können. Mein Blickwinkel ist hierbei der klassische Blick eines Hochschullehrers, der den Unterricht leitet.

    Übrigens: Wer noch Nebelbomben braucht, sollte einen Blick in meine Synonym-Liste (Word-Dokument) werfen:

    Anmerkung d. Blog-Betreibers 13.12.2006:
    Ich habe den Link auf die Liste direkt um das Wort „Synonym-Liste“ gelegt. Ich hoffe das geht okay, Marc!

  15. Schon 2004 Hatte Parrisch auch seine Probleme mit den Lernobjekten:
    „I also look at both the difficulties in defining the term learningobject and the limitations of metaphors used to describe the concept, and concludes with propositions for learning object usage.“
    Parrish, Patrick E. (2004): The trouble with learning objects. In: Educational Technology Research and Development. Volume 52, Number 1, März 2004. S. 49-67

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