Gestern habe ich den Beitrag von Frank Rieger „Roboter müssen unsere Rente sichern“ gelesen.
Zukunft oder doch eher Gegenwart?
Ich finde es gut, dass mal jemand den Blick in die Zukunft richtet. Frank richtet den Blick in die unmittelbare Zukunft und eigentlich eher die Gegenwart. Irgendwer sagte mal „Die Zukunft ist bereits da, bloß ungleich verteilt.“ und das scheint mit den Dingen die Frank beschreibt bereits so. Andererseits schrieb Gunter Dueck diese Woche ebenfalls „In die Zukunft kann sehen, wer ihren Anblick erträgt“.
Die Technik Landmaschinen und Pflanzenanbau und -ernte zu automatisieren und Vertical Farming Ackerflächen von Drohnen und Bots bewirtschaften zu lassen ist bereits da, aber noch nicht groß verbreitet.
Die Technik die nächste gentechnische, bioorganische Revolution (bzw. Katastrophe) herzustellen und in die Natur zu entlassen ist bereits da (CRISPR/Cas9) aber noch nicht groß verbreitet.
Die Technik mittels Brute Force Computing bzw. Deep Learning aus Datenbergen Zusammenhänge zu extrahieren, deren Funktions- und Wirkmechanismus uns unzugänglich bleibt, denen wir aber gerne blind vertrauen, schwingt sich auf unter dem Stichwort AI bzw. Künstliche Intelligenz (KI) überall als neue Schicht zwischen Mensch und Maschine zu kriechen. Die direkte, diskrete Maschinenmanipulation z.B. per Schalter hat ausgedient. An ihre Stelle tritt die „smarte“ Zwischenschicht der AI, z.B. smarte Lichtschalter die besser als der Mensch wissen was der Mensch eigentlich möchte. Die Eingaben werden interpretiert anhand der gigantischen, historischen Datenberge der breiten Masse, die der Urteilskraft der KI die magische Macht verleihen „intelligent“ zu erscheinen. Die Technik ist da, aber noch nicht groß verbreitet.
Vorteil Fokus, Nachteil Fokus
Frank holt ganz schön weit in die Vergangenheit aus, um seine Zukunfsweissagungen in den Kontext eines möglichen sechsten Kondratjew-Zyklus zu stellen, einer wirtschaftlichen Umwälzung die z.B. vergleichbar ist zum „Dampfmaschinen-Kondratjew“ und uns unmittelbar bevorsteht bzw. bereits in vollem Gang ist.
Nachdem ich den Beitrag gelesen hatte, hatte ich ein ähnliches Gefühl, wie ich es nach einigen Talks des Chaos Communication Congress bereits seit langem kenne: Nur der Experte da vorne weiß was läuft, du kleiner, unwissender Zuhörer bist dumm und weißt gar nichts. Du solltest dem Experten da vorne erstens glauben und zweitens kritiklos huldigen, dann ist/wird alles gut.
Es wird dort gerne die angebliche oder aufgedeckte „Wahrheit (TM)“ mit haufenweise zynischen Kommentaren garniert vorgetragen. Man zieht sich auf eine Position zurück, zu schildern wie schlimm doch alles ist, ohne den Versuch zu unternehmen, mal die Perspektive etwas weiter zu fassen und vielleicht außerhalb der eigenen, technokratischen Sicht zu gucken oder mal einen Vergleich zu wagen mit nicht-technischen Bereichen.
Damit man auch gar nicht erst auf die Idee kommt mal den Blick zu den Seiten zu richten, feiert Frank ein Feuerwerk der unausweichlich zu erwartenden, technologieinduzierten Veränderungen ab. Mit Aussagen wie „Sogar Lehrer müssen sich Sorgen machen“, die auf eine Bastion des sicheren Jobverhältnisses abzielt, wird auch gezielt mit der Angst des Lesers vor Arbeitsplatzverlust gespielt. Doch ist das wirklich die einzig wahre, wirkliche Sicht auf die Zukunft?
Dieser starke Fokus auf die Entwicklung der Technologien ist sicher von Vorteil, um abschätzen zu können, was in Kombination dieser Trends als nächstes aus der Technosuppe emergieren könnte.
Der Nachteil ist jedoch, dass man den übrigen Kontext der Einbettung von Technologie in die Gesellschaft dadurch weitgehend ausblendet. Sicher können Taxifahrer und LKW-Fahrer in der entwickelten Welt auf guter Infrastruktur durch autonome Fahrzeuge irgendwann ersetzt werden. Aber LKW konnten auch bisher eigentlich durch Schienenfahrzeuge ersetzt werden. Warum ist das nicht passiert? Ist es soviel wahrscheinlicher, dass man diesmal den LKW-Verkehr anders abwickeln wird? Es sind auch eine ganze Menge Jobs in dem Transportsektor existent, aber welche Bereiche werden darüber hinaus betroffen sein?
In der Landwirtschaft zum Beispiel sind bereits mehrere Revolutionen über die Felder gelaufen. Es wurde auch Jahr für Jahr die Effizienz der eingesetzten Maschinen erhöht. Mittlerweile bearbeiten wenige Personen gigantische Flächen. Die Veränderung bei der Anzahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft wird vermutlich nicht mehr so arg ausfallen können, denn viele Personen arbeiten schon längst nicht mehr im Agrarsektor und dann brauchen wir immer noch Maschinenbediener auf dem Acker.
Was bleibt denn eigentlich wie es ist?
Mir scheint, dass Frank sich hier auf ein extremes Szenario bezieht, dass so nie Wirklichkeit werden dürfte. Ja, Roboter und Rechner werden immer günstiger, AI immer leistungsfähiger, aber löst das denn auch die Probleme die wir aktuell haben? Und wenn ja, wieviele der Probleme die wir haben kann eine zukünftige Rechner-AI-Roboter-Technologiemixtur überhaupt lösen?
Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie Roboter z.B. die Arbeit von Handwerkern bei der Altbausanierung ersetzen sollen. Es gibt haufenweise Jobs die sobald niemals von Robotern übernommen werden können, und Lehrer, Krankenschwester, Polizist, Kindergärtner, etc. sind definitiv diese Jobs, die da nicht für geeignet sind.
Frank behauptet „Maschinen können menschliche Denkleistungen und Verhaltensweisen so intensiv studieren, dass sie sie emulieren und optimieren können.“ Damit ist lediglich die Aussage getroffen worden, dass Maschinen (vorausgesetzt sie wurden dazu mit Hilfe eines Menschen angeleitet) in der Lage sind den Menschen vergleichsweise präzise nachzuäffen. Maschinen verstehen den Sinn hinter ihren ausgeführten Aktionen jedoch nicht.
Es sind Cargo Cult-Maschinen die wir da heranzüchten bzw. anleiten. Wie soll eine Maschine ein Lehrer sein, die keine empathischen Fähigkeiten besitzt, die im Umgang mit Säugetieren unabdingbar ist und die den Sinn ihrer Handlungen nicht versteht? (Film zum Cargo Cult Begriff)
Das wir alle uns Sorgen machen müssen mag richtig sein, aber der Grund ist wohl eher ein anderer. Solange Maschinen kein Sinnverstehen haben, und sich nicht emotional in die Lage eines Menschen hineinversetzen können, können sie den Menschen in vielen Bereichen eben gerade nicht ersetzen. Und sollte das doch irgendwann der Fall sein, stehen wir vor der nächsten Frage, ob wir Maschinen die Verantwortung für Leben anvertrauen wollen.
Dies ist erstmal nur einer meiner Kritikpunkte an dem Text. Dass man Produktionsmittel und Vermögen (was im Prinzip gleichbedeutend ist, weil man mit genug Vermögen Produktionsmittel erwerben kann) am besten besteuert, soweit waren wir bereits einmal. Die aktuelle Regierung und die vorherigen haben das allerdings weitestgehend abgeschafft. Selbst die normale Besteuerung von Unternehmen klappt ja nicht mehr, weil die Gesetze so löchrig sind, dass eigentlich niemand der sich einen wirklich guten Steuerdienstleister leisten kann, ernsthaft nennenswerte Steuern zahlen muss.
Die positive Utopie einer „roboterfreundlichen Gesellschaft“ die Frank fordert, ist eigentlich die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und die Versteuerung von Betriebsvermögen bei Vererbung und Verkauf.
Entweder wollte er das so klar nicht sagen, oder es ist ihm schlicht nicht bewußt, weil er sich nur auf die technokratische Sicht zurückgezogen hat.
Why do I blog this? Ich finde es durchaus lesenswert, welche Gedanken Frank sich hier macht, und wie er all die technologischen Entwicklungen zusammenführt und darin eine echte Bedrohung des Status quo erkennt. Doch verkennt Frank meiner Ansicht nach den Grund warum diese Entwicklungen überhaupt so atemberaubend schnell vorangetrieben werden. Und dieser Grund liegt nicht in der menschlichen Neugier allein, oder darin weniger arbeiten zu wollen. Es liegt derzeit einzig darin finanziellen Profit zu erzielen. Doch wo soll eine positive Utopie herkommen, wenn man es weiter zulässt, die Wirkmechanismen bestehen zu lassen, die uns die Klima- und viele andere Umweltkatastrophen eingebracht haben? Ohne eine Abkehr vom Kapitalismus ist keine einzige positive Utopie denkbar, weil das Prnizip der Unterordnung allen Handelns unter Profitziele alles andere verdrängt und letztlich zerstören wird. Es ist leicht die Forderung nach einem Grundeinkommen aufzustellen, aber das bringt uns keinen Millimeter vom tödlichen Pfad des Kapitalismus ab, der mittlerweile auf jedem Kontinent der Erde inklusive der Ozeane und der Atmosphäre alles verzehrt, was keinen Ladenpreis hat.
Ein Gedanke zu „Roboter übernehmen alle Jobs? Srsly!?“