Ziffernzensuren und ihre Alternativen im empirischen Vergleich

Geliebte Ziffernnoten… …oder wie schön es ist Dinge in Schubkästen bzw. auf einem eindimensionalen natürlichen Zahlenstrahl sortieren zu können. Die Logik von Schulnoten hat sich mir nie wirklich erschlossen, wie auch, deren Zustandekommen ist ja ein höchst intransparenter Prozess. Das Problem ist aus meiner Sicht, dass die komplexe Vieldimensionalität der Bewertungskriterien für ein Lebewesen (selten dessen Leistungen) das dort „bewertet“ (dem also ein Wert zugeschrieben wird) werden soll auf eine schön einfache Eindimensionalität abgebildet wird. Dabei steht man mathematisch vor dem Problem, dass letztlich eine Gewichtung der Dimensionen die „bewertet“ werden erfolgen muss. Es muss also eine Transformationsregel existieren z.B. eine Einheit Kreativität ist soviel wert wie zwei Einheiten Fleiß. Was also der Grundschüler in Mathematik so ziemlich als erstes lernt, nämlich, dass man Äpfel nicht mit Birnen zusammenwerfen kann, genau das wird mit der Ziffernnote gemacht. Mathematisch/statistisch korrekt spricht man dann allerdings fairerweise von einem Indikator. Hier gibt es eine schöne Übersicht der Fehlerquellen dieses Indikators und zur Leistung insgesamt.

Wie schlecht dieser Indikator tatsächlich funktioniert, das hat Herr Brügelmann (Arbeitsgruppe Primarstufe, der Uni Siegen) nun einmal mehr untersucht (und davor Herr R. Ulshöfer und davor Herr G. Schröter und davor Finlayson, Eells, Osnes, Baurmann, Coffman, Starch/Elliot, Weiss, Carter, Hadley, Ingenkamp, Hartog/Rhodes, Kvale, Moeller, Birkel, …). Und das Ergebnis? „Die Zeit“ schreibt „Schlechte Zensur für Noten“ – das erinnert an das Paradoxon einen Kretaer zu fragen, ob es stimmt das alle Kretaer lügen – dumme Zeit!

Herr Brügelmann jedenfalls hat seine Ergebnisse ganz frisch in einer Kurzfassung eines Notengutachtens zusammengestellt. Die Langfassung kann seit dem 13. Juni beim Grundschulverband bestellt werden, der das Gutachten beschreibt mit den Worten: „Ziffernzensuren und ihre Alternativen im empirischen Vergleich. Eine Wissenschaftliche Expertise des Grundschulverbandes.“

Fazit:
Wer an Ziffernnoten festhalten will, weil sie angeblich objektiv und vergleichbar seien bzw. erforderlich, damit SchülerInnen sich auf die Anstrengungen des Lernens einlassen, findet in der Empirie keine stützenden Belege für seine Position.

Update 19.2.2007
Gabi Reinmann hat einen weiteren Beitrag mit dem Titel „Die Panik geht um: Benoten wir zu gut?“ erstellt. In Ihrem Text kritisiert die Hochschullehrerin die Situation wie folgt:

Wir denken ja fast nur noch in der Kategorie „assessment of learning“ (vor allem seit Bologna) und setzen damit die Tradition der Schule fort, die in den meisten Fällen nicht daran interessiert ist, was Schüler können, sondern was sie nicht können, und wo sie Fehler machen.

Sie verbindet die angeblich zu guten Noten eher mit einer Entwicklung, die begrüßenswert erscheint, nämlich der Verweigerung der Schullogik von Notenvergabe zu folgen – die wenig positive Eigenschaften hat, Schüler erfolgreich bis zum Lernziel zu führen – und stattdessen ein zukunftsfähiges, zielorientiertes „assessment for learning“ zu betreiben:

Ich behaupte einmal, dass zumindest bei einem Teil der Disziplinen und Fächer, die man jetzt an den Pranger stellt wegen ihrer angeblich zu guten Noten, unter Umständen dieser Grund vorliegt, nämlich dass Hochschullehrer nicht gewillt sind, die Schullogik der Leistungserfassung weiter fortzusetzen, dass sie lieber ein „assessment for learning“ praktizieren.

Update 29.6.2007
Das Thema Noten ist doch immer wieder für eine riesige Schlagzeile zu gebrauchen, das dürften auch die großen Medienverlage wissen. Wer benotet ist in der Machtausübenden Funktion, und dieses bislang einseitige Verhältnis aufzuheben, ist www.spickmich.de angetreten umzusetzen.
Und sofort hat es wieder einmal „Booom“ (Spiegel Online) gemacht in Sachen Noten: www.spickmich.de ist als Plattform zur Bewertung von Lehrern angetreten, und… wie sollte es auch anders sein, die Lehrer schicken die Rechtsanwälte (Beleg als PDF). Ein Machtaffront gegen ein Machtmonopol, so werden es wohl viele Lehrer sehen. (Ich frage mich wie es wohl die angehenden Lehreramtsstudierenden der Uni Bremen sehen, ich werde sie demnächst mal fragen!)

Ich glaube diese Denke werde ich jedenfalls nie verstehen, wenn jemand mir ein Feedback gibt, den Rechtsanwalt zu schicken ist eine höchst fragwürdige Vorbildfunktion. Vielleicht prozessieren deshalb soviele Schüler und Eltern um ihre Abiturnoten gegen Lehrer. Wie dem auch sei, anstatt sich mit Feedback auseinanderzusetzen, werden die Schutzschilde hochgefahren und selbst Schulleiter sind sich nicht zu schade, ihre eigene Macht zu missbrauchen, um in Lautsprecherdurchsagen vor www.spickmich.de zu warnen (wobei das wohl de facto eher als Werbung nach hinten losgegangen sein dürfte).

Statt zu prozessieren, sollte die Schule sich vielleicht einmal die Benotungsfunktion von spickmich.de genauer ansehen. Denn vor allem eines ist bemerkenswert: Die Noten bei spickmich.de beheben ein Defizit, das Schulnoten seit Jahrhunderten haben! Die Noten bei spickmich.de bewerten klar und aussagekräftig EIN EINZIGES Kriterium, z.B. „Menschlichkeit“, „Unterrichtsqualität“, „Kreativität“, „Prüfungsgebahren“ usw. Die GESAMTNOTE wird nur angegeben, als rechnerischer Index zur groben Orientierung, weil der Computer die Daten eben leicht zu einem arithmetischen Mittelwert berechnen kann, aber interessant für die Schüler UND die Lehrer sind die Einzelausprägungen der Bewertungsmerkmale und nicht die Gesamtnote.

Hier wird von Schülerseite eine erstklassige Innovation in dem Benotungsinstrument vorgestellt und das Einzige was deutschen Schulen dazu einfällt ist es gegen die Innovation mit dem Rechtsanwalt vorzugehen. Ich kann dazu nur ganz persönlich sagen, das Lehrer und Schulleitungen die das tun, sich damit vor allem eines geben: Ein eloquent selbstausgestelltes Armutszeugnis!

Um es nocheinmal deutlich und mit Nachdruck zu sagen:
Ich finde was spickmich.de aufgebaut hat klasse. :-D
Ich finde es nicht nur klasse, sondern auch notwendig, denn ohne Druck von Aussen geht es ja scheinbar nicht. Die nächste „Geschäftsidee“ wäre aus meiner Sicht, dass die Schüler sich in einer Plattform gegenseitig ebenfalls Noten geben können. So könnte durch die Kollektive Bewertung bei der jeder Schüler einer 25-köpfigen Klasse 24 Bewertungen erstellt, eine wesentlich breitere Bewertungsbasis entstehen, die aufgrund des viel höheren N ganz anderen Kriterien genügt.

Update 10.8.2008
Warum Zensuren (engl. Grades) das Lernen negativ beeinflussen hat ein Beitrag aus den USA belegt: Alfie Kohn schreibt in seinem Beitrag „From Degrading to De-Grading“ im HIGH SCHOOL MAGAZINE darüber. Das Bamboo-Projekt greift das auf und schreibt „De-Grading the Workplace“, denn das gleiche gilt für den Beruf. Zitat:

  • Grades tend to reduce student interest in learning.
  • Grades tend to reduce students‘ preferences for engaging in challenging tasks.
  • Grades tend to reduce the quality of students‘ thinking.

Stoff zum Nachdenken!!

Update 7.2.2009
Ohhh, hier kommt einer perfekte Ergänzung meines Beitrags. Ein weiterer Baustein der Argumentation gegen die derzeitige Benotungspraxis. Im Weblog shift schreibt die Bloggering Lisa Rosa in dem Beitrag „Der Fall Czerny und die schulische Notengebung“ wie die bayrische Grundschullehrerin Sabine Czerny disziplinarische Maßnahmen zu spüren bekommen hat, weil sie Noten an die Schüler vergeben hat, die nicht der Normalverteilung entsprachen. Die berliner Tageszeitung TAZ hat über diese Disziplinierung einer bayrischen Lehrerin berichtet (Artikel 1, Artikel 2). Da das ganze in München stattfand, ist das für mich Anlass genug, dieses Posting auch in die Kategorie München mit aufzunehmen. Weitere Hintergrundinfos zu diesem Ereignis gibt es in einem Beitrag „Abgestrafte Lehrerin: Zu gut für dieses Schulsystem?“.

Update Freitag der 13.2.2008
Offenbar ein schlechter Tag für spickmich.de, denn der Verband Bildung und Erziehung hat spickmich abgestraft heute.

„Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) sieht in dieser Website den lehrerpolitischen Dauer-Tiefschläger des Jahres 2008“

090212nasser_schwamm_name_klein_01Womit die Pauker ja mal wieder bewiesen hätten, dass Bewertung nur in eine Richtung genehm ist, vom Lehrer zum Schüler. Umgekehrt ist es natürlich Schikane, klar. Statt sich den Realitäten neuer Transparenz zu stellen, denken die Lehrer immer noch, sie könnten im Verborgenen agieren im Raumschiff Schule. Vielleicht sollte spickmich.de im Gegenzug einfach den den „Nassen Sack“ verleihen. Ich weiß sowieso nicht, was Negativ-Auszeichnungen Konstruktives bewirken sollten. Es war klar, dass gerade aus dem Erziehungsbereich mal wieder eine Negativauszeichnung kommt. Defizite aufzeigen und auf andere mit dem Finger zeigen, das ist ja auch viel einfacher als die guten Dinge zu loben. Mal wieder ein eloquent ausgestelltes Urteil über den VBE selbst. Wer bewertet verrät mindestens soviel über sich selbst, wie über den Bewerteten. Gratulation dem VBE für das nicht Einstecken können aber nur Austeilen können.

Why do I blog this? Ich interessiere mich für Gesetzmäßigkeiten. Da bei Schulnoten mit schöner Regelmässigkeit eine Normalverteilung heraus kommt, fragt man sich doch zwangsläufig warum? Ist das ein Naturgesetz? Kann ja eigentlich nicht sein, denn es ist etwas Kulturelles was der Mensch selbst erschaffen hat. Eigentlich kann es ja zudem nicht sein, dass jede Klasse eine ideale Stichprobe für die Gesamtheit der Schüler in den Schulen darstellt (zumal die Notenvergabeverfahren ebenfalls in der Lehrerschaft einer Unregelmäßigkeit unterligen müssten, also zwei Unregelmässigkeiten zusammentreffen müssten und damit noch unregelmäßigere Ergebnisse erzeugen sollten). Das zumindest sagt mir mein normaler Menschenverstand. Ich würde eher extrem links- und rechtsschiefe Verteilungen erwarten. Mein Vorschlag wäre (angeleht an das Pareto-Optimalitätsprinzip) zwei Indikatoren gleichzeitig durchgängig für die gesamte Schulzeit zu haben. Das würde bedeuten einen neuen komplementären Indikator einzuführen oder besser nur ein solitäres Bewertungskriterium durchgängig mitzuführen – quasi die Doppelnote. Am Besten wäre es wenn diese Bewertung durch Peer-Bewertung der Schüler unter sich zustande käme. Dann hätte man eine weitere wichtige Dimension und eine Vergleichbarkeit zwischen Schüler- und Lehrereinschätzung hinzugewonnen. Das würde die Situation nach meiner Ansicht schon um 80% verbessern.

20 Gedanken zu „Ziffernzensuren und ihre Alternativen im empirischen Vergleich“

  1. Ich habe das „Notengutachten“ zwar noch nicht gelesen, aber vielleicht schon mal vorneweg ein kleiner Hinweis, dass Bewertungen – zumindest an der Hochschule – durchaus in die hier beschriebene Richtung mit verschiedenen Dimensionen und Gewichtungen gehen können:

    Seit fünf Jahren biete ich eine sog. semivirtuelle Vorelsung an, in der insgesamt in der Regel an die 80 Studierenden fünf problemorientierte Aufgaben in Form von selbst erklärenden PowerPonit-Präsentaionen bearbeiten müssen. Da wir einen Medienstudiengang haben, sollen diese Präsentationen auch gestalterisch etwas hergeben. Ich bewerte jede dieser Gruppenlösungen (also zwischen 15 und 20 bei jeder Aufgabe) mit einem verbalen Kurzkommentar und Punkten auf den Dimensionen:
    1. Inhalltiche Richtigkeit,
    2. Argumentationsstruktur,
    3. Originalität (im Sinne von Einbezug neuer Quellen und eigener Gedanken),
    4. Passung zur Aufgabe und
    5. Gestaltung (s. o.).

    Die ersten beiden Kriterien werden doppelt bewertet, denn Inhalte stehen nach wie vor im Mittelpunkt. Für jede Dimension gibt es 0 bis 4 Punkte; am Schluss wird alles zsuammengezählt und es gibt einen Notenschlüssel.

    Das klappt gut, die Studierenden können ihre Note nachvollziehen, können sich im Laufe des Semesters verbessern und sehen, wo sie Schwächen und Stärken haben. Einziger Nachteil: Es ist sehr viel Abeit für mich; ein Bewertungsdurchgang pro Aufgabe kostet mich einen ganzen Tag. An Tutoren kann ich solche komplexen Bewertungsverfahren nicht weitergeben.

    Soweit von mir. :-)

    Gabi

  2. @Gabi Reinmann: Danke für den Eintrag. Ich denke, das virtuelle oder teil-virtuelle Veranstaltungen geradezu dazu prädestiniert sind. Denn einerseits ist durch die Nutzung digitaler Dokumente schoneinmal sichergestellt, dass jeder andere Teilnehmer ein Kopie des Dokuments bekommen bzw. gleichzeitig Zugang zu den Arbeitsinhalten und Ergebnissen bekommen kann. Das ist aus meiner Sicht eine Grundvoraussetzung für z.B. Peer-Bewertungen.

    Ich finde die 5 beispielhaft aufgeführten Dimensionen machen schon sehr deutlich, was an wichtiger Information für die Studierenden wegfallen würde, wenn man sie auf einen numerischen Indikator Verkürzen würde.

    In der Hochschule werden an einigen Stellen solche Bewertungsverfahren angewandt, zumindest bei dem Gutachten meiner Diplomarbeit wurde ebenfalls eine mehrdimensionale Bewertung erstellt.

    Ich denke elementar ist, dass die Teilnehmer *vorher* über die Kriterien bescheid wissen. Denn erst dann kann eine Leistung ja an den Kriterien überhaupt ausgerichtet werden.

    Meine Idee für die Schule ist eher ein realistischer Kompromiss, weil ich mir ziemlich sicher bin, das man Noten nicht abschaffen wird (das ist ähnlich wie mit Gesetzen der Regierung). Daher kann man Defizite im System realistischer Weise eigentlich nur durch Ergänzungen versuchen abzuschwächen.

    Mich würden Bewertungen & Kritik zu meiner Idee einer komplementären Schulnote als Ergänzung zur bestehenden interessieren. Ich denke, wenn man auch nur eine einzige Dimension z.B. „Beitrag für das Fortkommen der Klasse“ als Bewertungsoption für alle Schüler ergänzend einführen würde, hätte man ein wunderbares Korrektiv und eine echte „Noteninnovation“ geschaffen. Natürlich sind beliebige andere Kriterien/Dimensionen denkbar, spannend wäre es DEN einen zu finden, der uns in die gewünschte Richtung führt.

    Was mir bei der Idee vor allem wichtig ist:
    Dadruch das die Schüler dannn gezwungen sind zu bewerten, wird eine Reflektion über die eigenen Leistungen institutionell verankert. Ich denke, dass dies nachhaltig die Lernenden zu nachhaltigeren Lerneffekten führen könnte, weil z.B. überlegter und kontextangemessener im Klassenraum agiert wird und vor allem Bewertungen und Ihre Ziele viel transparenter werden.

  3. Handelt man sich mit einer „komplementären Schulnote“ nicht wieder dasselbe Problem in „grün“ ein? Die Logik des Korrektivs ist zwar interessant und in gewisser Weise verlockend, aber wenn man im selben Notensystem bleibt, nimmt man auch diesselben Fallstricke mit. Also da bin ich grundsätzlich skeptisch. In der Hochschule beschränke ich ich mit meinen kurz dargestellten Bemühen auf die üblichen, aber eben erweiterten und vor allem VORHER transparent gemachten Leistungskriterien. Zur Förderung sozialer und anderer überfachlicher Kompetenzen versuchen wir es mit einem Begleitstudium (siehe: http://medienpaedagogik.phil.uni-augsburg.de/downloads/begleitstudium/Begleitstudium_Flyer.pdf). Ähnliche, aber noch stärker institutionalisierte Wege geht man in St. Gallen.

    Was die Schule betrifft: Kann ich alles unterstreichen, was du schreibst (ich verzichte mal in dieser Kommunikationsform auf das „Sie“), aber ich bezweifle den Erfolg unter der Logik der Notengebung. Vielleicht sollte man schlichtweg das Sitzenbleiben abschaffen, um Ziele wie Selbstreflexion und gemeinsame Verantwortung überhaupt ernsthaft fördern zu können.

    Gabi

  4. @Gabi: „Du“ ist völlig okay. :-)
    Ich nutze mal eine Metapher um meine Idee etwas deutlicher zu machen:
    Der Unterschied den eine komplementäre Note machen soll, liegt darin, das diese eben ausnahmsweise kein Indikator ist, sondern tatsächllich exakt eine Sache/Dimension bewertet. Keine Mischung von z.B. (mündliche Note, schriftliche Note und den Unterdimensionen wie z.B. Fleiß, Betragen, Kerativität, Sorgfalt usw.). Das bedeutet ich habe einen Wert der ganz konkret seinen reinen Informationswert behält.

    Wenn ich 60 Äpfel mit 40 Birnen in eine grosse Schüssel gebe, dann kannn ich schlicht nicht feststellen, welche Sorte in welchem Masse zu dem Füllstand der Schüssel beiträgt, dafür müsste ich die beiden Sorten wieder trennen. (Mal die Gewichtung ganz Aussen vor gelassen)

    Deshalb macht es aus meiner Sicht nur Sinn, eine weitere Schüssel z.B. nur mit Zitronen bereitzustellen, neben der bisherigen Schüssel, die so ziemlich alle Obstsorten der Welt beinhaltet.

    Beim bisherigen verfahren kann man zwar feststellen, wer das meiste Obst hat, aber mehr auch nicht. Niemand weiss, ob er einen erfolgreichen Orangen-Anbauer im Vorstellungsgespräch sitzen hat, oder einen erfolgreichen „Kirschen-Züchter“. ;-)

    Macht es das etwas deutlicher?

  5. Analoge Kommunkation ist doch was Schönes, oder? Ja, ich habs schon verstanden. Meine offenen Fragen aber werden sich wohl erst klären, wenns konkret um das Verfahren selbst und dessen Implementation in der Bildungspraxis geht. :-)

  6. Pingback: Randnotizen
  7. @Karsten: Ich denke, es hängt schlicht auch damit zusammen, was man unter dem Begriff „gelernt“ versteht. Jemand der da eine andere Perspektive anbietet ist für mich Etienne Wenger, weil er das „Lernen“ wieder vom Individuum her und seiner Identität betrachtet. Also das glatte Gegenteil von unserer althergebrachten Schulvorstellung „alles gleichmachen“ zu wollen und alle Schüler mit gleichem Maß (Schulnoten) zu „vermessen“. Auf der e-portfolio-Konferenz hat Wenger einige Interviews gegeben, die ganz interessant sind.

    Mir gefällt vor allem sein Ansatz, dass man die eigene Identität einbringen können muss, bzw. das „Lernen“ als Veränderungsprozess der eigenen Identität gesehen und erfahren werden kann. Ein quasi kontinuierlicher Identitätsveränderungsprozess, der durch Kompetenzen und Erfahrungen geprägt wird.

    Dabei ist es dann wichtig, dass die eigene Identität von mir und anderen wahrgenommen wird. Das widerum finde ich auch spannend für das e-Learning, denn dort ist es mit der Identität und deren Wahrnehmung so eine Sache (Ich sag nur: On the Internet nobody knows you are a dog.). Wenn Identität aber so eine wichtige Sache ist für das Lernen, und vor allem das gemeinsame Lernen, dann gibt es da offenbar ein echtes Problem im e-Learning. Denn, einerseits ist das Identitätskonstrukt oder die Abbildung von Identität offenbar defizitär („Beeing a dog on the net.“) andererseits aber auch die „Presence“ und „Visibility“ von Identität („Not knowing if on the other end of the line there is SOME dog at all.“).

  8. Hallo an alle,
    Interessante Diskussion, die noch durch den Zeit-Artikel („Kinder wollen Noten“) unterstützt werden kann. Zwar nicht wirklich „wissenschaftlich“ zum Hintergrund der Notengebung, er zeichnet aber ein Bild der Sicht der Kinder auf Noten (in dem man sich wirklich zum Teil wiederfinden kann ;-) )
    Ein Ausschnitt aus dem Artikel: „Die Notengegner möchten dieses Dilemma mit »Wortgutachten« und »Lernberichten« auflösen. Man verspricht »Leistungsfeststellung ohne Schrecken« durch Lese-Ausweis, Forscherdiplom, Mathe-Pass, Einmaleins-Ausweis, Lerntagebuch und ähnliche Formen notenfreier Beurteilung. Solche Instrumente können sicher in Grenzen sinnvoll sein. Aber sie sind kein Ersatz für ein aussagefähiges Zeugnis, das dem Schüler den Übergang von einer Schule zur nächsten und schließlich aus der Welt der Schule ins wirkliche Leben ermöglicht. Es ist sicher gut gemeint, wenn man mit solchen Bewertungsmethoden, die das Urteil verschleiern, den Vergleichs- und Selektionsdruck aus der Schule zu nehmen versucht. Wer aber jemals Grundschüler beobachtet hat, wie sie ihre Wortzeugnisse vergleichen, wird das für vergebliche Mühe halten. Die Schüler werden nämlich mit der Zeit ziemlich gut darin, sich jene Formeln, mit denen die Lehrer sie beschreiben, in Noten rückzuübersetzen. Sie wissen nach einer Weile genau, welche Formulierung einer Eins, einer Drei, einer Fünf entspricht.
    Warum sind so viele Schüler und Eltern mit den Wortzeugnissen nicht zufrieden? Es liegt eine Aura der Unehrlichkeit und Ängstlichkeit selbst noch über den gelungeneren Exemplaren. Das ist nicht die Schuld der Lehrer. Der Fehler steckt im System. Wenn aber das Zeugnis prinzipiell eine angenehme Botschaft haben soll, damit es die »positive Beziehung« zwischen Schüler und Lehrer verstärkt, dann ist eine ehrliche Darstellung der Defizite nahezu unmöglich. Die meisten Lehrer halten die Zeugnisse absichtlich im Ungefähren und Formelhaften. Es wäre im Übrigen auch viel zu hart, ausführlich und detailreich das Unerfreuliche in einem Zeugnis auszubreiten. Details zum unerwünschten Sozialverhalten von Schülern, aber auch zu erfreulichen Entwicklungen, gehören in ein vertrauensvolles Gespräch, nicht in ein Dokument, das einen Menschen ein Leben lang begleitet. Man sollte einmal darüber nachdenken, ob die zu Recht beklagte Undurchlässigkeit des deutschen Schulsystems durch Wortzeugnisse nicht noch verstärkt würde: Gegen ungerechte Noten kann man protestieren, gegen ein – jedenfalls dem Anspruch nach – gewissenhaftes und individuelles Berichtszeugnis nicht. Eine Fünf in Musik ist dazu da, revidiert zu werden. Die Aussage, »im musischen Bereich lässt Jörg es an Einfühlsamkeit fehlen«, wirkt wie ein Urteil über einen Charakterzug.“
    Quelle: http://www.zeit.de/2006/27/Titel-Schulnoten-27

  9. @Mandy: Danke für den Hinweis, das passt ja super! Der Zeit-Artikel „Kinder wollen Noten“ liest sich wie der Versuch einer Entgegnung auf die Brügelmann’schen Erkenntnisse. Die Tatsache das die Noten keiner Objektivität genügen (siehe Noten-Streuung) und ein Indikator sind der wichtige unterschiedliche Informationen durcheinanderwirft wird dadurch aber nicht angegriffen.

    Eine Forderung nach Text-Baustein-Zeugnissen kann ja gar keine Lösung sein. Denn das Grundproblem der wilden Dimensionsvermischung zu einem Indikator und der Bewertung anhand intransparenter Kriterien bleibt ja auch dabei bestehen, es wäre bloss anders verpackt. Die Verpackung ändert den Inhalt nicht. (Das wäre by-the-way ein passender Titel für eine Replik auf den Artikel)

    Beim Zeugnis der Arbeitswelt gibt es ja die Zeugnisgeneratoren und die Literatur zur Dekodierung und Enkodierung sowie Bewertungshilfen seit langer Zeit. Was jedoch aus meiner Sicht in dem Artikel vergessen wird ist, dass die Arbeitszeugnisse im Berufsleben durch die verschiedenen Dimensionen die dort bewertet werden TATSÄCHLICH eine Vieldimensionalität haben, die Schulzeugnisse ganz einfach vermissen lassen.

    Der Autor des Artikels regt sich nach meiner Ansicht über die Verpackung der Bewertung (hier: Textbausteine statt Noten) für seine Kinder auf, dabei ist es der Inhalt und dessen Prozess der Entstehung (Dimensions-, Indikator- und Transparenzproblem) der im Argen liegt. Eine Eindimensionalität ob nun als Text oder in Zahlen verpackt bleibt ein Problem.

    Wirklich lesenswerter Artikel. Würde ich mir noch mehr Zeit nehmen, würde ich die Schwächen des Artikels noch deutlicher aufzeigen können, aber ich denke dass man auch so schon erkennt, das der „Angriff“ unter der Parole „Kinder wollen Noten“ irgendwie ins Leere geht, dabei liegt in der Behauptung „Kinder wollen Noten“ vermutlich tatsächlich ein konstruktiver Vorschlag zur Lösung des Problems: Der Wunsch nach „Information“, die Kinder und Eltern offenbar nicht oder nicht genügend bekommen.

    Mich hat nie die Note AN SICH interessiert, sondern in erster Linie das WARUM! Ich wollte wissen WARUM! Und das lag wohl daran, dass die Transparenz nicht existierte. Wenn es die gäbe würde ja auch die Streuung bei den Benotungsversuchen gleicher Arbeiten durch verschiedene Lehrer garantiert zurückgehen. In dem Artikel wird von dem Mathegenie „Toporowski“ gesprochen, GENAU DAS ist die Information, die nicht in der Note geliefert wird: „Mathegenie!“ ist die Information, die eine Einordnung der Note „1“ erst möglich macht. Man könnte auch sagen keine „1“ ist wie die andere! Derzeit jedoch ist eine „1“ eine „1“ eine „1“. Die Einheits-„1“, egal ob als Text oder Note verpackt.

    Das Information über eine Leistung demotiviert kann ich nicht wirklich nachvollziehen (Kann sein dass man niedergeschlagen oder überrascht ist, weil die Erwartung nicht mit dem Ergebnis übereinstimmt, dann sollte man vielleicht prüfen auf welcher Grundlage man seine Erwartungen aufgebaut hatte!). Hauptgrund für Demotivation ist meiner Ansicht nach „Nicht-ernst-nehmen“. Wer also seinen Schülern die Bewertungsgrundlagen für die Leistung vorenthält und damit das Zustandekommen der Bewertung unzugänglich und nicht nachvollziehbar gestaltet, der „nimmt sein Gegenüber nicht ernst“. Aber das Thema Motivation ist eh ’ne eigene Baustelle würde ich sagen.

    Auch ganz interessant ergänzend zu lesen: matthiasheil.de (Gymnasiallehrer) und seine Ideen dazu.

  10. „Hauptgrund für Demotivation ist meiner Ansicht nach “Nicht-ernst-nehmen”. Wer also seinen Schülern die Bewertungsgrundlagen für die Leistung vorenthält und damit das Zustandekommen der Bewertung unzugänglich und nicht nachvollziehbar gestaltet, der “nimmt sein Gegenüber nicht ernst”.“

    Da muss ich dir ganz und gar zustimmen. Viele Lehrer (zumindest in meiner Schulzeit) machen die Bewertungskriterien nicht wirklich transparent. Ein Kollege von mir setzt rubrics als Bewertungskriterien ein, d.h. die Studierenden bekommen von vornherein ein Raster, das zeigt, welche Leistungen sie für welche Note erbringen müssen. Nun kann sich der Lerner selbst entscheiden, wieviel Motivation und Aufwand er in die Bearbeitung der Aufgaben steckt. Zum zweiten hat er direkt Einsicht, was benotet wird. Das wäre manchmal auch für die Schule sinnvoll. ;-)

  11. Ich habe gerade eben einen Hinweis per e-Mail erhalten, das es bei TELEPOLIS seit gestern ganz frisch einen weiteren Beitrag gibt zu diesem Thema gibt unter dem Titel „Brauchen Kinder Noten? – Neuauflage einer Grundsatzdiskussion„. Für ein Sommerloch-Thema ist die Diskussion sicher nicht so gut geeignet, denn Sommerlöcher tragen selten Konstruktives bei zu einem Thema, oft höchstens Erheiterndes. Zwar können wir in Deutschland ja immer Erheiterndes gebrauchen (daran besteht chronischer Mangel), aber mehr noch mangelt es oft an Konstruktivem. Das Thema also schnell zu den Akten zu legen und abheften unter dem Label „Grundsatzdiskussion Nummer 127“ finde ich unpassend.

    Warum soll man nicht einfach offen weiter Ideen darüber austauschen und im Austausch neue Konzepte in die Diskussion bringen, Ergebnisse der neuen Konzepte austauschen und so Stück für Stück Neues ausprobieren?

    Innovation funktioniert nach meinem Verständnis nicht wie eine Grundsatzdiskussion. Dann wären die Gebrüder Wright vermutlich nie abgehoben. Stattdessen haben die gesagt „Egal, ob es neu ist, egal ob es Risiken hat, wir wagen es einfach mal!“. Das Ergebnis dieses Innovationsmutes ist einer der größten Wirtschaftszweige der Welt, die Luftfahrt.

    Wilbur Wright hatte den Grundsatz:

    „Wenn man vollkommene Sicherheit will, tut man gut daran, sich an ein Fenster zu setzten und die Vögel zu beobachten – wenn man aber wirklich etwas lernen will, muss man einen Flugapparat besteigen und sich durch praktische Versuche mit seinen Eigenheiten vertraut machen.“

    Ich schätze mich auf dem Gebiet der „Schulnoten“ nicht als Experte ein. Natürlicher Menschenverstand bringt mich dazu mir einige Fragen zu stellen, und 13jähriges Erfahrungswissen als „Kunde“ bzw. „Schüler“, der Noten entgegengenommmen hat. Ich denke aber, dass ich nicht zu denen gehöre, die am Fenster sitzen, um Vögel zu beobachten… höchsten in einem Ornithologie-Wochenendkurs für Anfänger.

  12. @Hans Brügelmann: Offenbar ist Ihre Streitschrift-Replik „Misstraut allen Noten!“, Ihre Replik „Die EU-Kultusminister warnen: Noten können die Entwicklung ihrer Kinder gefähhrden!“ bei der ZEIT erreichbar, sowie die Kommentare dazu als PDF im Netz auffindbar. Ich verlinke diese daher einfach mal hier. Danke für Ihren Beitrag. Mir gefällt vor allem der Satz „In der Note verdunstet die Vielfalt des individuellen Leistungsspektrums“.

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