Die Benutzerillusion der Welt

In einem Beitrag von 1998 beschreibt Norbert Bolz (Fachgebiet Medienwissenschaften an der TU Berlin) super, was für ein Problem wir mit den derzeitigen Computern haben. Ein Wort wie „Benutzeroberfläche“ hätte einen ja schon stutzig machen müssen, hat es aber nicht. In seinem Artikel „Die Benutzerillusion der Welt – Zur Bedeutung des Designs für Wirtschaft und Gesellschaft im Zeitalter des Computers“ schreibt Bolz von tiefenlosen Oberflächen, die uns wieder lehren den Sinnen zu trauen. Er zitiert den folgenden Satz von Michel Spindler (ehemaliger Apple Chef): „Wir brauchen grafische Interfaces, die nicht nur benutzerfreundlich sind, sondern die süchtig machen, wie Drogen eben.“

Da ich gerade an einer ebensolchen Komponente einer Benutzeroberfläche für meine Dissertation arbeite, hab ich das mit Interesse gelesen. Bolz behauptet meiner Ansicht nach zurecht „Gnädig verbirgt uns die Benutzeroberfläche die logische Tiefe der Geräte.“ und genau das ist heute oft das Problem. Denn die Benutzer „verstehen“ Ihre Software nicht, bzw. die logische Tiefe der Software bleibt Ihnen verschlossen. Das führt zu Problemen bei der Bedienung z.B. bei MSWord. Wer nicht versteht, dass Word oder andere Textverarbeitungen verschiedene Textarten unterscheiden (Überschrift, Textkörper, usw.) der wird z.B. nie die automatischen Funktionen zur Inhaltsverzeichniserstellung nutzen können.

Zu Bolz’s Behauptung „Moderne Kulturen können nur funktionieren, wenn es die Menschen ’so genau‘ gar nicht wissen wollen und sich damit begnügen, die Schlußfolgerungen aus schon Gedachtem zu ziehen.“ würde ich jedoch gerne andere Meinungen hören. Ich glaub nicht, das es ohne ein gewisses Minimum an Verständnis für die Dinge die wir nutzen geht. Warum z.B. fühlen sich manche Menschen im Flugzeug unwohl wenn es wackelt? Oft, weil sie nicht wissen, dass die Tragflächen zum wackeln konstruiert wurden und sich sehr flexibel verhalten müssen, da Sie sonst abbrächen. Wenn aber jemand wegen Flugangst nicht fliegen kann sehe ich das nicht als ein „erfolgreiches Funktionieren der modernen Kultur“.

Der Artikel gibt eine solche Menge an Fragen her, da müßte man glatt einen Diskussionsabend von machen. (via MediaMatic)

Why do I blog this? Ich bin mit ähnlichen Problemen bei dem Design einer Komponente einer Benutzeroberfläche konfrontiert. Wieviel zeigt man dem Benutzer, was muss man verbergen. Soll ich Transparenz über die Mathematik dahinter herstellen? Oder verwirre ich damit normale Geister? Einfache Bedienung bzw. reibungsloses Funktionieren ist offenbar nur zum Preis der Intransparenz zu haben, oder?

Label, Brand Recognition, Anker, mnemonic Code, Abkürzung, Schlagwort… Thetawelle.

So nun ist es doch passiert. Das Weblog hat ein Label bekommen, einen mnemonischen Code. Irgendwie ist es doch einfacher zu sagen „Das hab ich im weiterbildungsblog gelesen.“ als „Das hab ich in dem weblog vom Jochen Robes gelesen.“, ist irgendwie kürzer. Und ich hab mich jetzt entschlossen, dem Weblog ein Label zu verpassen. Es soll Thetawelle heißen.

Wieso ausgerechnet Thetawelle? Hmm, ist eigentlich sehr einfach, ich zitiere hier einmal aus der Webseite zu Hirnwellen und Bewusstsein: Als Thetawellen bezeichnet man in der Hirnforschung die Wellen des Unterbewussten. Sie kommen besonders im Traum (REM-Schlaf), in der Meditation, bei Gipfelerfahrungen und während kreativer Zustände vor. Im Theta-Bereich finden sich unsere unbewussten oder unterdrückten seelischen Anteile, aber auch unsere Kreativität und Spiritualität. Thetawellen allein bleiben unbewusst; erst wenn auch Alphawellen dazukommen, können wir ihre Inhalte bewusst wahrnehmen oder erinnern.

In diesem Sinne, soll mein blog eine Art Thetawelle im Netz sein. Erst wenn die anderen blogs dazukommen (Alphawellen und andere Thetawellen) wird der Diskussionsgegenstand bzw. der blog-Eintrag bewußter. Zugleich soll es kreativ sein und ein wenig so wie Alphawellen. Nun gut, ich hab ein Label! Über Kommentare dazu freu‘ ich mich natürlich. :-)

Tachometer der Webentwicklung: Web 3.0

drweb-button1Wenn es eine Konstante im Internet und in der IT gibt, dann die ständige, vor allem aber extrem schnelle Veränderung (siehe auch Moores Gesetz). Vermutlich sorgt zu einem Teil die bessere Vernetzung und der beschleunigte Austausch von Ideen und Reflexionen der Menschen für dieses Tempo. Früher konnten Ideen sich nur mühsam über die Medien ausbreiten und etablieren, das Netz ist schneller, viel schneller. Der Versionsnummernzähler, von Software – z.B. der Weblogsoftware WordPress – ist quasi der Tachometer der Webentwicklung geworden. Als Experiment habe ich dazu einmal eine kleine Delphi-Studie „light“ im stud.ip-System der Uni Bremen durchgeführt, und gefragt, was im Jahre 2020 Realität sein wird. Dabei haben von den 40 Teilnehmern 14 der folgenden Aussage zugestimmt: „Das Internet wird durch die direkte Vernetzung mit Häusern, Gegenständen und Menschen eine Art Bewußtsein erlangt haben.“ (vollständiges Delphi-Ergebnis anzeigen)

Schon jetzt kann eine Idee, die heute irgendwo auf der Welt im Netz entäußert wird, morgen im Zentrum der Aufmerksamkeit des gesamten Netzes stehen. Die Meldung über das Blackboard Patent hat das wieder sehr deutlich gemacht. Eine besonders anregende Vision für das Web von morgen (Anmerkung: Web 2.0 ist heute, Web 1.0 war gestern) also das Web 3.0 kann man bei Dr. Web nachlesen. Dort hat Alexander Endl unter dem Titel „Die Zukunft im Web 3.0 – Eine Vision“ vor allem eine schöne Zusammenfassung zum Web 2.0 also zum status quo geschrieben. Ein kurzer Test meines Weblog auf Web 2.0-Qualität mit dem web2.0_validator offenbarte mit dann auch die reine Wahrheit: 9 von 59 Punkten (immerhin ca. 15%), demnach bin ich wohl noch klar in Web 1.0 verhaftet, oder schlicht „von gestern“ – macht mir nix! ;-) (via irgendeine-kette-von-unerklärbaren-links)

Update 16.8.2006:
Was an Veränderung im Zuge der Internetentwicklung noch kommen könnte kann man vielleicht auf der Seite zur Dritten Welle nachlesen. Zur Erinnerung, „The Third Wave = The Information Revolution“. Hmmm, da gab es doch noch diesen Kondratieff, oder? Danach sind wir ja dann schon in Phase fünf (Informations- und Kommunikations-Technik-Kondratieff). und die Welt räselt schon über Phase sechs. Für alle die jetzt noch verwirrter sind als ohnehin schon lohnt sich vielleicht der 24minütige Film den Techcrunch.com bereitgestellt hat. Die Redakteure von techcrunch wussten offenbar auch nicht mehr weiter und haben einfach das schlauste gemacht was man tun kann: Die Leute – in dem Fall CEO’s von vermeintlichen Web2.0 Firmen – gefragt!

Hier gehts zum Film

Mein Web2.0-WrapUp des Films:
Web2.0 bedeutet den Abbau von Hürden für normale Benutzer, z.B. einfachere Bedienung. Es bedeutet, dass wir alle zu Produzenten von Inhalten werden, was die Frage aufwirft, was passiert mit angestammten Produzenten? Gute Geschichtenerzähler wird es jedenfalls weiterhin brauchen! Web2.0 dreht sich um die Menschen und nicht Technik, daher zählt AJAX oder Flex nicht(!) wirklich zu Web2.0. Web2.0 bedeutet die Menschen werden aktiver, denn die Zeit die früher mit TV vertan wurde wird jetzt z.B. für Weblogs eingesetzt. TV ist der Verlierer! Web2.0 ist keine „Bubble“, denn eine Bubble wäre es nur, wenn sinnlose Finanzierung über Börsengänge stattfände, das passiert aber nicht. Web2.0 ist das Web derjenigen, die nichts anderes kennen, die Net-Generation, die damit aufgewachsen ist. Web2.0 heisst auch, dass das Web durch den Firefox betrachtet wird oder etwaige Derivate des Firefox-Browsers. Anbieter entwickeln für Firefox und testen dann, ob es auch mit dem InternetExploder läuft. Web2.0 ist Geschwindigkeit, was früher „Word of Mouth“-propaganda genannt wurde ist jetzt „Word of the Net“-Propaganda (bzw. Viral Marketing) und die ist wesentlich schneller!!!

Update 17.8.2006:
Wem noch das passende Logo fehlt um auch endlich Web2.0 zu sein, dem sei der Web2.0-Logo-Generator empfohlen. Demnach müsste mein Blog eigentlich folgendes Logo tragen (via diestaendigereise.de):
Logo

Update 19.9.2006:
Michael Kerres hat eine schöne Übersicht vieler Web 2.0 Applikationen verlinkt.

Why do I blog this? Ich habe festgestellt, dass das Weblog zu führen recht anstrengend ist. Das impliziert ja das Wort „führen“ schon, es verlangt nach „Führung“, ohne gleitet es ab von der gedachten Spur, der es folgen soll. Daher frage ich mich schon irgendwie, was da als nächstes kommt mit Web 3.0. Ob es mich z.B. entlastet beim bloggen. Gefunden habe ich z.B. das Adhesive-Plugin durch den oben genannten Artikel. Was mich sehr skeptisch macht gegenüber Web 3.0 ist die Tatsache, das Studenten in meiner Veranstaltung nichteinmal vom Web 1.0 die Grundlagen wissen. Da gilt es wohl dringend Bodenhaftung zu bewahren! Wenn bei Studierenden schon so wenig Wissen über digitale Medien besteht, dürfte es im Rest der Bevölkerung vermutlich nicht viel besser aussehen.