Nonverbale Kommunikation: Chronemik

Bedingt durch meine Dr.-Arbeit (im April abgegeben) habe ich mich ja intensiv mit Proxemik beschäftigt. Doch Proxemik ist nur eine interessante Form der nicht-verbalen Kommunikation. Während man bei der Proxemik durch Distanzen und Distanzveränderungen kommuniziert, bezeichnet die Chronemik Kommunikation durch Zeitdistanz und Zeitdistanzveränderung. Chronemik beschreibt u.a. die Bedeutung der zeitlichen Dimension in der nonverbalen Kommunikation, die kulturellen, sozialen und psychologischen Aspekte der Zeit im zwischenmenschlichen Miteinander. Wie kann man sich das vorstellen?

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Zum Beispiel, wenn ich auf eine mit dem Handy empfangene SMS nicht sofort eine Antwort-SMS versende, dann kommuniziere ich bereits durch die verstrichene Zeit bis zur Antwort etwas. Ähnliches gilt für E-Mail, wenn ich auf eine E-Mail sofort antworte, bedeutet das meist, dass ich den Adressaten der E-Mail besondere Schätzung entgegenbringe. Eine Antwort nach 24 Stunden ist meist im Rahmen des Üblichen und wenn man erst nach einigen Tagen antwortet, muss man sich schon fast entschuldigen. Der wartende Adressat am anderen Ende der Leitung interpretiert die Wartezeit einfach irgendwie, ohne, dass man etwas dagegen tun kann. Kommunikation findet also statt, auch wenn man nichts tut. Gerade das Nichtstun kommuniziert dann etwas.

Chronemik ist von daher ein sehr interessantes Gebiet. Gerade durch die vielen neuen technischen Wege der Kommunikation gewinnt Chronemik an Bedeutung, denn ob ich nun in Skype, Twitter, AIM, in Seesmic mit Videobotschaften, in einem Diskussionsforum mit Text, im E-Mail-Client oder per iPhone kommuniziere, die verstrichene Antwortzeit wird von jedem Kommunikationspartner unausweichlich interpretiert. Weitere Interessante Aspekte zur non-verbalen Kommunikation und zur Chronemik gibt es z.B. hier.

So gesehen sind Proxemik und Chronemik eigentlich die idealen Partner nicht-verbaler Kommunikation. Während Proxemik „echte“ Raumdistanz thematisiert kümmert sich Chronemik um Zeitdistanz. Mit Raum + Zeit werden also alle vier Dimensionen (3 Raum + 1 Zeit) in puristischer Form für die Kommunikation thematisiert.

Update 26.5.2013
Thomas_Jerome_BruneauZur Chronemik gibt es einige interessante Veröffentlichungen, die oftmals rund um Kommunikationswissenschaften oder die Semiotik kreisen.

Eine Publikation die dazu sehr passend ist, ist Chronemics: The Study of Time in Human Interaction von Thomas (Tom) Jerome Bruneau (weitere Seite). Er ist leider 2012 verstorben. Ein Nachruf ist bei der Japan-U.S. Communication Association zu lesen.

Zum Thema Nonverbale Kommunikation hat Bruneau zwei klasse Abschnitte eines Businessbuches geschrieben: „Principles of Nonverbal Communication“ und „Types of Nonverbal Communication“, die ich beide für sehr lesenswert erachte.

Dank Andy Schmitz, der das Buch quasi befreit hat, ist es seit Dezember 2012 unter der Creative Commons by-nc-sa 3.0 lizensiert und darf damit weitergegeben werden. Der Herr Schmitz leistet eine ganz tolle Arbeit in Sachen Buchbefreiung mit seinem Book Archive 2012 (wobei da mehr dahinter steckt…). Diese Passion ist übrigens Aaron Swartz gewidmet, dem ich auch kürzlich einen Post im Gedenken widmete.

graph_sketchZudem hat Schmitz eine wirklich tolle Plotter Software/Webseite geschaffen namens Graph Sketch, mit der man z.B. mal eben eine oder mehrere Funktion(en) und ihren Kurvenverlauf plotten kann. Hier schreibt er selbst ein wenig mehr über die Software.

the_time_dimensionEin weiteres interessantes Buch scheint eine Zusammenstellung eines Schülers von Bruneau darzustellen. The Time dimension: an interdisciplinary guide von T. K. Das; einen vollen namen dieses Herren konnte ich nicht ausfindig machen. Sein Vor- und Nachname scheinen aus je einem Buchstaben zu bestehen, sein buch besteht offenbar aus deutlich mehr Zeichen.

Why do I blog this? Naheliegenderweise ist unsere nonverbale Kommunikation also auch durch die sogenannte Raumzeit und ihre schlichte Existenz bestimmt. Das Nachdenken über Raum und Zeit beschäftigt mich immer mal wieder vor allem in Bezug zur Proxemik und der Kommunikation hab ich festgestellt, dass sich Proxemik nicht ohne Zeitdimension beschreiben lässt. Andererseits lässt sich keine einzige Raumdistanz überwinden, ohne dafür Zeit zu benötigen. So kann man sich bereits „im Kleinen“ klar machen, das Raum und Zeit untrennbar miteinander verwoben sind, eben in der „Raumzeit“. Interessant wäre, ob es ähnlich der virtuellen Proxemik auch eine virtuelle Chronemik gibt. Da sich der zeitliche Kontext eigentlich nicht verändert in der Virtualität (einmal die globaln Zeitzonen außer Acht gelassen) ist virtuelle Chronemik vermutlich kein unbedingt zu unterscheidender Bereich.

Übrigens: Die Grafik ganz oben ist nicht wirklich stimmig zu dem, was ich damit sagen will, denn eigentlich müssten dort zwei Pfeile angezeigt werden und zwei Botschaften als Kreise, einer Richtung Paul und ein anderer mit anderer Farbe Richtung Linda. Bei Gelegenheit überarbeite ich das mal.

Signale der Kommunikation

jdonath.jpgIn meiner Dr.-Arbeit geht es zu einem großen Teil um Kommunikation im virtuellen Raum. Damit meine ich nicht in erster Linie Textchats oder Videokonferenzen. Vielmehr geht es mir um nicht-verbale Kommunikation, also alles was nicht mit Sprechen zu tun hat.

Proxemik ist ein spezieller Bereich nicht-verbaler Kommunikation der ebenso wie alle andere Kommunikation auf dem Austausch von Zeichen bzw. Signalen aufbaut. Karsten hat mich heute darauf hingewiesen, dass Judith Donath (Associate Professor am MIT Media Lab) dieses Jahr einen interessanten Vortrag über die Verlässlichkeit dieser Signale gehalten hat. Nach ein wenig Suchen habe ich den Vortrag „Signals, Truth, And Design“ (hier als Video angucken) von ihr bei den Google Tech Talks gefunden.

google_tech_talk.jpgDies war auch eine Herausforderung in meiner Arbeit: Kann man einem Kommunikationssignal trauen? Inwiefern ist die Botschaft die man in einem virtuellen Kontext erhält vertrauenswürdig und nicht gefälscht? Was wird eigentlich neben dem intendierten Signal noch an Information übertragen? Meine Vermutung geht in die Richtung, das sehr viel nicht intendierte Information übertragen wird (die demnach auch nicht-manipuliert ist), wenn Kommunikationssignale entstehen, darauf verweist Judith Donath auch in ihrem Vortrag.

Update 13.1.2008
Nicolas Nova kommt zu einem interessanten Schluss mit seinem Blogpost „Digital space behavior close to physical world proxemics“, er schreibt über eine Studie die mit einem SecondLife-Robot durchgeführt wurde, der den Raumgebrauch der SL-Nutzer aufzeichnet:

this study is interesting in terms of digital space usage

Schade nur, dass ich meine Ergebnisse der Dissertation noch nicht hier reinstellen kann, ich würde jedenfalls sehr gerne!!

Why do I blog this? Ich denke, dass auch nicht-verbale Kommunikation eine enorme Menge an Information „enthält“ (ich weiß nicht ob man von „enthalten“ sprechen kann, denn letztlich heißt es ja nur, das jeder aus einem Zeichen seine eigenen Bezüge herstellt.). Wenn man also nicht-verbale Kommunikation ermöglicht, müßte dies unweigerlich eine weitere Quelle für „intentional“ und „evidence signals“ sein.

Swarming mit „Eyebees“-beta

Proxemik ist meine Leidenschaft, und die virtuelle Proxemik ist mein Dr.-Arbeitsthema. Heute habe ich an der Arbeit geschrieben und den Teil über die Software Eyebees bearbeitet. Sicherheitshalber bin ich auf der Webseite (die vor kurzem offline gegangen ist) nochmal vorbeigesurft. Und eine Überraschung hat sich aufgetan: Eyebees gibt es wieder und zwar Web 2.0 konform als JavaScript-Widget.

Ab jetzt sehen meine Besucher also rechts auf der Seite die Beta von Eyebees (solange es keine größeren Nebenwirkungen gibt probiere ich das jetzt aus) und können so sogar mit anderen Besuchern über einen Chat in Kontakt treten, das nennt man dann „swarming“. Also nicht wundern, wenn ich demnächst auch mal auf den Chatbutton drücke. Ich würde mich freuen einen meiner Besucher mal im Chat abzufangen. :-D


Zeig mir das mal als Film, wie das geht! (QuickTime Movie)

Wer sich für den Hintergrund dieser Technologie interessiert, der kann auch die anderen beiden Beiträge von mir nochmal lesen, „Mensch im Web, wo bist Du?“ und „‚Lluna‘ ist jetzt ‚Zweitgeist'“.