Wie kann man 2.0 messen?

In der letzten Zeit habe ich mich immer mal wieder mit der Frage beschäftigt, „Was ist eigentlich 2.0“ und wie kann man das jemand anderem eigentlich erklären? Viele sagen oft „Das ist doch nur ein Buzzword“ und meinen damit Web 2.0, zurecht. Doch „2.0“ ist mehr als ein Buzzword, es ist eine neue Sicht, die Dinge zu sehen, eine neue Perspektive, ein Blickwinkel der auf Dinge acht gibt, die sonst nicht im Mittelpunkt stehen.

seesmic_meter.pngDoch was für Dinge sind das? Und wenn es sie nun tatsächlich gibt, wie kann ich 2.0 messen um den Skeptikern etwas Nachvollziehbares anzubieten? Diese Fragen haben mich beschäftigt und ich denke seit längerem über ein Modell bzw. ein konkretes Instrument nach, wie man das machen kann. Meine Bemühungen sind mittlerweile weiter vorangeschritten und ich denke, dass ich ein kleines Messinstrument habe, das funktionieren wird.

Getestet habe ich das Instrument bereits an einigen Diensten, die vermeintlich „2.0“ sind, darunter z.B. twitter.com, del.icio.us, mogulus.com, betterplace.org, youtube und weitere. Gestern habe ich mir erneut seesmic.com angeschaut (siehe nachfolgender Screenshot).

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Bildschirmfoto von seesmic, dem Diskussionsforum per Video

Was ist Seesmic? Man stelle sich ein Diskussionsforum vor. Und jetzt stelle man sich vor, statt Textbeiträge zu verfassen, wird ausschließlich über kleine Videobotschaften kommuniziert. Das ist seesmic. Ein Diskussionsforum nur per Video bzw. so eine Art Videoanrufbeantworter. Ein weiterer neuer Service, der im wesentlichen durch die Verbreitung von integrierten Videokameras (z.B. im MacBook, iMac usw.) die Verfügbarkeit einer neuen Softwareplattform (Adobe Flex) und einen neuen de facto Standard für Videoübertragungen (Flash Video Format und H.264) möglich wird. Auch für seesmic habe ich einmal testweise mein Instrument eingesetzt, im ersten prototypischen Vergleich anhand von vier 2.0-Kriterien (das fünfte ist derzeit noch in Arbeit), liegt seesmic hinter youtube, twitter und betterplace.

Update 18.5.2008
Die bislang vier Kriterien (plus das fünfte, das noch in Arbeit ist) für das Instrument zur 2.0-Messung werde ich einzeln und in loser Folge hier demnächst vorstellen. Spannend fände ich eine Diskussion darüber mit eventuellen Vorschlägen zur weiteren Verbesserung.

Hinweis:
Wer Lust hat, der kann gerne schon einmal ein paar Kandidaten von neuen Webdiensten oder Angeboten in den Kommentaren vorschlagen, die seiner Ansicht nach auf 2.0-Gehalt einmal geprüft werden sollten. Dann werde ich jeweils für das vorzustellende Kriterium einen der Vorschläge aussuchen und konkret hinsichtlich „2.0“-Gehalt bewerten.

we-logo.pngWhy do I blog this? Mein Messinstrument nimmt langsam konkrete Formen an. Derzeit überlege ich, wo ich es eventuell dauerhaft zum Einsatz bringen und veröffentlichen kann. Vielleicht ergbit sich eine Möglichkeit in einem demnächst neu erscheinenden Magazin, dem WE-Magazin, für das ich u.a. als WE-Co-Blogger aktiv sein werde.

Was genau ist 2.0?

Ich denke so langsam habe ich für mich selbst herausgefunden, was „2.0“ in der durch das Internet angestossenen weltweiten Diskussion eigentlich ist. Das Kürzel „2.0“ ist für mich eine neue Perspektive die Dinge zu sehen. Es ist keine Technologie, es ist kein Wundermittel, es ist kein Marketingbuzz und es ist ganz sicher kein Schwachsinn oder Hype. Denn wie sollte etwas Unsinn sein, das einem eine neue Perspektive verschafft?

the20perspective_small.jpg
Bild anklicken für große Abbildung (Download als PDF)

Web 2.0 ist dabei nur ein kleiner Teil. Denn eigentlich bedeutet Web 2.0 folgendes:
Web = ich betrachte das WWW und seine Entwicklung
2.0 = Ich betrachte irgendetwas unter der neuen Perspektive des „bringing people together“ via the internet und was das für Folgen haben wird

Web + 2.0 = Ich betrachte das WWW unter der Perspektive des „bringing people together“-Effekt und was es für Folgen haben wird

2.0 ist ganz klar eine Perspektive, ich schaue mir bestehende sozio-kulturelle Institutionen und Errungenschaften wie z.B. School, University, Enterprise, Family an und betrachte sie wie als wäre ich neu in diese Welt geboren. Und dann beginne ich Fragen zu stellen:

  • Was könnte sich in der „Schule“ eigentlich verändern: School 2.0
  • Was könnte sich in der „Universität“ eigentlich verändern: University 2.0
  • Was könnte sich in dem „Unternehmen“ eigentlich verändern: Enterprise 2.0
  • Was könnte sich in der „Familie“ eigentlich verändern: Family 2.0 (via Martin Ebner)

Was hier also stattfindet ist ein gesellschaftlicher Entwicklungssprung und nicht primär ein technischer. Es geht um einen kulturellen Sprung in die Zukunft, und Technologie sowie digitale Medien sind nur das Hilfsmittel dafür. Ein Beispiel, „Family 2.0“ bedeutet für mich, dass ich meinen Eltern Fotos per flickr-Album zusende, mit Ihnen am Wochenende eine Videokonfrenz machen kann, auch wenn sie weit weg wohnen und meine Weihnachtswünsche per E-Mail mit Link versehen austauschen kann. Und es bedeutet, wenn ein Familienmitglied keinen Internetzugang+Rechner hat, das dieses an dieser neuen Familienkultur NICHT teilnehmen kann.

Ähnliche Veränderungen und neue Aspekte lassen sich in nahezu jedem Bereich unserer Gesellschaft finden. „2.0“ ist aus meiner Sicht die kulturelle Perspektive einer sich weltweit verändernden Gesellschaft. Davon sind Bildungs-, Arbeits- und Freizeitstrukturen gleichermaßen erfasst.

Das allerwichtigste jedoch an „2.0“ ist aus meiner Sicht: 2.0 ist schon 100% da, nur noch leider sehr, sehr unregelmäßig verteilt. Deshalb lohnt es sich denke ich mitzuarbeiten an einer besseren Verteilung. 2.0 wird dort auf Ablehnung treffen, wo notorische Betonköpfe das Ruder in der Hand halten. Dort wo Perspektivenwechsel unmöglich ist, wo Personen einen Gesichtskreis vom Radius Null haben und diesen dann ihren Standpunkt nennen (Hilbert).

Update 9.12.2007
In diesem Zusammenhang ist es auch mal ganz erhellend, was ich zu 2.0 bislang so geschrieben habe. Man entwickelt sich doch weiter irgendwie…

Update 12.12.2007
Ein Whitepaper zu dem Bereich „2.0“ (als PDF) ist vor kurzem erschienen von Lee Hopkins, Titel „An introduction to the power of Web2.0-Social Media – How I learned to stop worrying and love communication“. Darin werden auch die besonderen Aspekte von Tools vorgestellt. Schön fand ich „Twitter“ als „Thought-sharing“-Tool zu sehen. (via Nerd30)

Update 7.7.2009
web20summintlogoAnlässlich des Web 2.0 Summit in San Francisco im Oktober 2009, haben Tim O’Reilly und John Battelle einen interessanten Beitrag geschrieben, in dem er sich mit dem von ihm selbst geschaffenen Begriff des Web 2.0 auseinandersetzt. Der Beitrag mit dem Titel „Web Squared: Web 2.0 Five Years On“ enthält einige interessante Zwischenstatements, z.B.:

  • Web 2.0 is all about harnessing collective intelligence.
  • A key competency of the Web 2.0 era is discovering implied metadata, and then building a database to capture that metadata and/or foster an ecosystem around it.
  • Data analysis, visualization, and other techniques for seeing patterns in data are going to be an increasingly valuable skillset. Employers take notice. […] Mapping from unstructured data to structured data sets will be a key Web Squared competency.
  • As a result, there’s a new information layer being built around Twitter that could grow up to rival the services that have become so central to the Web: search, analytics, and social networks. Twitter also provides an object lesson to mobile providers about what can happen when you provide APIs. Lessons from the Twitter application ecosystem could show opportunities for SMS and other mobile services, or it could grow up to replace them.
  • Businesses must learn to harness real-time data as key signals that inform a far more efficient feedback loop for product development, customer service, and resource allocation.

Zu dem ganzen Komplex ist ein Whitepaper (als PDF) downloadbar.

Why do I blog this? Ich denke, man darf 2.0 nicht mit Hype verwechseln. Einen kulturellen Wandel als Hype fehlzuinterpretieren hieße die Entwicklung zu verpassen und Chancen ungenutzt verstreichen zu lassen. Mich würde interessieren, wie das andere sehen. Ist es eine Kulturrevolution mit neuer Perspektive auf die Dinge, oder ein schnöder Hype?

Mir selbst ist klar, dass Lem Recht hatte (denn das ist meine Erfahrung in der Uni): „Viele, die Ihrer Zeit vorausgeeilt waren, mußten auf sie in sehr unbequemen Unterkünften warten.“ (Stanislaw Lem)

Was ist OpenSocial?

OpenSocialDerzeit fegt ein Buzzword ganz rasant durchs Web: OpenSocial. Google hat offenbar mit vielen Social Networking Websites bereits Abkommen getroffen, einen Standard zu schaffen für den gegenseitigen Austausch und Abgleich von personenbezogenen Daten und Aktivitäten.

Die Adresse http://code.google.com/apis/opensocial/ dürfte eine interessante Quelle für Interessierte sein. Vor allem die Dokumentation zu dem neuen Standard für den Bereich People Data API. Es geht dabei nicht wie auf der Titelwebseite zu OpenSocial und in der FAQ geschrieben um Applikationen, sondern es geht um Daten, genauer personenbezogene Daten. Die OpenSocial People elements reference wird deutlicher, um was es genau geht, es geht um folgende Personendaten:

  • Name der Person (Name; The desired display name for the user)
  • Foto der Person (Image link; With thumbnail, a small image URL to represent the user)
  • Hyperlink auf volles Profil (Profile URL; With alternate, the standard profile URL representing the user)
  • Aufenthalts-/Wohnort (GeoLocation; Geographic location of the user. This may be approximate, or rounded off to the nearest city.)
  • E-Mail-Adresse (email; Email address(es) for the user)
  • InstantMessenger Verbindung (IM; Instant messaging adress(es) for the user)
  • Volle Postanschrift (Address; Address(es) for the user.)
  • Telefonnummer (Phone number; Telephone number(s) for the user)
  • Beliebige weitere Daten (Key value parameters)

Bei den Daten endet OpenSocial nicht, denn es sollen auch die auch Aktivitäten der Nutzer zwischen Plattformen ausgetauscht werden. Denkbar wäre z.B., dass das Hinzufügen eines Kontaktes in XING als Aktivität an die mySpace-Plattform gemeldet wird, die wiederum nachguckt, ob der XING-Kontakt nicht vielleicht auch bei mySpace existiert um dort ebenfalls einen Kontakt einzutragen. Da könnten zumindest theoretisch Verbindungen entstehen, die vielleicht gar nicht entstehen sollten. Das Verfahren dafür heißt AuthSub proxy authentication und ermöglicht der OpenSocial-Partnerplattform mit Zustimmung des Nutzers seine Aktivitäten (nach OpenSocial-Standardprotokoll) zu melden und auch auszuwerten.

Einige Magazine/Blogs/Dienste haben über OpenSocial derweil schon Interessantes berichtet oder bereits eine Implementierung des API angekündigt, u.a. folgende:

Der Artikel in der ZEIT macht auf eine bedeutende Veränderung durch diese Entwicklung aufmerksam:

Die Angaben der Nutzer sind das A und O der Netzwerke im sogenannten Web 2.0. Mit dem Vor- und Nachnamen fängt es an, geht über Arbeitgeber oder Universitäten, die Beziehungen zwischen Freunden oder Geschäftspartnern und die Kontaktdaten bis hin zu angegebenen Vorlieben im Sexuellen oder Politischen. Für die Nutzer kann OpenSocial dabei auch ein Vorteil sein: Nun werden sie bequem Daten von einem in ein anderes soziales Netzwerk transportieren können. Doch die verfügbare Datenmenge pro Nutzer wird OpenSocial ins fast Unermessliche steigern.

Ralf Bendrath hat eine sehr umfangreiche Übersicht in einem Posting zusammengestellt, was OpenSocial ist, wo es herkommt, und inwiefern OpenSocial geeignet ist einen Prozess der Social Context Conflation zu befördern. Das bedeutet, meine unterschiedlichen sozialen Kontexte wie z.B. Berufs- und Privatleben werden durch OpenSocial eventuell miteinander verschmolzen und vermischt, obwohl ich das gar nicht möchte.

Robert Basic hat einen ScreenCast zu OpenSocial online, der am Beispiel erklärt, wie das Ganze funktionieren soll.

Google selbst sagt: „The web is better when it’s social.“, doch was meint Google damit? Es dürfte spannend sein das weiter zu verfolgen, nicht zuletzt, weil die erste OpenSocial-Plattform bereits nach 45 Minuten gehackt und Nutzerdaten kompromittiert wurden.

Update 6.11.2007
Ich habe auch heute nochmal das Netz genauer abgesucht zu „Open Social“ und irgendwie haben mich selbst die „Social Design Best Practices“ von Google nicht wirklich schlauer gemacht. Das einzige Statement, das mich ein wenig angesprochen hat ist von Joshua Porter, der schreibt „It’s about building software that takes advantage of social connections to provide enhanced value.“. Meine Ansicht ist, dass der wahre Motor der Internetentwicklung soziale Gründe hat (von Beginn des Internet an ist das so; Tim Berners-Lee hat vermutlich auch nur nach Gleichgesinnten gesucht…).

kollock.jpgMeiner Ansicht nach ist „Gleich und Gleich gesellt sich gern.“, also die Suche nach Partnern die ähnlich sind (ähnliche Interessen, ähnliche Vorlieben, usw.) ein wichtiger Treibstoff des Web. Und das ist ein ganz und gar ökonomisches Verhalten, denn von Personen die ähnliche Interessenausrichtungen haben wie ich, erfahre ich eher etwas über mein Spezialgebiet als von Personen mit vollkommen anderer Interessenlage.

Ein Artikel von Peter Kollock (UCLA) „The Economies of Online Cooperation: Gifts and Public Goods in Cyberspace“ enthält für mich aber noch viel bessere Hinweise für sogenannte „Social Design Best Practice“ als das was Google da auf der Webseite hat. Seine Hinweise sind erfreulicherweise auch noch überschaubare 4 Prinzipien, die als „Motivations for contributing“ zusammengefasst sind:

  • reciprocity
  • one’s reputation
  • increased sense of impact/efficacy
  • attachement/commitment to and need of a group

Den ersten Begriff könnte man mit „Geben und Nehmen“ übersetzen. Reputation ist selbsterklärend. Spannend ist aber die wahrgenommene eigene Wirksamkeit, als Motivation. Wenn ich also nicht sehe, dass mein Tun Auswirkungen hat, werde ich es lassen. Das sich zu einer Gruppe zugehörig fühlen ist der vierte Faktor, den gruppenspezifische Plattformen wie spickmich.de, studi.vz, schueler.vz xing usw. mehr als bestätigen.

Update 8.11.2007
Robert Basic (Basic Thinking Blog) hat sehr ausführlich Stellung genommen zu Open Social in seinem Posting „Open Social Doku live, na und? Milliardenbusiness?„. Die Kommentare sind bei dem Posting sehr informativ und zu empfehlen!! Für alle die, die sich noch immer fragen, „was tun User in Social Networks, hier MySpace“, gibts dort auch etwas zu lesen.