Was genau ist 2.0?

Ich denke so langsam habe ich für mich selbst herausgefunden, was „2.0“ in der durch das Internet angestossenen weltweiten Diskussion eigentlich ist. Das Kürzel „2.0“ ist für mich eine neue Perspektive die Dinge zu sehen. Es ist keine Technologie, es ist kein Wundermittel, es ist kein Marketingbuzz und es ist ganz sicher kein Schwachsinn oder Hype. Denn wie sollte etwas Unsinn sein, das einem eine neue Perspektive verschafft?

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Web 2.0 ist dabei nur ein kleiner Teil. Denn eigentlich bedeutet Web 2.0 folgendes:
Web = ich betrachte das WWW und seine Entwicklung
2.0 = Ich betrachte irgendetwas unter der neuen Perspektive des „bringing people together“ via the internet und was das für Folgen haben wird

Web + 2.0 = Ich betrachte das WWW unter der Perspektive des „bringing people together“-Effekt und was es für Folgen haben wird

2.0 ist ganz klar eine Perspektive, ich schaue mir bestehende sozio-kulturelle Institutionen und Errungenschaften wie z.B. School, University, Enterprise, Family an und betrachte sie wie als wäre ich neu in diese Welt geboren. Und dann beginne ich Fragen zu stellen:

  • Was könnte sich in der „Schule“ eigentlich verändern: School 2.0
  • Was könnte sich in der „Universität“ eigentlich verändern: University 2.0
  • Was könnte sich in dem „Unternehmen“ eigentlich verändern: Enterprise 2.0
  • Was könnte sich in der „Familie“ eigentlich verändern: Family 2.0 (via Martin Ebner)

Was hier also stattfindet ist ein gesellschaftlicher Entwicklungssprung und nicht primär ein technischer. Es geht um einen kulturellen Sprung in die Zukunft, und Technologie sowie digitale Medien sind nur das Hilfsmittel dafür. Ein Beispiel, „Family 2.0“ bedeutet für mich, dass ich meinen Eltern Fotos per flickr-Album zusende, mit Ihnen am Wochenende eine Videokonfrenz machen kann, auch wenn sie weit weg wohnen und meine Weihnachtswünsche per E-Mail mit Link versehen austauschen kann. Und es bedeutet, wenn ein Familienmitglied keinen Internetzugang+Rechner hat, das dieses an dieser neuen Familienkultur NICHT teilnehmen kann.

Ähnliche Veränderungen und neue Aspekte lassen sich in nahezu jedem Bereich unserer Gesellschaft finden. „2.0“ ist aus meiner Sicht die kulturelle Perspektive einer sich weltweit verändernden Gesellschaft. Davon sind Bildungs-, Arbeits- und Freizeitstrukturen gleichermaßen erfasst.

Das allerwichtigste jedoch an „2.0“ ist aus meiner Sicht: 2.0 ist schon 100% da, nur noch leider sehr, sehr unregelmäßig verteilt. Deshalb lohnt es sich denke ich mitzuarbeiten an einer besseren Verteilung. 2.0 wird dort auf Ablehnung treffen, wo notorische Betonköpfe das Ruder in der Hand halten. Dort wo Perspektivenwechsel unmöglich ist, wo Personen einen Gesichtskreis vom Radius Null haben und diesen dann ihren Standpunkt nennen (Hilbert).

Update 9.12.2007
In diesem Zusammenhang ist es auch mal ganz erhellend, was ich zu 2.0 bislang so geschrieben habe. Man entwickelt sich doch weiter irgendwie…

Update 12.12.2007
Ein Whitepaper zu dem Bereich „2.0“ (als PDF) ist vor kurzem erschienen von Lee Hopkins, Titel „An introduction to the power of Web2.0-Social Media – How I learned to stop worrying and love communication“. Darin werden auch die besonderen Aspekte von Tools vorgestellt. Schön fand ich „Twitter“ als „Thought-sharing“-Tool zu sehen. (via Nerd30)

Update 7.7.2009
web20summintlogoAnlässlich des Web 2.0 Summit in San Francisco im Oktober 2009, haben Tim O’Reilly und John Battelle einen interessanten Beitrag geschrieben, in dem er sich mit dem von ihm selbst geschaffenen Begriff des Web 2.0 auseinandersetzt. Der Beitrag mit dem Titel „Web Squared: Web 2.0 Five Years On“ enthält einige interessante Zwischenstatements, z.B.:

  • Web 2.0 is all about harnessing collective intelligence.
  • A key competency of the Web 2.0 era is discovering implied metadata, and then building a database to capture that metadata and/or foster an ecosystem around it.
  • Data analysis, visualization, and other techniques for seeing patterns in data are going to be an increasingly valuable skillset. Employers take notice. […] Mapping from unstructured data to structured data sets will be a key Web Squared competency.
  • As a result, there’s a new information layer being built around Twitter that could grow up to rival the services that have become so central to the Web: search, analytics, and social networks. Twitter also provides an object lesson to mobile providers about what can happen when you provide APIs. Lessons from the Twitter application ecosystem could show opportunities for SMS and other mobile services, or it could grow up to replace them.
  • Businesses must learn to harness real-time data as key signals that inform a far more efficient feedback loop for product development, customer service, and resource allocation.

Zu dem ganzen Komplex ist ein Whitepaper (als PDF) downloadbar.

Why do I blog this? Ich denke, man darf 2.0 nicht mit Hype verwechseln. Einen kulturellen Wandel als Hype fehlzuinterpretieren hieße die Entwicklung zu verpassen und Chancen ungenutzt verstreichen zu lassen. Mich würde interessieren, wie das andere sehen. Ist es eine Kulturrevolution mit neuer Perspektive auf die Dinge, oder ein schnöder Hype?

Mir selbst ist klar, dass Lem Recht hatte (denn das ist meine Erfahrung in der Uni): „Viele, die Ihrer Zeit vorausgeeilt waren, mußten auf sie in sehr unbequemen Unterkünften warten.“ (Stanislaw Lem)

SCOPE_07: Eine ganz spezielle „beta“

brainmind_small.jpgDie SCOPE_07 warf ihre Schatten voraus, denn wie es sich für eine Veranstaltung im Dunstkreis der 2.x-Webdynamik gehört, wurde im Vorfeld bereits gefilmt, gebloggt und beta-getestet (auch alle möglichen Video-Sharingdienste), was das Zeug hält. Wie alle beta’s ist die SCOPE auf seine „User“ angewiesen und das wurde schon in der Pre-Conference in Hamburg deutlich. „Cutting Edge“ Ideen und Trends sind manchmal eben auch ein wenig mehr „cutting“ als „edge“ und das wurde in Hamburg dann auch mir klar. Begriffe wie Singularität, Brain Computer Interface, Tagcloud, Narrowcasting usw. sind eben längst nicht allen bekannt. Als Experte vergisst man das gerne mal, auch ich.

Die Begriffe rund um die stattfindende Dynamik des Internet entwickeln sich zudem verdammt schnell, so schnell, dass man eigentlich nur noch mit einer anpassungsfähigen „tagcloud“ hinterherkommt. Und wenn man diese tagcloud als Instrument nicht kennt, fehlt einem schlicht das Instrument, um mit das Chaos des Netz zu ordnen, man ist „abgeschnitten“ von der Begriffswelt der anderen oder über die „Kante“ hinaus getragen worden.

survivalkit.jpgDie SCOPE_07 war aus meiner Sicht ein ernster Versuch zwischen „cutting“ und „edge“ möglichst weit zu zielen, um das zu erkennen, was morgen in meiner tagcloud an neuen Begriffen stehen wird. Ein sehr ehrgeiziges Ziel für eine Premiere!

Nicht umsonst gab es deshalb 12 Trends die das Web 2.0 wie 12 Jünger begleiteten, und auch ein handfestes Survival Kit. Und damit habe ich mein ganz persönliches Highlight der SCOPE_07 bereits erreicht. Das Survival Kit ist aus meiner Sicht DIE Innovation dieser Veranstaltung.

Es bestand aus 12 A5-Bögen, die den jeweiligen Trend nochmals kurz in Stichworten darstellte und einer Schreibfläche auf der Rückseite mit der Überschrift: „What’s in it for me?“. Das hat mich an meine Gewohnheit in meinem Blog erinnert manchmal zu schreiben „Why do I blog this?“. Es hilft einfach beim Denken! Und man nimmt nicht nur symbolisch, sondern ganz handfest etwas mit. Eine Klasse Idee Ulrike, Bea und Lutz!! :-)

Meine Zusammenfassung passt daher auch genau auf eine A5-Karte, wozu also bloggen, wenn man fotografieren kann, ich hab das Ding einfach abgeknipst (Vorderseite, Rückseite), hier mein Fazit:

enterprise_notes.jpg

Der beliebteste Trend war Enterprise 2.0 und die Survival Kit Karte zeigt das Fazit: „Minimale Steuerung als Prinzip.“ In der Arbeitsgruppe wurde am Nachmittag verschiedenen Aspekten der Integration einer 2.0-Kultur in vielen kleinen Fragen nachgegangen. Es war spannend!

Weitere Eindrücke in Form von Bildern gibt es hier (flickr) und zum Beispiel bei Frank Hamm im injelea-Blog. Denn der hat wirklich alle Rekorde geschlagen in Sachen „Blogentries per Event“, hier die Liste:

Den letzten Blogeinträgen nach zu folgern, ist Frank nun von Enterprise 2.0 vollständig fasziniert und hat daher eine menge weiterer Einträge in seinem Blog parat. Sehr lesenswert.

Vor allem eines steht jetzt schon fest: „Bei der naechsten SCOPE wird es ‚SCOPE Youngsters‘ geben …“. Ich würde mir noch mehr Zukunft wünschen, die aber durchaus mit Realismus gepaart sein sollte. Das war mir diesmal noch viel zu sehr 2.0 dabei wollten wir doch über das was erst noch kommt reden. ;-) Von daher ich wünsche mir ein härteres an der Kante fahren, und deutlich weniger Trends (max. 7 reichen) dafür aber mehr Zeit für das persönliche Gespräch/“Chillen“.

Why do I blog this? Die Frage ist, warum blogge ich erst jetzt? SCOPE liegt gefühlt schon 2 Monate hinter mir. Tja, wenn das Blog kaputt ist (Rechnerdefekt) dann bleibt einem nur warten. Deshalb dann jetzt mein kleiner Nachtrag in angemessener Netzform. Aber wer noch mehr Lust auf Zukunft hat, der kann auch bei Marit Brademann (Coremedia, Hamburg) nachlesen, wie sie den Tag – aus meiner Sicht sehr übersichtlich und treffend – in einem PDF-Dokument zusammengefasst hat.