Die DNA der digitalen Erlösungslehre

susanne_gaschke.pngSo lautet etwas abgewandelt der Titel eines Artikel in DIE ZEIT (Nr. 48 vom 20. November 2008), geschrieben von Susanne Gaschke. Im Original heißt der Titel exakt „Die digitale Erlösungslehre: Das Internet formuliert die neue Verheißung des Kapitalismus: Grenzenloses Wissen, für alle gratis? Lasst euch nicht verführen!“.

Gaschke schreibt federführend regelmäßig über Themen die den gesellschaftlichen Wandel (einige Video-Interviews Wochenendarbeit in Deutschland, Frauenquote in Aufsichtsräten der Unternehmen in Norwegen) betreffen und die sozialen Zusammenhänge. So hat sie z.B. Beiträge und Bücher veröffentlicht mit dem Schwerpunkt Familie und Kinder unter folgenden Titeln:

In der aktuellen ZEIT-Ausgabe hat sie sich den digitalen Wandel einmal kritischer vorgenommen. Der Artikel auf Seite 3 der ZEIT, dürfte bei den so genannten „Digital Na(t)ives“ zu 99 Prozent am Wahrnehmungsradar vorbei gehen, denn diese verabscheuen ja nach eigenen Angaben Medien auf Papier, und den Artikel gibt es derzeit nicht im Internet zu lesen. Gaschke spricht viele Kritikpunkte an, die man an dem aktuellen Fortschrittsdenken unter dem Label „Digital Natives“ sehr gut festmachen kann (Für mich ein Grund, meine diesbezüglich kritischen und thematisch passenden Artikel dieses Blogs – z.B. „Ich bin kein Digital Native“ – in eine weitere Kategorie einzuordnen „Digital Naives“ – das „t“ ist nicht vergessen worden.).

Ihre Kritik stellt Gaschke u.a. auf folgende Säulen:

  • Die weitgehend kritiklose Überhöhung des Internet als Heilsbringer ist das neue Heilsversprechen unserer Gesellschaftsordnung und gekoppelt an eine Technologie ohne Präzedenzfall: an die Digitalisierung der Welt, an die Ausbreitung des Internets als Weg zu Wissen und Wohlstand für alle.
  • Trotz all den Angeboten des Internet, die Information unter unseren Fingerspitzen muss immer noch mühsam gelesen, bedacht und verstanden werden, bevor aus ihr tatsächlich das Wissen wird, von dem mit dem Schlagwort „Wissensgesellschaft“ immer die Rede ist.
  • Der Umgang mit dem Rechner wird zur vierten Kulturtechnik überhöht, twittern, bloggen, skypen und podcasten tritt also gleichberechtigt neben Lesen, Schreiben und Rechnen.
  • All das ist aus Gaschkes Sicht ein quasireligiöses Heilsversprechen, das mit soviel wortgewaltiger Rhetorik eines „Glaubens“ vorgetragen wird, dass Skepsis an diesem Versprechen schnell als kleingeistiger Kulturpessimismus abgetan wird.
  • Gaschke stellt wichtige Fragen: Wollen wir tatsächlich so leben, wie es uns von den Digitalisten nahe gelegt wird? Suchen wir wirklich ein technisches Heim für unser Bewusstsein? Bindet nicht das Netz soziale Energie in virtuellen Pseudogemeinschaften: Energie, die im real life dringen für echte Politik gebraucht würde? Nutzen die Nutzer die gewaltigen wissenschaftlichen und politischen Informationsmöglichkeiten des Internets überhaupt — oder verschwenden sie ihre Zeit mit kommerzgesteuerten Unterhaltungsthemen?
  • Gaschke fragt zu Recht: Was sind die schillernden Versprechen wert? Lernen Menschen durch die neue Technik mehr als zuvor, verstehen sie unsere Gesellschaft besser, sind sie urteilsfähiger, sind sie politischer — oder können sie sich wenigstens besser konzentrieren? Oder macht Google sie eben doch doof?
  • Gaschke nimmt Bezug auf Meinungsforscherin Renate Köcher vom Institut für Demoskopie Allensbach: Als Medium zur Information wird das Internet offenbar nur am Rande genutzt. Kommunikation via Chatten, E-mail und Instant Messaging steht im Vordergrund. Doch eine Gesellschaft, die auf kontinuierliche Information und Urteilsbildung verzichtet, wird spontaner, in der Urteilsbildung beweglicher, sogar sprunghafter und anfälliger für Manipulation.
  • Vor allem aber entlarvt Gaschke, dass sich Heilsversprecher der Bewegung des „Digitalismus“ ungeniert der Jugend bedienen und diese für ihr Ansinnen instrumentalisieren. Die Energie des jugendlichen Sturm und Drang-Verhaltens wird vor den Karren gespannt, und Erwachsene müssen als „Digital Immigrants“ der so geadelten Jugend die Ehre des „Digital Natives“ erbieten. Jugend wird zur appetitsteigernden Ingredenzie im öffentlichkeitswirksam verabreichten Kommunikations-Mix der eigenen quasireligiösen Ansichten.
  • Dieser auch institutionell verankerte und propagierte Digitalismus gibt das Heilsversprechen eines neuen Menschen, einer besseren Gesellschaft und nimmt für sich in Anspruch, Inbegriff jugendlichen Denkens und Wollens zu sein; er macht sich breit und verschlingt öffentliche Aufmerksamkeit; er blendet die kommerziellen Verwertungsinteressen mancher Fürsprecher auf geradezu groteske Weise aus; und er hat eine klare Vorstellung von den Gegnern: den Kulturkonservativen, den Bildungsbürgern, den Nostalgikern der Buchkultur und jenen Traditionalisten, die meinen, Politik mache man am besten von Angesicht zu Angesicht.

Insbesondere der letzte Punkt lässt bei mir die industriell verwurzelte Initiative DNAdigital als Beispiel dieses Digitalismus vor dem geistigen Auge hell aufleuchten. Für DNAdigital gilt von Beginn an, dass die Spaltung in „Digital Immigrant“ und „Digital Native“ nicht in Frage zu stellen ist. Das erinnert stark an die Fabel von Der Farm der Tiere in der gilt: „Alles was auf zwei Beinen geht, ist ein Feind.“ Übertragen gilt also:

Wer kein „Digital Immigrant“ sein will, zugleich aber per jugendlicher Definition kein „Digital Native“ sein oder werden kann, der ist ein „Digital Ignorant“ und somit jener Kulturkonservative, nostalgische Ketzer der als Feindbild dieses quasireligiösen Digitalismus ausgemacht wurde.


Wie aber wäre es, wenn man einfach Gaschkes Aufruf folgte und „Technologie einfach nutzen könnte ohne sie und ihre Heilsversprecher gleich anbeten zu müssen?“ Wie wäre es, wenn die Firma Apple eben Respekt vor der Kulturleistung des Buches zeigt und eben nicht behauptet, dass ein Apple Rechner/“MacBook“ das einzig wahre Buch ist was man zum Lernen braucht? Wie wäre es Respekt zu zeigen und Demut vor der Kultur? Wie wäre es, wenn man nicht versuchen würde die Welt in schwarz und weiß, „Native“ und „Immigrant“ zu teilen? Vor allem aber: Wie wäre es, wenn man die Generationen miteinander und nicht wie René Scheppler schreibt „Generation X (Anmk.: bzw. YPS) vs. Generation Internet?“ im Kampf gegeneinander antreten ließe?

Update 25.11.2008
Der Artikel in digitaler Version bei der ZEIT ONLINE. (thx an icke)

Why do I blog this? Ich habe eine ganze Weile die Initiative DNAdigital verfolgt und wie dort miteinander umgegangen wird. Mich hat erschreckt, zu wie wenig Selbstkritik man dort fähig ist. Vor allem aber hat mich erschreckt, wie wenig man über das eigene Tun im Namen des Digitalismus reflektiert. Gaschkes Artikel führt mir vor Augen, dass ich es eigentlich mit einer Art von Fanatismus zu tun gehabt habe, weshalb ich den nur noch marginal konstruktiven Dialog mit DNAdigital auch irgendwann abgebrochen habe. Mich hat das Ganze erinnert an ein Zitat von Winston Churchill: „A fanatic is one who can’t change his mind and won’t change the subject.“

Gilt das Grundgesetz nur noch bei Schönwetter?

grundgesetz__fuer__die__bundesrepublik__id__4719__de_templateid_rawscaled_property_poster_width_69.jpgDas Gesetz über die Vorratsdatenspeicherung im Bundestag ist trotz massiver Proteste der Bevölkerung ganz einfach durchgegangen. Jetzt geht es weiter mit dem BKA-Gesetz zur Online-Durchsuchung. Die Süddeutsche schreibt dazu heute „BKA-Gesetz: Sachsen gegen Schäubles Schnüffelplan“. Die Freiheit der Staatsbürger scheint immer weniger Wert zu haben. Vieles deutet darauf hin, dass wir immer tiefer in eine Vertrauenskrise hineinschlittern, die zum Stillstand führt. Mehrere Indizien zeigen mir, dass dies der Fall ist.

Deshalb habe ich mir einmal die Mühe gemacht, und das Grundgesetz bei der Regierung bestellt. Vor mir liegt die Ausgabe „Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Textausgabe – Stand Januar 2007“. Herausgeber ist das Referat für Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Bundestags in Berlin.

Wenn ich mir Artikel 5, 10 und 13 des GG durchlese, dann frage ich mich welche gesetzliche Grundlage z.B. für den Inhalt des Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung gelten soll. ich möchte vor allem den letzten Satz aus dem Vorwort zu zitieren, dort schreibt Dr. Norbert Lammert als Präsident des Deutschen Bundestages:

Was in der Verfassung steht, ist eine Sache, eine andere Sache ist die Frage, ob und wie die in ihr formulierten Werte auch verwirklicht werden. Doch darauf kommt es an. Unser Staat ist angewiesen darauf, dass die Idee der Menschenwürde, die Grundwerte der Freiheit, Gleichheit und Toleranz gelebt werden. Demokratie braucht Bürger, die sich einmischen, die Verantwortung übernehmen, die Engagement zeigen. Das Grundgesetz gibt uns die Freiheit, uns für die humane Gesellschaft, wie wir sie wollen, einzusetzen. Nutzen wir diese Freiheit, jeden Tag aufs Neue.

Wenn man diese Botschaft liest, und sie mit dem vergleicht, was derzeit realisiert wurde und was alles noch geplant ist, dann frage ich mich schon, ob wir nur ein „Schönwettergrundgesetz“ haben. Deshalb nochmals zur Erinnerung Artikel 5 und 10:

Artikel 5, 10 und 13 Grundgesetz:
§5 (1)Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

§5 (2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

§5 (3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

§10 (1) Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.

§10 (2) Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden. Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz bestimmen, daß sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und daß an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt.

§13 (1) Die Wohnung ist unverletzlich.

§13 (2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

§13 (3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr in Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

§13 (4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

§13 (5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

§13 (6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

§13 (7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

drink_drive.jpgAll diese Artikel des Grundgesetzes sind nicht irgendein Blödsinn, sondern die Regeln, die wir bei klarem Verstand einmal aufgestellt haben, um ein gedeihliches, soziales Miteinander als zivilisierte Menschen zu ermöglichen. Nun, da uns der Kopf schwirrt von Terror und Finanzkapriolen und jeder jedem misstraut (zumindest misstraut der Staat von Tag zu Tag jedem Bürger ein Stück mehr), finden wir die Regeln offenbar merkwürdig überkommen. Aber ist das nicht auch mit dem Autofahrer das Gleiche, der sich erst sagte er lässt das Auto stehen wenn er Alkohol getrunken hat? Meist kommt ihm diese Regel im alkoholisierten Zustand dann jedoch absolut lächerlich und hinderlich vor und er reagiert sogar aggressiv wenn man ihn am Fahren hindern wollte. Dabei war er bei klarem Verstand vollkommen der Meinung das es in Ordnung ist das Auto stehen zu lassen, wenn der Verstand nicht mehr klar ist.

Mir scheint, die Verstandestrübung in Form von mehr Misstrauen breitet sich weiter und schneller aus als gedacht. Der Staat traut niemandem mehr, weder dem normalen Bürger (Vorratsdatenspeicherung, Aufhebung des Postgeheimnisses, Videoüberwachung allerorten), noch dem Steuerzahler (Aufhebung vom Bankgeheimnis), noch dem Fluggast (Fluggastdatenübermittlung und Nacktscanner, sowie Handgepäckparanoia), noch dem Professor (Evaluation über Evaluation ohne festen Vertrag), noch denen die noch Protestieren (Einschränkung der Versammlungsfreiheit in Bayern) und viele andere mehr.

Die große Vertrauenskrise ist längst da! Es ist eine Vertrauenskrise die in erster Linie aufgrund eines getrübten Verstandes die Regeln des Grundgesetzes für lächerlich überkommen erachtet. Der Verstand sagt: „Das Grundgesetz gilt nur bei schönem Wetter, wir aber haben gerade schlechtes Wetter, also gilt es nicht mehr!“ – Damit stellt sich der so argumentierende Verstand auf die gleiche Stufe wie ein alkoholisierter Oktoberfestgänger der mit dem Wagen nach zwei Maß Bier nach Hause fahren möchte, obwohl er weiß das das einige Straßenverkehrsopfer zeitigen könnte.

Stoppt die Vorratsdatenspeicherung - www.vorratsdatenspeicherung.de

Wie lange fragt man sich da, dauert es dann eigentlich noch, bis die Meinungsfreiheit als ein überkommenes Relikt aus Schönwetterzeiten gilt? Ist es gar schon soweit? Prof. Dr. Michael Kerres von einer Universität in Nordrhein-Westfalen jedenfalls scheint dieser Ansicht bereits zu sein. Wie sonst könnte er in seinem Beitrag „Bloggen an Unis?“ (hier als Grafik archiviert) schreiben:

Eigentlich wollte ich dem Kollegen raten, seine Blog-Einträge stehen zu lassen. Er hat sie gelöscht. Kann ich verstehen.

Er hätte seinen Beitrag auch „Freie Meinungsäußerung an Unis?“ nennen können. Das hätte es deutlich besser getroffen. „Bloggen“ das beschreibt das Exponieren der eigenen Meinung, ein Vorgang der vollumfänglich von unserem Grundgesetz gedeckt ist. In einem Extraartikel des GG ist sogar das Recht der Professoren auf eine freie Lehre gedeckt. Der Professor ist somit sogar doppelt vom GG abgesichert. Trotzdem kann Kerres es „verstehen“, dass der Kollege seine Meinung lieber löscht? Ich frage mich ob ich das auch verstehen sollte. Ich denke nein!

Update 19.11.2008
Freie Meinungsäußerung ist originär eine Professorenverantwortung – denn mit dem Privileg (Doppelter Schutz der Meinungsfreiheit (1)/Freiheit der Lehre (2) durch das Grundgesetz) kommt die Verantwortung! Gut dass das andere auch so sehen.

Update 22.12.2008
Heute habe ich einen Beitrag auf change.gov von Lawrence Lessig gesehen, der tatsächlich ein ganz ähnliches Thema thematisiert wie dieser Beitrag: Trust und Mistrust bzw. die Vertrauenskrise in den Staat USA. Lessig identifiziert ebenfalls Vertrauen als den entscheidenen Faktor. Interessanter Weise hat er einen Vorschlag zur Verbesserung, der in dem folgenden Video von ihm verdeutlicht wird.


(via whois-blog)

Why do I blog this? Ich frage mich, woran es liegt, dass in einem Akt vorauseilenden Gehorsams die eigene Meinung lieber gelöscht wird, als den Disput zu suchen. Liegt es an einer allseits um sich greifenden Vertrauenskrise? Ist es ein vernebelter Verstand? Ist das Grundgesetz ungültig, weil wir schlechtes Wetter haben? Um es mit Norbert Lammerts Worten zu sagen: „Das Grundgesetz gibt uns die Freiheit, uns für die humane Gesellschaft, wie wir sie wollen, einzusetzen. Nutzen wir diese Freiheit, jeden Tag aufs Neue.“ Dieser Blogbeitrag von mir ist mein Beitrag dazu, von diesem Recht Gebrauch zu machen. Sollte die Uni Bremen diesen Beitrag bzw. meine Meinung löschen wollen, gehe ich notfalls ganz einfach bis zum Bundesverfassungsgericht, so einfach ist das. Ich trage die volle Verantwortung ganz allein für meine Schreibe und das heißt, dass ich auch das Recht auf freie Meinungsäußerung mitverantworte.

Was ist eigentlich ein Rettungspaket?

wolkenkratzer.jpgMomentan wird sehr viel über Rettungspakete und Hilfspakete in den Medien gesprochen. Ich habe da einige Fragen, die mir ja vielleicht Besucher des Blogs in den Kommentaren beantworten können:

  • Was ist ein Rettungspaket?
  • Von wem kommt das Rettungspaket?
  • Für wen ist das Rettungspaket?
  • Wer wird durch das Rettungspaket gerettet?
  • Vor was wird der mit dem Rettungspaket bedachte genau gerettet?
  • Warum reicht ein Rettungsring nicht aus?
  • Worin genau besteht eigentlich die Katastrophe?

Ich weiß derzeit leider keine Antworten auf diese Fragen und ich wäre erfreut über Hinweise zu meiner Erleuchtung.

Update 4.10.2008
Vielleicht gilt hier ganz einfach folgende Grafik:

money_growth.png
Quelle: Sueddeutsche Zeitung „‚Mo Money Mo Problems‘ von Notorious B.I.G.“

save_me.gifUnd die Financial Times Deutschland hat erfahren:

Der Mini-Gipfel in Paris war keine EU-Veranstaltung, sondern diente offiziell der Vorbereitung eines Treffens der acht wichtigsten Industriestaaten (G8), der auch die USA, Japan, Kanada und Russland angehören. In den kommenden Wochen oder Monaten solle es einen „Gipfel der am meisten betroffenen Staaten zur Neugründung des Weltfinanzsystems“ geben, sagte Sarkozy.

Quelle: FTD.de (via lutzland)

Liste derer, die beginnt sich die gleichen Fragen zu stellen:

Update 10.11.2008
Soeben habe ich einen tollen Beitrag bei TobiK gelesen. Ich zitiere einen sehr erhellenden Beitragsabschnitt (Hervorhebungen nicht im Original):

[…] wird dieser Tage z.B. immer wieder berichtet, wieviel Billionen Dollar weltweit durch die Finanzkrise verloren geht. Dabei wird nicht nur nicht gesagt, wem dieses Geld verloren geht, vielmehr noch wird suggeriert, es gebe eine konstante Menge an Geld und Geld hätte seinen Wert in sich. Jedoch ist weder die Geldmenge konstant, noch hat eine Geldeinheit ihren Wert in sich. Geld ist ja ein Tauschmittel und daher etwas, das seinen Wert nur durch seine Bezüge, sein Verhältnis, sein Relationsgefüge erhält. Es geht also momentan kein Geld verloren (weil Geld nichts Dingliches ist, auch wenn wir von Geld als Münzen und Scheine denken und dies das nahelegt), sondern es verändert sich das Wert- und Machtgefüge des Geldmarktes und damit überhaupt des weltweiten Menschengeflechtes.

Damit ist nicht gesagt, dass das Geschehen unproblematisch ist. Nur ist das Problem ist nicht der Verlust einer Geldmenge, sondern der drohende Verlust einer das ganze System aufrechterhaltenden Dynamik (des Tausches), die negative Auswirkungen auf alle Beteiligte haben kann (wenn auch in ganz unterschiedlichem Ausmaß). Was wir bräuchten um dieses Geschehen besser zu verstehen, wäre eine relationales Denken, ein Denken in Beziehungen, das den Beziehungen und nicht den Entitäten einen ontologischen Primat zugesteht (sowie das ursprünglich auch die Trinitätstheologie lehrt). Mit anderen Worten: Die Beziehungen nicht als etwas nachträgliches, sondern als etwas vorgängiges denken, das ‚Zwischen‘, den Relator, nicht die Relata als das Wesentliche und Primäre zu denken. […]

Update 18.12.2008
Heise.de berichtet nun über ein Vorhersagemodell für Situationen in denen Rettungsschirme gebraucht werden. Offenbar haben Finanzentwicklungen ähnliche Muster in der Entwicklung wie vergleichbare Naturkatastrophen. Denn ein „Mathematischer Indikator für die Finanzkrise“ hat 2-3 Monate vor dem „Bang“ offenbar erfolgreich angeschlagen. Mit Hilfe der fraktalen Geometrie ist es Prof. Didier Sornette von der ETH Zürich/Europa offenbar gelungen sogenannte Situationen überexponenziellen Wachstums zu diagnostizieren. Zitat aus heise.de:

[…] „Man kann sagen: Mathematisch gesehen ist diese Finanzkrise ein Monster!“ Die Standardverfahren der Ökonomie gehen davon aus, dass auch die größte Blase lediglich exponentiell wächst wie eine Geldanlage mit festem Zinssatz. „Doch wir haben festgestellt, dass eine Blase stets überexponentiell wächst“, sagt Sornette. „Das wäre so, als würde sich die Zinsen jedes Jahr verdoppeln.“ […]

Why do I blog this? Momentan verstehe ich wirklich nicht mehr, was auf den einschlägigen Portalen der Finanz- und Medienwelt gesprochen wird. Ob nun Handelsblatt, Financial Times Deutschland, International Herald Tribune, Wallstreet Journal und die einschlägigen Tageszeitungen sowie Google News – ich verstehe einfach nicht was dort gesprochen wird. Ich meine die Bilder die gezeigt werden sehen so aus, als ob die Menschen darauf wirklich Hilfe bräuchten, aber im Vergleich zu den Flutopfern eines Tsunamis, verhungernden Kindern in Entwicklungsändern, Erdbebenopfern in abgelegenen Gebieten, oder Schiffbrüchigen sehen sie eigentlich eher ungefährdet aus. Auch die Huffington Post fragt sich: „Why bail?“. Andere interviewen Personen, die es kommen sahen wie z.B. Nouriel Roubini. Wieder andere schreiben einen Schlechte-Nachrichten-Newsletter, um, ja, um was eigentlich zu bewirken?