Multidimensionale Konferenzerkenntnisse 2006

Thank You!Gut eine Woche ist es her seit meiner ersten DeLFI Teilnahme. Kurz und knapp: Zwei Publikationen mit Vortrag und eine Posterpräsentation, wahnsinnige Hotelpreise (wg. Messe), und 3 Tage bei 28 Grad Celsius in non-casual Kleidung. Anstrengend!

Die Präsentationen und das Poster sind in den Publikationen bereitgestellt und können wie üblich per E-Mail angefordert werden. Ich möchte mich nachträglich nochmal für die reibungslose Organisation durch die vielen Helfer dort bedanken. Alle waren freundlich und hilfsbereit, einige sogar musikalisch sehr beeindruckend. Ein großes Dankeschön an die Darmstädter DeLFI2006-Crew!!!

Nebenbei sei bemerkt, dass mir die Kurzstatements (dieses Jahr neu eingeführtes Format) wesentlich besser gefallen haben als die „normalen“ Vorträge, das sage ich natürlich auch, um diese Teilnahmekategorie ganz legitim aufzuwerten. Wer nur 10 Minuten vorträgt, der muss sich auf das Wesentliche begrenzen. So wird schnell klar, ob es Substanz gibt oder nicht. In so kurzer Zeit als Besucher soviel Input zu bekommen läßt die gefühlte Produktivität der verbrachten Anwesenheitszeit zugleich steigen. Daher war die Informationsdichte und -dynamik sicher bei keinem Programmpunkt höher als bei den Kurzstatements.

Es gab u.a. ein Statement der mir super gefallen hat, der Beitrag von Kai Holzweißig, der ein Kurzstatement zum Thema Mobile Knowledge Experience – Ansätze für die interdisziplinäre Informatikausbildung präsentierte. Kern des Vortrags: Lernende bringen sich gegenseitig relevantes Wissen bei, indem jeder einen Teil aufbereitet und andere im Peer-Teaching-Verfahren auf den Stand der Dinge bringt. Der Erfolg des Projekts „MoKEx“ bestätigt „Teaching is learning twice!“. Lernende die den Stoff anderen erklären, haben das erklärte vorher verstanden, anders geht es nämlich nicht. Von den ganzen anderen Kompetenzen die dabei ebenfalls vermittelt werden einmal abgesehen. Klasse!

Der DeLFI Schwerpunkt zu „(Re-)Authoring und Wiederverwendung“ hat mir gefühlt weniger Neues gebracht als vielmehr more of the same. Meiner Ansicht nach zeigt sich wie der höchst unklare Begriff des Lernobjekts, der von der Informatik offenbar nicht mehr hinterfragt wird, zu sehr zweifelhaften – wenngleich sehr eloquent vorgetragenen – Entwicklungen führt. Trotz der bislang ungelösten Definitionsproblematik des Begriffs „Lernobjekt“ wird das Definitionsproblem weiter verschärft durch die Einführung des Begriffs des mehrdimensionalen Lernobjekts. Ich habe den Eindruck, Kritik an diesem Begriff ist ebenso untersagt, wie Kritik am Begriff „Lernobjekt“. Es bleibt einem letztlich nur, sich an des Kaisers neuen Kleidern zu erfreuen, und die sind multidimensional.

Der Vorschlag von Peter Baumgartner, neue Strukturansätze von der didaktischen Seite her zu schaffen, hat mich anregen und überzeugen können. Fokussierung nur auf „Content“ ohne Blick auf die Verwendungsprozesse (i.e. das Lernen, Didaktik, Methoden), wird E-Learning nicht gerecht. Baumgartner schlägt vor sich an die Arbeit zu machen für eine didaktische Taxonomie. Konkret möchte er eine Sammlung von Mustern für Handlungssituationen aufbauen.

Erinnert hat mich Baumgartners Beitrag an eine Publikation von Susanne Heyer, die mit Ihrer „Analysis of Learning Resources Using a Cognitive Process Taxonomy“ bereits einen sehr konstruktiven Beitrag geleistet hat, der mehr Struktur liefert und in die von Baumgartner vorgestellte Richtung geht. Sie orientiert sich dabei an der „Taxonomy of cognitive processes“ von Anderson & Krathwohl, die einen Strukturansatz für die Bewertung von kognitiven Potenzialen von Lernressourcen bietet. Die Begründung für Heyers Vorgehen anhand der erweiterten Bloomschen Taxonomie ist bestechend einfach: „Learning is a process; in the case of e-learning, learning mostly involves cognitive processes.“ Es gibt sie also schon, die neuen Ansätze.

Why do I blog this? Ich frage mich, was ich Neues von der DeLFI mitgenommen habe. Vornehmlich sind es wohl die multidimensionalen, neuen Kleider des Kaisers gewesen. Ich denke der Begriff des Lernobjektes ist eine der gewaltigsten Nebelkerzen die je in der Informatik brannten. Der dadurch erzeugte Nebel ist so dicht, dass es nichteinmal mehr neuer, multidimensionaler Kleider für den Kaiser bedarf, man würde sie sowieso nicht sehen. Wer – wie ich – seine Probleme mit der Mehrdimensionalität hat, der kann sich vielleicht durch diese kleine Einführung zur String-Theory auf den State-of-the-Art bringen. Das ergäbe auch einen lustigen Begriff: Der mehrdimensionale Learningstring.

5 Gedanken zu „Multidimensionale Konferenzerkenntnisse 2006“

  1. Der Fokus der DeLFI 2006 war aber schon deutlich weiter als „(Re)Authoring und Wiederverwendung“ und zwar nicht nur offiziell. Mir hat tatsächlich das Best Paper von Niels Pinkwart et al zu eArgumentationshilfen mit am besten gefallen (neben Peter Baumgartners Handlungsmuster-Taxonomien) und beide gehören gerade nicht zu „ReAuthoring und Wiederverwendung“.

    Mich würde ja auch interessieren, wie Dir eigentlich die Best-Paper-Prozedur gefallen hat? Nicht alle vorgeschlagenen konnten mich von ihrer Qualität in irgendeiner Weise überzeugen …

  2. Den durchaus breiten Fokus habe ich schon wahrgenommen. Abschliessend bewerten kann ich die DeLFI dennoch nicht, weil ich schlicht nicht alle Sessions besuchen konnte und nicht bis Donnerstag da war, so wie Du. Ein Video-Archiv wäre da klasse, dann könnte man jetzt so einige nochmal in Ruhe ansehen.

    Haften bleiben immer die extrem positiven und die extrem negativen Beiträge. Das nachweislich „tote Pferd“ LernObjekt bzw. LearningObject ist z.B. für meinen Geschmack viel zu oft aufgetaucht bzw. weiter versucht worden zu reiten.

    Der Beitrag „Empirische Untersuchung zur Veränderung des Studienalltags durch Einführung eines Lernmanagementsystems“ verkündete unter dem Label der Qualitätssicherung: „Studierende finden es gut etwas downloaden zu können.“ Ich frage mich ob man für die Erlangung dieser Erkenntnis eine „Empirische Untersuchung“ braucht. Aber bitte.

    Sehr gefallen hat mir z.B. Claudia Bremer mit Ihren Beiträgen. Sie war hochengagiert bei der Sache und ist für mich eine der „Change Agents“ die wir in Sachen e-Learning in Deutschland haben. Sowohl der Workshop mit Ihr zu Potenzialen von Wikis als auch der Vortrag zur Qualitätssicherung konnten mich überzeugen.

  3. Ja, ein Video-Archiv wäre wirklich klasse. Den Vortrag von Baumgartner fand ich richtig spannend, aber das Papier erfüllt dann die Erwartungen nicht, die ich beim Vortrag aufgebaut habe. Den Unterschied würde ich wirklich sehr gerne nochmal analysieren, um zu einer persönlichen runden Abschätzung zu kommen.

    Noch ein Wort zu den Lernobjekten (LO): ist Dir aufgefallen, dass immer mehr Leute dazu tendieren, „content“ mit „LO“ gleichzusetzen? Ich glaube, gerade aus InformatikerInnen-Sicht wird da im Wesentlichen nicht unterschieden („wozu soll Inhalt sonst gut sein, wenn nicht zum Lernen …“) und der Begriffswechsel ist ein Angebot an die Pädagogen, Psychologen, .. sich unter einer neuen Perspektive mit diesen Wissensbausteinen zu beschäftigen. Was ja auf der Tagung auch prompt passiert ist und was ich nur gut heissen kann.
    Natürlich stellt es auch einen Wechsel der Herangehensweise der Informatik dar, sie öffnet sich: nicht mehr nur produzieren, sondern auch kontextualisieren (hier meine ich den seltsamen Wechsel von user-centered design zu learner-centered design, den ich zugegebenermaßen immer noch nicht ganz verstanden habe).

  4. Lieber Helge,

    schön zu hören, dass Dir das Kurz-Statement zum MoKEx-Projekt gefallen hat. „Peer Teaching“ ist eigentlich nur eines von vielen Themen in unserem Ansatz. Ich denke, dass insb. die Praxisnähe, die Interdisziplinarität, die Schulung von „weichen“ Kompetenzen der Beteiligten, sowie die Berührung mit einer Fülle von Informatik-Themen hervorgehoben werden müssen.

    Wie läuft Dein Dissertationsprojekt?

    Beste Grüße aus Irland
    Kai

  5. Hallo Kai! Ja das war mir schon bewußt, dass Ihr auch interdisziplinär seid. Mich hat besonders das Konzept überzeugt, weil es aus meiner Sicht auch ein Weg sein könnte, mehr Engagement bei den Lernenden umzusetzen. Learning-by-doing ist aus meiner Sicht nicht das Verkehrteste! Und Learning-by-Teaching, Coaching und letztlich Führungsverantwortung kann so falsch nicht sein.

    Mein Diss.-Projekt macht Fortschritte. Ich denke ich bin bald soweit erste Dinge davon zu veröffentlichen. Das läßt sich auch kaum vermeiden, da es eine neue Technologie ist. Die technischen Hürden sind genommen, jetzt kommt der Teil, der bestimmen wird ob es auch von den Nutzern akzeptiert wird oder sogar fest integriert wird.

    Ich bin selbst wahnsinnig gespannt! Die Technik war allerdings eine ziemliche Leidensphase muß ich sagen. Habe mir selten so den Kopf für eine so einfache Idee zerbrechen müssen.

    Schau einfach ab und an rein, dann bekommst Du die Neuigkeiten hier als Erster mit, wenn ich erste Dinge hier zeigen kann.

    Gruss nach Irland, da dürfte es jetzt vom Wetter her auch schon ziemlich ungemütlich sein, oder? ;-)

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