Sind wird überhaupt in einer Krise?

Das ist eine ernstgemeinte Frage, die sich zunächst aus aktuellem Anlass auf die sogenannte Corona-Krise bezieht. Doch im weiteren wird sich zeigen, dass auch alle anderen „Krisen“-Begriffe höchstwahrscheinlich aus den gleichen Gründen zu hinterfragen sind.

Krise

Der Begriff Krise ist in der Wikipedia wie folgt definiert:

Die Krise bezeichnet im Allgemeinen einen Höhepunkt oder Wendepunkt einer gefährlichen Konfliktentwicklung in einem natürlichen oder sozialen System, dem eine massive und problematische Funktionsstörung über einen gewissen Zeitraum vorausging und die eher kürzer als länger andauert.

Ich möchte zunächst anzweifeln, dass wir den Höhe- oder Wendepunkt bereits erreicht haben. Die massive und problematische Funktionsstörung weitet sich derzeit noch aus (Geschäfte schließen, Konzerne betteln um „Rettung“, neue Infektionsherde brechen aus, neue Neben-/Nachwirkungen der Erkrankung tauchen auf, wirtschaftliche Folgen weiten sich auf abhängige Bereiche aus etc.) und geht nicht etwa zurück.

Zudem ist nicht absehbar, dass diese Funktionsstörung nur vorübergehend sein wird. Es kann sein, dass diese massive Störung noch deutlich länger andauern wird. Wir werden den Niedergang von Wirtschaftsbetrieben und Kultur erleben. Wir werden vielleicht den Niedergang sozialer Systeme erleben, die unter der Last zusammenbrechen. Ich möchte hier auch nicht schwarz malen, aber ich möchte doch unseren sprachlichen Umgang mit der Situation in Zweifel ziehen. Voraussagen sind natürlich schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen.

Ob es sich um einen Wendepunkt handelt, kann jedoch oft erst konstatiert werden, nachdem die Krise abgewendet oder beendet wurde.

Der Begriff der Krise bezeichnet also eher einen Zeitpunkt und keinen Zeitraum. Ähnlich wie ein Klimax einen Höhepunkt beschreibt, sollte der Begriff der Krise auch nur für eine vergleichbare Beschreibung eingesetzt werden. Wir bezeichnen jedoch derzeit vielfältige negative Entwicklungen eher mit der Absicht einen Zeitraum bezeichnen zu wollen.

Unter der Berücksichtigung dieser Erkenntnis lassen sich möglicherweise auch andere Entwicklungen unseres Lebens auf diesem Planeten neu einordnen bzw. bezeichnen, denn auch diese sind eigentlich mit dem Wort der Krise nur unzureichend beschrieben, da wir z.B. bei der Klimakrise eben garantiert noch nicht auf einem Höhepunkt oder gar Wendepunkt angekommen sind. Die gefährliche Konfliktentwicklung mit massiven Funktionsstörungen weitet sich bereits seit langer Zeit aus. Ob uns je ein Stopp oder eine Auflösung der Störung gelingen wird, erscheint aktuell mehr als zweifelhaft, da wir hier schon vom Phänomen her sehr langfristige Abläufe und Zeiträume betrachten, ist der Krisenbegriff absolut unzutreffend gewählt.

Katastrophe

Der passendere Begriff für viele unserer aktuell höchst kritischen Entwicklungen scheint mir derjenige der Katastrophe bzw. des Niedergangs zu sein. Denn auf viele dieser Entwicklungen trifft es eben gerade nicht zu, dass wir bereits einen Wendepunkt erreicht haben. Im Gegenteil diese Entwicklungen laufen seit geraumer Zeit alle in eine Richtung, nämlich in die Richtung einer deutlichen, stetigen Verschlechterung.

Nimmt die Entwicklung einen dauerhaft negativen Verlauf, so spricht man von einer Katastrophe. […] Katastrophen sind durch elementare oder technische Vorgänge oder von Menschen ausgelöste Ereignisse, die in großem Umfang das Leben oder die Gesundheit von Menschen, die Umwelt, das Eigentum oder die lebensnotwendige Versorgung der Bevölkerung gefährden oder schädigen.

Nach dieser Definition ist Covid-19 im Augenblick definitiv eine Katastrophe, eine Soziale und gesundheitliche Katastrophe. Genauso macht es deutlich mehr Sinn von einer Klimakatastrophe zu sprechen. Und auch das Finanzsystem steckt nicht etwa in der Krise sondern ist eine sich fortlaufend weiter ausbreitende Funktionsstörung, die mit dem Begriff der Finanzkatastrophe oder alterntiv des Niedergangs des Finanzsystems erst passend beschrieben ist.

Ich bin mir nicht sicher, ob es die Situation verbessern wird, wenn man die passenderen Begriffe verwenden wird. Aber ich bin mir sicher, dass es eine Situation nicht verbessern kann, wenn man die falschen Begriffe verwendet.

Arbeiten, arbeiten, …

Was man jetzt schon lesen kann: Post-work: the radical idea of a world without jobs

Work has ruled our lives for centuries, and it does so today more than ever. But a new generation of thinkers insists there is an alternative.

The emergence of the modern work ethic from this chain of phenomena was “an accident of history,” before then, “All cultures thought of work as a means to an end, not an end in itself.”

…to be continued

Why do I blog this? Sprache bestimmt unser Denken. Wenn wir die falschen Begriffe verwenden, können unsere Denkergebnisse nur falsch werden. Von einer Krise zu sprechen, wenn eigentlich eine Katastrophe eingetreten ist, führt zu einer dauerhaften Unterschätzung der Störung. Wenn wir weiterhin mit dem Bild der Krise versuchen der Störung zu begegnen, dann führt dies zu falschen Maßnahmen. Eine Katastrophe erfordert einen anderen Umgang mit einer Situation als eine Krise. Die Krise impliziert, dass es eine Option hin zur Verbesserung gibt und dass man die Störung beseitigen kann, und man bereits eine Lösung gefunden hat, die ab sofort wirkt und die Entwicklung in eine positive Richtung bewegt. Bei der Katastrophe ist keine Lösung in Sicht, man muss mit weiterer negativer Entwicklung rechnen.

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