Hängt der twitter-Hype vielleicht mit der Grippewelle zusammen?

twitter_virusMomentan kann man allerorten feststellen, wie die Anzahl der twitter-Postings in den Blogs und die Behandlung von twitter bzw. „microblogging“ (diesen Begriff finde ich mal wieder irgendwie unpassend, twitter ist kein blog) zum Hauptthema wird. zum Beispiel hier: „Sinn und Unsinn von Twitter“, hier „the twitter experience“, oder hier „Das PR-Blogger Twitter-Konzept“. Twitter gibt es ja nicht erst seit gestern, deshalb frage ich mich grade, warum ausgrechnet jetzt? Was treibt die Leute in Schaaren zu twitter?

Ich habe zwei Vermutungen: Die mediale Berichterstattung in Deutschland über die politischen Ereignisse in den USA, konnte sich dem Blick auf das WIE (wie hat Obama das geschafft?) nicht verschließen. Und dann rückten so Dinge wie facebook und twitter sowie Obamas Smartphone in den Mittelpunkt. Diese Dinge haben ihm offenbar Erfolg gebracht und diesen Erfolg suchen die Neutwitterer vermutlich jetzt auch. In der Hessenwahl haben es die wahlkämpfenden Parteien versucht. Die SPD ist sogar mit mogulus.com live auf Sendung gegangen und getwittert wurde sowieso. Alles vermutlich in der Hoffnung auf Teilhabe an einem neuen Erfolgsbringer.

Meine zweite Vermutung ist banalerer Natur: Derzeit verschafft die Grippewelle zigtausenden in Deutschland eine Zwangspause zu Hause. Erste Meldung über die Grippe habe ich – wie sollte es anders sein – über twitter aus dem Norden Deutschlands mitbekommen. Kann es sein, dass die Bettlägerigen Grippeopfer die Zeit nutzen, um sich mit Twitter als Erstnutzer zu beschäftigen? Zugleich fand ja in Hamburg die erste Microblogging Konferenz statt. Also eine Konferenz über die Nutzung von Twitter, Yammer, usw. Nun, da es gerade an der Zeit scheint, seine Erfahrungen mit twitter mit aller Welt zu teilen, mag ich da nicht zurückstehen. Zumal ich denke, dass ich ein eher untypischer Twitternutzer bin.

So nutze ich twitter und darum halte ich meine Nutzung für untypisch:

  • Ich binuntypisch, denn ich „protecte“ meine twitter-timeline. Das mache ich aus mehreren Gründen. Ich mag es nicht verfolgt zu werden, ohne dass ich das mitbekomme wer mir da folgt. Ich möchte darüber die Entscheidungsrechte behalten, wer mir folgt. Schließlich sind einige Inhalte meiner tweets ja auch sehr persönlich. Die E-Mail-Benachrichtigung von twitter (das mir jetzt XYZ folgt) finde ich zu aufwändig zu prüfen. Lieber gucke ich alle zwei Tage nach wer eine Anfrage zum Folgen gestellt hat. Mit dem Schützen der twitter-timeline möchte ich zugleich Datensammler und Robots aussperren. Ich mag nicht, dass meine Daten für irgendwelche Marktanalyse-Bots verwendet werden und auch bei Google sollen meine tweets nicht auftauchen.
  • Ich werfe Twitterer die in sehr kurzer Zeit viele tweets absetzen, die zudem sehr ähnlichen Inhalt aufweisen oder Teil einer Unterhaltung zwischen zwei Twitterern darstellen (BTW: wofür twitter die direct messages bereithält) sofort aus meiner Liste, bzw. „unfollowe diese“. Mir geht es also nicht darum möglichst viele Follower zu haben und mich mit diesen „gut zu stellen“. Wer Twitter als Kanal mit Massentweets verstopft fliegt bei mir ohne irgendein Zucken raus!
  • Ich twittere nicht „jeden Gang aufs Klo“, sondern versuche nur Dinge zu twittern, die auch von anderen als irgendwie relevant eingestuft werden könnten. Dazu gehören Tweets über Veränderungen in meinem Leben (Teilhabe an Ereignissen), Tweets über freudige und sehr unerfreuliche Ereignisse die mir widerfahren, und Tweets mit Links und Bildern.
  • Ich behandele Anfragen an mich in twitter als unverbindlich. Das heißt ich mache auch twitter einfach aus, wenn ich grade keine Lust und/oder Zeit habe. Ich lasse mich nicht von Twitterern unter Antwortdruck setzen! Ich empfinde es umgekehrt keinsfalls als unhöflich auf meine Tweets ebenfalls erst viel später mal oder gar nicht zu reagieren.
  • Viele Twitterer versuchen auf Teufel komm raus Follower zu bekommen. Für mich sind das reine Aufmerksamkeits-Junkies, die oft versuchen über nicht sofort erkennbare Art und Weise diese Aufmerksamkeit in Geld umzusetzen, sprich zu monetarisieren. Sei es um auf Veranstaltungen hinzuweisen, an denen sie beteiligt sind, oder Werbung für ein eigenes Produkt unters Volk zu bringen. Ich sammele keine Follower. Ich finde man kann nur mit einer begrenzten Anzahl an Followern eine sinnvolle nicht-kommerziell orientierte Twitternutzung erzielen. Twitterer die sich nur selbst darstellen und nach Aufmerksamkeit suchen erschweren die sinnvolle twitter-Nutzung für mich.

Nachtrag nach Veröffentlichung:
So beim nochmaligen Lesen kommt es mir vor, als ob ich die ganzen positiven Seiten von Twitter unterschlagen hätte. Das sollte nicht passieren. Holen wir das mal schnell nach…

  • Twitter ist für mich das perfekte Tool die „Vibes“ der Tech-Avantgarde immer im Blick zu behalten. Klar die Karawane zieht irgendwann weiter, aber über twitter ist man bei einem gut gemanaged’ten Wahrnehmungs-Portfolio immer auf dem Laufenden wohin.
  • Von den „Breaking News“ erfährt man oft Tage vorher bevor es eine Zeitung oder so mitbekommenhat
  • Man bekommt viel schneller mit, wenn sich eine spezifische Dynamik in der Community bildet die auf einen Punkt zudriftet, z.B. wenn 20 Leute twittern über welchen Flughafen sie gerade zur DLD anreisen.
  • Ich bekomme zig nützliche Links über twitter mit, die vor allem twittertools betreffen. So gesehen ist zwar „the media the message“ ein wenig, aber man ist an der Grenzlinie zu den neuen Welten die twitter aufstoßen könnte. Für Neugierige Personen wie mich also Pflicht!
  • Es ersetzt teilweise meine E-Mail, weil ich teils Personen über twitter besser und schneller erreiche als per E-Mail. Quasi ein Kommunikationsanbahnungstool (für Skype, Telefon, E-Mail, iChat, usw.).
  • Twitter erlaubt auch mir die Aufmerksamkeit anderer auf meine Produkte zu lenken, z.B. wenn ich mein Blog aktualisiere. Gerade bei meinen Artikeln im Blog, die länger zurückliegen und nicht mehr auf der Frontseite verweilen, ist es nützlich bekannt zu machen wenn ich einen solchen Artikel verändert bzw. aktualisiert habe (was ich regelmäßig tue).

Viel Nutzen, für ein paar Sekunden twittern. :-)

Update 9.2.2009
Soeben noch einen Link gefunden mit den 10 wichtigsten Punkten warum twitter nützlich ist. Am besten selbst an Ort und Stelle nachlesen.

Update 12.2.2009
– T W I T T E R P A U S E – Ich hab mein twitter für 14 Tage geschlossen. Die nur noch um sich selbst kreisende, twitter-trunkene socalled A-Twitterer-Community ist mir über. Die signal-vs-noise-ratio hat sich dermaßen asymptotisch der NULL angenähert, da ist ’ne Pause fällig. Twitter hab ich jetzt mit meinen über 1300 Tweets wirklich eine Zeit lang „gelebt“. Aber was da gerade abgeht ist nur noch ungefiltertes Durcheinander von vielen, vielen Selbstdarstellern. Twitter macht momentan den Eindruck einer „Aufmerksamkeitshure“: Es wird dramatisch mit jedem Mist zugetweetet um ein kleines Stückchen Aufmerksamkeit abzubekommen. Ich sag ja wir leben in einer Zeit der Aufmerksamkeitskrise! Die Menschen sollten einander etwas mehr Aufmerksamkeit in Form von echtem Respekt schenken, dann wäre dieses aufsässige Betteln über Twitter nicht nötig. Twitter wird aber aus meiner Sicht gerade genau für das Gegenteil missbraucht, für die Instant-Gratification von Aufmerksamkeitsabhängigen. Diese Leute mag ich nicht auch noch bestätigen in ihrem Bettelgebahren. Deshalb mache ich jetzt twitter-Pause. Wer anfängt zu twittern, der sollte sich wirklich viel Zeit nehmen, sich die Leute, denen er followed gut auszusuchen. Sonst ist der Kanal schnell voll. So long… :D
Als kleines Abschiedsbonbon hier ein Beitrag, den ich ziemlich lesenswert finde im Zusammenhang mit Twitter.

Update 16.3.2009
Momentan bin ich immer noch twitter-abstinent. Nicht dass ich nicht schon mal wieder reingeschaut hätte, aber ich habe mich beim tweeten doch zurückgehalten. Und ich muss sagen… fast nichts verpasst eigentlich. Die Links die ich spannend finde kannich alle nachlesen indem ich die twitterroll rückwärts durchgehe, und die Echtzeit-News zum Amoklauf dieses Schülers haben mir nicht wirklich gefehlt. Vermissen tu ich dennoch irgendwie was – z.B. meinen Internetanschluss zu Hause – nach dem Umzug, warte ich immer noch auf meinen Anschluss von m-net. Hoffentlich wird das bald mal was…

Update 17.3.2009
Da guckt man einmal neugieriger Weise bei twitter rein und zack hat man schon wieder einen Link gefunden, beim Klaus Eck: Folgeinvestition – Wie entscheiden Sie, wem Sie folgen?

Why do I blog this? Wie bei jedem Hype-Cycle wird jetzt schon wieder diskutiert und ausprobiert, ob man twitter nicht sogar zum Lernen in der Uni/Schule benutzen sollte. Ich pack mir da echt nur an den Kopf. Twitter ist für mich ein reines „Public Awareness Tool“, also eine Erweiterung meiner Wahrnehmung von der Welt. Ich bekomme eine Art periphere Wahrnehmung davon was „um mich herum“ abläuft. Und das unabhängig von der echten Distanz (weltumspannend sozusagen). Wie man mit twitter mehr lernen sollte, als das Management von Followern, um ein möglichst auf die eigenen Wünsche zugeschnittenes peripheres Wahrnehmungs-Portfolio zu pflegen wird mir en Rätsel bleiben. Ein Buch, ein Tutorial, eine Anleitung, eine Vorführung, ein gemeinsames Projekt, das sind Instrumente bei und mit denen ich am liebsten lerne. Twitter gehört für mich auf unabsehbare Zeit definitiv nicht zu den Tools die ich für das Lernen nutzen werde! Dennoch habe ich jetzt auf vielfaches Nachfragen wo denn bitte meine Twitter-ID im Blog versteckt ist einen Follow-Me-Twitter-Vogel rechts in die Seitenleiste getan. Frohes Twittern! :-D