Der Schwarm: Proxemik, die neugierig macht

Vor ca. einem Jahr gab es an der Hochschule für Künste in Bremen die Vorstellung eines Projekts, dass auch als „Ambient Interface“ bezeichnet wurde. Als prämiertes Projekt des Ideenwettbewerbs „Sinne und Telepräsenz“ wurde von Andreas Wiegand, Merten Schüler und Michael Rieken eine Kombination aus Hard- und Software vorgestellt, in der Akteure mit einem virtuellen Schwarm von computergenerierten Wesen interagieren konnten.

Der Schwarm, und das ist das Besondere, verwendet als Interaktionsschnittstelle nicht mehr Maus oder Tastatur sondern den gesamten Körper, der über einem Spielfeld seine Position ändert (Lokomotion). Wie das genau aussieht, kann man in folgenden zwei Videos sehen (leider nicht sehr flüssiges Bild, sorry!): Junge im Schwarm (Video), Mädchen im Schwarm (Video). Das Projekt ist aus meiner Sicht ein prima Beispiel für eine nonverbale Kommunikation die über Distanzveränderung stattfindet. Der Schwarm reagiert z.B. neugierig darauf, wenn der Akteur sich ihm langsam nähert oder ergreift die Flucht, wenn er sich zu schnell nähert. Das Forschungsgebiet über diese Art des Austauschs von Informationen über Distanzveränderung nennt man auch Proxemik.

Eine spannende Idee der Erbauer des Schwarms ist es, den Potentialen der künstlichen Intelligenz nachzugehen und die durchgängige Bewertung von Aktionen und deren Ergebnis mit genetischen Algorithmen zu bewerkstelligen, um beim erneuten Auftreten gleicher Situationen und Aktionen den Schwarm angemessener reagieren lassen zu können.

Inspiriert ist das Schwarm-Projekt von Craig W. Reynolds, der auf seiner Webseite eine überzeugende Visitenkarte vorzeigt, die ihn als einen Artificial Life-Spezialisten ausweist. Seine BOIDS-Seite zeigt einen ähnlichen Schwarm in 3D, der sich überraschend lebensnah verhält. Dort erklärt Reynolds auch, welche drei primitiven Grundregeln dieses Verhalten als Simulation ermöglichen.

Initiiert wurde das Projekt von der Arbeitsgruppe Digitale Medien in der Bildung (DiMeB), die geleitet wird von Prof. Dr. Heidi Schelhowe. Weitere Details zum Projekt….

Update 12.3.2007
Interessant ist vielleicht auch, das in Köln ein Schwarm-Experiment durchgeführt wurde, bei dem der Schwarm durch echte Menschen und nicht den Computer zustande kam. Spiegel Online hat aktuell einen Bericht dazu mit dem Titel „SCHWARM-EXPERIMENT: Menschen sind auch nur Fische“ . Interessant an der Sache: Die Menschen die an dem Versuch teilnahmen, haben innerhalb kürzester Zeit Schwarmverhalten gezeigt. Das Experiment wurde von Wissenschaftlern in Zusammenarbeit mit dem WDR Fernsehen in Form von Quarks&Co (eine Sendung die man prima als Video-Podcast abonnieren kann) durchgeführt. Der WDR sendet die Ergebnisse dieses bislang einmaligen Experiments am 10. April in der Folge „Das Geheimnis des Schwarms“ .

Update 10.4.2007
In der Süddeutschen ist ein erster Bericht über das Experiment erschienen unter dem Titel So steuert eine Menge – Der Schwarm. Heute Abend kann man dann den Beitrag „Das Geheimnis des Schwarms“ im WDR TV sehen.

Why do I blog this? Seit einigen Tagen bin ich direkt mit diesem Projekt in Verbindung gekommen, indem ich die Software, die für dieses Projekt verwendet wird auf meinem Computer habe. Was natürlich klar ist, ist das wenn ich soetwas schon auf dem Rechner habe, es nicht ungeändert wieder von dannen ziehen kann. ;-) Also habe ich an der Software ein paar vergleichsweise kleine Verbesserungen in dem Userinterface vorgenommen (siehe Vorher/Nachher-Bild). Leider kann ich aus Zeitmangel nicht selbst an der Software weiterbauen, ein Blog-Eintrag musste es daher wenigstens sein. Auch die Nähe zur Proxemik und zur Telepräsenz lässt mich dieses Projekt faszinierend finden. Was man mit einem Beamer, einem Industrie-Laserscanner und ein wenig Java-Code doch so alles machen kann…

Lehrveranstaltung 2.0: „Zeig mal die Seekarte“

Semesterrückblick: Seit dem WS 2005/06 (V 1.0) biete ich eine Lehrveranstaltung (LV) an, die allein in diesem Wintersemester 2006/07 (V 2.0) einen zahlenmäßigen Zuwachs von über 450% auf ca. 70 Teilnehmer hatte. Während Version 1.0 unter einigen Kinderkrankheiten (z.B. Reihenfolgefehler & Sprünge, technische Problemsituationen) einer frisch konzipierten LV litt, hat sich bei Version 2.0 in diesem Semester ein ausgereifteres Bild für mich ergeben (z.B. höhere effektive Lernzeiten, mehr Teilnehmerbeteiligung, konsistentes Konzept). Ich möchte jetzt nicht mit langweiligen Details quälen, und daher den Versionssprung an einer Methode verdeutlichen, die ich in meiner LV sehr erfolgreich seit Beginn einsetze, um für Überblick und Orientierung zu sorgen. Wie ich jetzt feststelle, eignet sich diese Methode prima, um einen schnellen Vergleich zwischen beiden Veranstaltungen durchzuführen. Anmerkung: Geschuldet ist die Methode vermutlich meiner seit 2005 bestehenden Nähe zur Nordsee, die mich inspiriert hat.


Karte 1: Kurs WS 2006/07 (Anklicken für Vergrößerung!)

Zu Beginn jeder LV stelle ich eine Art „Seekarte“ (siehe Karte 1) vor, die gut und gerne von einem Seefahrer angefertigt sein könnte. Darauf sind die Veranstaltungsziele in der Fläche aufgezeichnet. Große Themenblöcke als Inseln, einzelne Aspekte als Orte entlang der Küste dieser Inseln. Als Anzeiger für den aktuellen Aufenthaltsort wird ein Schiff verwendet. So weiß man immer, wo sich die LV thematisch gerade befindet. Auf einen Blick erschließt sich, was bereits abgehakt ist und was noch offen ist. Jede Ortsveränderung wird in der Karte mit einer roten Linie eingetragen und besuchte Orte werden mit einem grünen Haken markiert.

Das Schöne an dieser Karte ist, dass sie wie eine Art Entdeckungskarte der großen Seefahrer funktioniert, sie zeigt, was man alles entdeckt hat und was noch fehlt. Man sieht das Erreichte und weiß um das Unerreichte. Gegen Ende der LV ist die Karte meistens ziemlich voller Linien und Haken und die gesamte Karte sieht aus wie das Werk eines Seefahrers, der zwar mit Kompass aber wohl kaum mit einer Mannschaft von „Landratten“ unterwegs war. An dieser Stelle nun möchte ich die beiden Seekarten aus letztem und diesem Jahr festhalten.


Karte 2: Kurs WS 2005/06 (Anklicken für Vergrößerung!)

Ich würde mich über Anregungen freuen, wie man diese Orientierungs- und Führungsmethode noch verbessern könnte. Z.B. mit Ideen, wie es noch authentischer hinsichtlich der Seefahrt werden könnte. Meine eigenen Ideen gehen dahin, dass ich die Karte noch etwas unvollständiger mache, z.B. bestimmte Inseln erst auf der Karte auftauchen, wenn man nah genug dran ist und Orte noch nicht komplettt eingezeichnet werden. Der Wandel von der Seekarte zur Schatzkarte soll natürlich weiterhin im Auge des Betrachters/Teilnehmers liegen.

Update 20.2.2007
Andrea Back beschreibt gerade, dass man durchaus auch zum Millionär werden kann, wenn man ein Lehrer mit Promi-Status (=exzellenter Lehrer?) (=Lehrer mit schlauem Selbstmarketing?) wird. Nachzulesen unter dem Titel „E-Learning-Promi werden und Millionen machen“ bzw. direkt bei BusinessWeek lesen. Na da frag ich doch einfach mal in die Runde: Wer hilft mir bei der ersten Million, die ja bekanntlich die schwerste ist? ;-) (via LearningWaves)

Why do I blog this? Überall ruft es derzeit nach einer Exzellenz nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Lehre (z.B. hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier). Nun, was liegt da näher, diese mit einfachen Methoden zu verbessern? Ich bittte also um viele nützliche Hinweise, wie das Konzept verbessert werden kann. :-)
Gut erkennen kann man die Veränderung hinsichtlich der „Piraten“, die immer für gewisse Probleme stehen. In der Karte 2 tauchen die Piraten aus dem Nichts auf und stören den Reiseweg zum nächsten Ziel. In Karte 1 wird dagegen gleich zu Beginn ein „Piratentraining“ durchgeführt, um gegen verschiedene Probleme und Störungen (Internetausfall, Viren, Spam, usw.) gewappnet zu sein. Auch ist der eingeschlagene Kurs vollkommen unterschiedlich. Die EverLearn-Insel wurde in Karte 1 z.B. nicht einmal angelaufen, dafür wurde gleich nach der Piratenbucht die Werkzeuginsel angesteuert. Im direkten Vergleich fällt sofort auf, dass in Karte 1 der zurückgelegte Kurs länger ist und viel mehr Zwischenstopps hat. Es wurde quantitativ mehr gemacht, was dem ausgereifteren Konzept der Veranstaltung geschuldet ist.

Jahr der Geisteswissenschaften in Bremen

Das Jahr 2007 ist das Jahr der Geisteswissenschaften. Nach dem 2006, dem Jahr der Informatik, folgt dieses Jahr ein neuer Bereich, und ein umfangreiches bundesweites Programm. Wer sich jetzt schon fragt „Was hat denn Bremen da zu bieten?“, der kann es jetzt genau nachlesen, und zwar hier, unter der URL:

www.geisteswissenschaften-bremen.de

Es gibt ein sehr umfangreiches Angebot. Ein Angebot aus der Büro-Etage in der ich meinen Arbeitsplatz habe, trägt den doch recht eigentümlichen Titel „Eltern zu Gast an der Bremer Uni – Knochen kommt zum Hund“ (Flyer herunterladen). Um was es thematisch geht hat der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft ganz gut zusammengefasst.

Eltern kommen zu ihren Kindern an die Universität. Sie erleben eine Forschungssimulation, bei der die Lesekompetenz getestet wird. Die Szene ist analog zu der OECD-Erhebung ‚Programme for the Assessment of Adult Competencies‘ (PIAAC) aufgebaut. Das Thema Lesekompetenz wird komödiantisch mit Literatur, Dialogtheater und Trend-Sport variiert. Hochschulferne Eltern von Studierenden, die mit PISA und PIAAC nur durch Medien konfrontiert sind, sollen Sampling, Test, Scoring und Reporting selbst erleben. Sie erwerben so die Fähigkeit, bildungspolitische Informationen einzuschätzen.

(via Anke Grotlüschen)