BlackBoard patentiert e-Learning 1.0

Auf diese Meldung hat mich mein Chef aufmerksam gemacht; Die Meldung hat eingeschlagen wie eine Bombe: „Blackboard Awarded Patent on e-Learning Technology“. Bill Fitzgerald hat es als einer der Ersten aufgedeckt ebenso wie Michael Feldstein in seinem Posting. Stephen Downes hat bereits eine super Zusammenfassung geschrieben ausgehend von seinem ersten Posting. Harold Jarche bringt es meiner Ansicht nach auf den Punkt: „Blackboard patents the LMS, but does it matter?“, ich würde sagen ja und nein. Es zeigt einerseits wieder wie unsinnig Patente auf ganze Abläufe sind (in Deutschland üblicherweise „Gebrauchsmuster“ genannt und nur sehr beschränkt schützbar), also „ja“, es macht etwas aus. Aber wenn man sich anschaut, was da angeblich patentiert wurde, würde man sagen „Das ist alles e-Learning 1.0“ von daher „nein“, es wird vermutlich wenig Auswirkungen haben. Die Blackboard-Software wird keinen Deut besser werden durch das Patent. Vermutlich wird Bb andere Firmen weiterhin aufkaufen und dies war nur das Instrument um dies zu beschleunigen. It’s just Business! Oder um es mit den Worten von Jay Cross zu sagen „A game ruined by a player who did not understand the rules.“

Update 4.8.2006:
Stephen Downes hat eine eigene Seite zum Blackboard-Patent eingerichtet und damit eine ganze Menge Beiträge auf einer Seite zusammengefasst. Das lesen des exakten Patentantrags von Blackboard in der Europäischen Union ist übrigens jederzeit möglich. Zugleich überzeugt mich ein Vorschlag von Jym Brittain, der sich gegen eine Kultur von „Angst & Schrecken“ durch Patente ausspricht und fordert: „Yeah, time for the culture of love.

Update 6.8.2006:
Seit Bb seine Patent-Ambitionen bekanntgegeben hat, hat sich einiges im Web getan. Ein Blick auf die Übersichtsseite von Stephen Downes macht deutlich, wie sehr Bb sich hier mit der Community angelegt hat. Der Versuch sich e-Learning patentieren zu lassen dürfte zu einem mittleren Image-Selbstmord von Bb geführt haben. Künstler lassen jedenfalls jetzt Ihrem Unmut freien Lauf und bringen Verfremdungen des Bb-Logos in Umlauf wie hier rechts zu sehen. Die Details aus Bb’s Patent-Filing sind von der Community im Web einfacher zugänglich gemacht worden. Der Angegriffene Desire2Learn hat bereits mit einer Stellungnahme reagiert. Wer selbst ein LMS/LCMS oder eine GroupWare für e-Learning umgesetzt hat, den dürfte die Zusammenstellung der Dinge interessieren, die Ihn angreifbar machen durch Bb’s Vorgehen. Michael Feldstein hat das ganze in „lesbares“ Klar-Englisch (als PDF) übersetzt (Vorsicht, extreme Lachanfallgefahr!).
Zum Thema der Informationsrechte gibt es auch einen Vortrag mit dem Titel „Info-communism v. info-liberalism. Commons and Exclusivity in Information Property Rights“ (als QT-Movie), den Milton L. Mueller von der School of Information Studies der Syracuse University im Rob Kling Center for Social Informatics gehalten hat. Das macht sehr deutlich wo z.B. der Unterschied zwischen „Free Software“ und „Open Source“ liegt und dass dies alles Fragen sind, die die Gesellschaft als Ganzes angehen. Seine Anmerkung zum Vorgehen der französischen Regierung in Sachen iPod finde ich übrigens nicht gerechtfertigt. Würde die EU ebenfalls zu den USA gehören (z.B. als Bundesstaat) hätte er vermutlich völlig anders argumentiert.

Update 18.8.2006:
Auf accidentalpedagogy kann man nachlesen, dass auch das IMS Global Learning Consortium sich nun der Aktion Blackboard’s annehmen wird. Rob Abel stellt fest: „…there have been many legitimate concerns raised.“ und fordert dazu auf, Fragen an IMS zu senden, die in einem Meeting am 5. September mit den Offiziellen von Bb besprochen werden sollen.

Update 2.12.2006:
Es ist soweit: Die Community holt zum adäquaten Gegenschlag aus!. Vor zwei Tagen hat das Software Freedom Law Center eine formelle Anfrage an das Patentamt in den USA gestellt, mit dem Inhalt den Fall BlackBoard zu untersuchen, die Akte zu öffnen und die insgesamt 44 Patentansprüche aufzuheben. Mit der Hilfe von Menschen um den ganzen Globus wurde eine Wikipedia-Seite angelegt, die eine Zeitleiste der Entwicklung von Systemen zeigt, die klar erkennen lässt, das keine neue Erfindung seitens Blackboard vorliegt (sogn. „prior art“ oder wie in einem deutschen Werbespot mal ausgestrahlt wurde „Gibt’s schon.“)! Mit zum Team des Software Freedom Law Center gehört u.a. Lawrence Lessig von der Uni in Stanford. Nicht nur Blackboard steht auf der Sünderliste der Organisation, auch Microsoft, die für Ihre Regelungen zur Rechtssicherheit für Microsoft-Softwareentwickler kritisiert werden. (via heise.de)

Update 2.2.2007
Gestern veröffentlichte BlackBoard eine erste Pressemeldung, in der der teilweise Verzicht auf das Wahrnehmen der Patentrechte (in Form von Klagen) gegenüber quellcodeoffenen Initiativen erklärt wird. Das dürfte aber vermutlich nur eine strategische Geste sein, um sich gegen die davonschwimmenden Felle zu wappnen. Denn das Software Freedom Law Center (SFLC) ist offenbar recht erfolgreich dabei, gegen das gesamte Patent vorzugehen, wie heise.de berichtet.

Update 3.11.2007
long time no posting: Aber es gibt ein wenig Neues zu dem e-learning Patent von Bb. Wie ich eben bei Tim Schlotfeldt gelesen habe. Die Kette geht so: SchlotfeldtDownesFeldstein und landet dann bei einem Posting mit dem Titel: „Blackboard’s Dirty Laundry Comes Out in Patent Trial“ das auf die Patentinfoseite von Desire2Learn verweist.

Und ganz offenbar musste D2L einige Information schon wieder zurückziehen – der Patentkrieg ist also offenbar in vollem Gange:

[Our Litigation Update post, originally posted here on October 24, has been temporarily removed, as late today we received a letter from Blackboard’s lawyers.

Right now, our lawyers are quite busy preparing responses to various court filings by Blackboard – and those responses must be filed with the court soon. It’s more important for our lawyers to address the substantive issues, and not be sidetracked by Blackboard’s attempted distractions. So . . . it’s down, but we promise it’ll be back, in one form or another.

We continue our pledge to be as transparent as possible. And now perhaps our readers can begin to appreciate how difficult that can be.]

Why do I blog this? Having crafted the implementation of an e-Learning solution myself (see http://www.everlearn.info) it sounds like some stranger coming along yelling at you „All your innovation is now owned by me!“. Many people have built up e-Learning solutions in the past, every solution beeing different from the other. Some beeing better than others. To come along telling everyone that you have invented it all may evoke some concerns about the truth behind this shouting. I do not think that patenting is the best way to solve the problems mankind has on this planet. This will apply to the blackboard patent, too.

Eine neue (Über-)Dimension des Podcasting

Für den Apple Macintosh ist eine brandneue(!) Software erschienen mit dem Namen Übercaster. Was diese Software in Sachen benutzerfreundlicher Bedienung aufzuweisen hat ist schlicht richtig gut. Podcasting wird mit dieser Software noch einfacher. features_autopilot Wer es bisher für kompliziert gehalten hat Podcasts zu produzieren (so wie ich), der wird mit dieser Software wenig Grund mehr haben dazu. Einfach mal die Filme auf der Webseite von Übercaster anschauen und staunen wie einfach das ausschaut! Ich habe die Software soeben selbst ausprobiert und bin begeistert (allein die Stimmen-Effekte). Ich bin ein wenig überbegeistert, denn mit GarageBand bin ich nicht wirklich happy gewesen. Die Entstehungsgeschichte von Übercaster, einer Software made in Germany (auch wenn es nicht so aussieht wegen der englischen Sprache) kann man in einem Blog nachlesen und weiterverfolgen.

Why do I blog this? Diese Software ist qualitativ eine solche Leistung, dass ich nicht umhin komme auf sie zu verweisen. Als Softwareentwickler unter Mac OS X weiss ich einigermassen einzuschätzen, wie aufwändig es ist eine solche Benutzerfreundlichkeit zu designen. Was hier gelungen ist ist jede Erwähnung einfach wert. Super gemacht!

Die „E-Environment“ der Zukunft für das Lernen

Vor dem Hintergrund des Agendasetting durch Begriffe wie „E-Learning2.0“ und „Web2.0“ finden auch kontroverse Diskussionen über die weitere Entwicklung statt (z.B. bei Jochen Robes‘ Beitrag „E-Learning 2.0 – Buzzword oder ernstzunehmende Entwicklung?“). Während viele die sich gerade ganz gut mit LMS Systemen eingerichtet haben, verständlicherweise nicht gerade bereitwillig davon abrücken möchten, zumal man damit Geld verdienen kann, gibt es dennoch Entwicklungen, die LMS in einigen Bereichen bereits weit überholt haben, und die momentan unter dem Begriff der Personal Learning Environment (PLE) diskutiert werden.

In Sachen Autonomie und Kontrolle des Lernenden über „seinen Arbeitsbereich“ haben Weblogs z.B. gegenüber einem LMS bei dem die Kontrolle weitgehend bie den Lehrenden/Tutoren liegt, einen deutlichen qualitativen Unterschied. Auch die Möglichkeiten der Vernetzung mit anderen ist bei einem Weblog oft um ein Vielfaches besser als in einem restriktiven LMS. Die einfach zu bedienende Funktion Links anzulegen und die eigenen Inhalte per RSS-Feed bereitzustellen (Export) stellen die Basis bereit für automatischen Aggregation bzw. technisch ermöglichte Kompilation fremder Inhalte im eigenen Blog.

Bereiche in denen LMS zunehmend Druck bekommen durch PLE-Ansätze hat James Farmer anregend zusammengestellt in seinem Beitrag „Centred Communication: Weblogs and aggregation in the organisation“. In seinem neusten Beitrag nimmt James Stellung zu der Diskussion um dem Begriff der PLE. Auch Albert Petersheim fragt sich in seinem Beitrag „LMS schön und gut, aber wo bleiben die Lernenden?“ und faßt darin einige kontroverse Standpunkte zusammen auch hinsichtlich der neuen Anregungen durch James Farmer.

Why do I blog this? Ich denke, dass Weblogs tatsächlich „kleine LCMS light“ darstellen. Sie verfolgen einen pareto-optimalen Ansatz einer Lernumgebung (alles was im weitesten Sinne mit „Bürokratie“ bzw. „Verwaltung u. Organisation“ zu tun hat wurde einfach weggelassen, was Potenziale für andere Schwerpunkte freigesetzt hat). Die Einarbeitung in ein Weblog ist nicht weniger schwierig als in ein LMS, aber die Flexibilität hinsichtlich Gestaltung und die Qualität hinsichtlich der Kontrolle des Nutzers über seinen Bereich ist oft viel besser! Der Begriff der „PLE“ ist für mich derzeit dennoch nur ein Label, dass diese zwei Schlüsselqualitäten als neuen Mittelpunkt sieht und nicht unbedingt zu der Schlussfolgerung verleiten sollte einfach alles über Bord zu werfen. Ein grosser Vorteil von z.B. LCMS ist die hohe Integration und das Ineinandergreifen verschiedener Basisfunktionen für „Erstellung von Content“, „Distribution von Content“ und „Betreuung von Lernenden“. Die organisatorischen Funktionen fehlen eben bei Weblogs, was bestimmte Probleme für den institutionellen Einsatz mit sich bringt. Aber das lässt sich ja vielleicht irgendwie in Zukunft beheben. Genauso könnten bestehende LCMS lernen von den Weblogs, indem Sie Restriktionen beseitigen und Flexibilität und Kontrolle an den Lernenden geben. So könnte man von zwei Seiten her das identifizierte Problem angehen.