Ich weiß nicht wie oft ich mir diese Frage in letzter Zeit schon anhören musste. Ich kann es einfach nicht mehr hören! Ich frage ja auch nicht ständig „Waaaas Du hast ein Handy? Kommst Du da eigentlich noch zum arbeiten?“.
Für alle die, die genau die obige Frage an mich stellen oder gestellt haben oder gerne stellen würden, kommt hier meine kurze und prägnante Antwort: Nein, mein Blog ist reiner Zeitgewinn!! (neben anderen Gewinnen)
Wie das? Zeitgewinn? Kein Verlust? Ja, exakt! Zeitgewinn. Mal ganz allgemein gesprochen, wer behauptet er hätte keine Zeit für etwas, der bringt in meinen Augen nur eines zum Ausdruck: Er will keine Zeit für etwas investieren, weil er andere Prioritäten gesetzt hat. Keine Zeit zu haben ist ein Totschlagargument Nummer Eins für jede möglicherweise unangenehme Sache. Damit kann ich auch problemlos begründen nicht zur Wahl zu gehen, oder Unfallflucht zu begehen. Keine Zeit! Wenn mir jemand sagt, er hat „keine Zeit“, dann denke ich mir stattdessen „Er hat andere Prioritäten.“
Das ist für mich okay, aber es geht hier nicht um Zeit, sondern Prioritäten. Jeder soll seine eigenen Prioritäten haben! Ich habe meine und ich räume dem Blog eine hohe Priorität ein, weil ich es für ein Wissenswerkzeug par excellence halte. Aber bitte, bitte, bitte: Keine Fragen mehr nach einer Zeitverschwendung. Wer mich fragt, der sollte eher fragen „Du bloggest, meinst Du du hast deine Prioritäten da richtig gesetzt?“, wenn er meint, dass ich in seinen Augen gerade meine Lebenszeit verschwende. Darauf werde ich dann gerne antworten. :-D
Wer allerdings meint „keine Zeit“ zu haben sich um ein Haustier oder einen Gemüsegarten zu kümmern, der sollte sich auch Folgendes fragen, und statt „Pflanze“ bitte immer „Blog“ im Geiste einsetzen:
Liebst Du Pflanzen? Sicher weißt Du wieviel Mühe es macht, aus einem kleinen Setzling eine schöne kräftige Pflanze zu ziehen. Eine Pflanze will täglich gegossen und manchmal auch gedüngt werden. Sie braucht einen hellen Platz, wo sie genug Sonnenlicht bekommt. Und wenn das Gefäss zu klein wird, musst Du sie mit guter, frischer Erde in ein größeres umpflanzen. (via Grüner Daumen…)
Eines braucht jedes kräftige Blog genauso wie ein Haustier und ein Garten: Ausdauer, Kontinuität und Verlässlichkeit in der Pflege. Der grüne Daumen kommt durch die Übung. Anfangs wird man Pflanzen verlieren (Keine Leser, Keine Kommentare, Falsche Überschrift), ein ganzes Beet abschreiben können (Zuviel Spam, schlechte Kommentare, Thema interessiert niemanden), oder dem Garten fehlt der Austausch von Pollen mit Nachbargärten (keine Trackbacks, keine Zitate, keine Links). Den ganzen Wildwuchs muss man regelmäßig zurückschneiden (alte Links, nutzlose Plugins, Sidebar-Entrümpelung).
Dann fängt der Garten irgendwann an zu blühen (Bilder, Audio und Video eingebunden, nettes Theme/Skin selbstgebaut, Sidebar selber konfiguriert), der Garten wächst stetig und braucht frische Erde (neue WordPressversion, neuen Server, mehr Festplattenplatz), oder muss gar umgetopft werden (Serverumzug via Import/Export) im schlimmsten Fall geht der ganze Garten inklusive Ernte und allem Reservesaatgut kaputt (Festplattencrash ohne Backup).
Ein Blog ist wie ein Garten:
Hast Du Zeit für einen Garten,
hast Du Zeit für ein Blog.
So einfach ist das!
Update 30.1.2008
Passend dazu schreibt gestern Andreas Göldi in dem Beitrag Die Zukunftsbranche “Zeitverschwendung”:
Das Lesen und Schreiben von Blogs? Zeitverschwendung! Schafe werfen auf Facebook? Selbstdarstellung pflegen auf Myspace? Zeitverschwendung! Sich mitteilen auf Twitter? Übelste, sinnlose Zeitverschwendung! Und der König aller Zeitschwendungs-Sites ist bekanntlich Youtube. Der grössere Teil der aktuellen Online-Aktivitäten, so könnte man glauben, ist zweckfreier Trödelei gewidmet, ohne irgendeine positive wirtschaftliche, kulturelle oder soziale Auswirkung. (via twitter(!):sixtus und blog(!):medienkonvergenz.com)
Update 1.2.2008
Ein niegelnagelneuer Weg, Zeit zu sparen ist übrigens InstaPaper, ein Dienst, der Artikel/Webseiten, für deren Lesen man im Augenblick keine Zeit hat, einfach für später vormerkt. Ein Klick auf einen Knopf in der Browserleiste und schon kann man die Webseite mit dem spannenden Artikel beruhigt schließen. Hat man dann später Zeit, geht man einfach bei Instapaper vorbei und beginnt mit dem Schmökern. (via Hacker News)
Und so sieht das dann aus:
Update 2.2.2008
Meine Geheimtipps und Quellen für den Profigärtner von morgen:
- 114 Quellen für kostenlose Bilder – ideal für optische Blogpflege; weitere Tipps (via lorm)
Besser noch man nutzt die Wikimedia Commons, dort kann man auch lizenzfreie Bilder spenden - Das nicht kostenlose Premium-Blogtheme für WordPress – ideal, wenn man keine Zeit hat sein Blog selbst zu „pimpen“ (via Adii)
- 20 kostenlose Usability Tipps für die Bloggestaltung – viele davon hab ich selbst noch nicht berücksichtigt. (via idratherbewriting)
Ebenfalls interessante Lektüre für den, der seine Zeit an die Zukunft verschwenden möchte: „What’s in it for me? Über den Nutzen von Weblogs für Wissensarbeiter“, ein Artikel im Blog von Jochen Robes – Spoiler-Alert(!): Kann es sein, dass dem Blogleser von Jochen demnächst eine Neuigkeit ins Haus steht? :-D.
Update 3.2.2008
„Blogger ein Fall für die Psychologin?“ – das hätte ich gerne als Titel für ein Blogposting und als Antwort auf einen Beitrag im e-Denkarium verwendet, hab mich dann aber doch noch umentschieden. ;-) Gabi Reinmann (Dipl. Psychologin und Professorin) jedenfalls hat sogenannte KnowledgeBlogger unter das psychologische Mikroskop „gelegt“ und versucht die Psychologie des Bloggers zu durchleuchten. In dem zur LearnTec veröffentlichen Arbeitspapier „Knowledge Blogs zwischen Kompetenz, Autonomie und sozialer Eingebundenheit“ (als PDF) stellt sie mit Kollegin Tamara Bianco Bloggen vor dem Hintergrund von psychologischen Grundbedürfnissen – die haben also alle Menschen – vor. Es würde mich kaum überraschen, dass man soziale Eingebundenheit, Autonomie und Kompetenzerleben auch mit Blogs versucht umzusetzen. Das Gleiche treibt einen ja auch im ganz normalen Berufsalltag, im Privatleben, in der Schule, im Sport, … ja wo eigentlich nicht?? Es sind eben Grundbedürfnisse. Eine herrlich beruhigende Aussage in der ganzen 2.0 Dynamik auf dem Planeten findet sich dann auch noch in dem Text:
Sehr wahrscheinlich zum Scheitern verurteilt ist das Bloggen dann, wenn es explizit erzwungen wird, wenn beispielsweise neue Projektmanagementmethoden Blogs vorschreiben oder in Bildungsinstitutionen das Bloggen Pflicht ist.
Das sehe ich ganz genauso. Bloggen ist ein freiwilliger Akt. Deshalb sind die meisten (nicht freiwillig geführten) Corporate Blogs auch nichts weiter als armselige Marketingbuzz-Outlet-Center zur Pflege eines vollkommen unauthentischen Unternehmens-/Markenimage.
Update 30.5.2013
Zu dem Thema Bloggen gibt es auch immer mal wieder die gleichen Fragen. Derzeit läuft da grade wieder eine Blogparade mit dem Aufruf „Warum blogt Ihr eigentlich?“. Da wird es sicher auch einige interessante Antworten zu lesen geben. Da ich noch von niemandem zum Professor berufen wurde… enthalte ich mich da höflich der Stimme, zumal ich hier ja schon ausführlich drüber geschrieben habe.
Für mich ist primär das eigene Blog nach wie vor ein extrem wertvolles Nachschlagewerk, um Dinge die ich spannend finde zu sammeln, zu vernetzen und kontinuierlich zu erweitern. Als ich eine längere Bloggingpause gemacht habe, hat es mir regelmäßig gefehlt, um Dinge nachzusehen. Bislang habe ich noch keinen gesehen, der selbst Jahre alte Blogposts immer noch pflegt und weiter updated. Aber gerade das reizt mich: die Fortschreibung. Nach dem Motto „Nichts ist älter als die Zeitung von gestern.“ verfahren schon genug online Medien. Aber um etwas nachhaltig am Leben zu halten braucht es Einsatz und Energie. Bei der Konfrontation mit „altem Zeug“ wird einem klar, wo man vor 3 Jahren falsch lag und kann lernen. Das alles macht bloggen zu etwas Besonderem.
Why do I blog this? Weil ich jetzt schon von vielen, vielen Kollegen und Kolleginnen den Spruch oben gehört habe. Leute die Zeit haben! Leute für die es absolut sinnvoll wäre zu bloggen. Denn ein Garten lehrt Respekt, Disziplin, Konzentration auf das Wesentliche und die Details. Und ein Garten bringt Freude und Früchte, Vitamine und Spurenelemente. Alles das würde ich meinen KollegInnen in der Wissenschaft 2.0 gönnen, aber die meisten haben keine Zeit für einen Garten, sagen sie! Leider. Es gibt jedoch Ausnahmen (via eduFuture), die hoffen lassen…